Einen Tag nach der Schießerei am Untertürkheimer Bahnhof kann die Polizei noch nicht sagen, wer zuerst schoss – die Beamten oder der Verletzte, der die Streife mit einer Softair-Waffe bedroht haben soll.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Der Fall des Mannes, der in der Nacht zum Mittwoch in Untertürkheim von der Polizei angeschossen wurde, hat Diskussionen ausgelöst. Im Zentrum steht die Frage, ob die Beamten hätten erkennen können, dass der Mann mit einer Softair-Waffe auf sie zuging. Diese habe täuschend echt ausgesehen, teilt die Polizei mit. Im Internet äußern einige Leser der Stuttgarter Zeitung die Meinung, die Beamten hätten am Geräusch erkennen können, dass es sich nur um eine Softair-Waffe handelte. Andere halten dem entgegen, man müsse nicht warten, bis ein Schuss falle, wenn ein Mann in der Nacht eine Pistole auf Polizeibeamte richte.

 

Dazu sagt die Polizei, dass der genaue Ablauf, wer wann schoss, noch nicht geklärt sei. Die 25 und 35 Jahre alten Beamten, die in die Schießerei verwickelt waren, haben frei. Der 34-Jährige, der schwer verletzt wurde, macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Gegen ihn wird auch wegen des Tatvorwurfs der Bedrohung ermittelt.

Der Verletzte äußert sich nicht zu dem Vorfall

Der 34-jährige Stuttgarter hatte in der Nacht zum Mittwoch über den Notruf angekündigt, er werde am Untertürkheimer Bahnhof den Ersten, der ihm über den Weg laufe, erschießen. Als die Polizei eintraf, richtete er seine Waffe auf die Beamten. Diese schossen auf den Mann, ein Schuss traf ihn in den Bauch. Die Ermittler gehen davon aus, dass er die Schießerei provoziert hat, um sich von der Polizei töten zu lassen.

In der Tat sehen die Druckluftwaffen täuschend echt aus, das reichte im Fall der in Untertürkheim von dem 34-Jährigen verwendeten Pistole bis hin zur Prägung der Typbezeichnung. Nur in einem Zusatz unterschied sie sich vom Original, dem sie nachempfunden ist, erläutert der Polizeisprecher Stefan Keilbach.

Schützen raten davon ab, Kindern Softair-Waffen zu kaufen

„Natürlich müssen die so aussehen, sonst kauft die ja keiner“, sagt ein Händler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der Geschäftsmann sagt, er sei beim Verkauf vorsichtig. Ein Teil der Softair-Waffen darf an Jugendliche von 14 Jahren an verkauft werden, wenn die Geschossenergie nicht mehr als 0,5 Joule beträgt. Von 0,5 bis 7,5 Joule sind die Softair-Waffen ab 18 Jahre frei verkäuflich. Der Händler fügt hinzu, er vergewissere sich, dass die Kunden alt genug seien. Er lasse sich schriftlich geben, dass die Käufer sich an die gesetzliche Regelung halten: Die Waffen, die als Spielzeug gelten, dürfen nicht in der Öffentlichkeit geführt werden.

„Wir raten ganz klar davon ab, Kindern diese Waffen als Spielzeug zu kaufen“, sagt Robert Garmeister, der Leiter der Rechtsabteilung beim Deutschen Schützenverband. „Softair, Paintball und Gotcha sind dafür gemacht, auf Menschen zu zielen. Das macht ein Schütze nicht. Deswegen sind all diese Spiele für uns kein Sport“, sagt er. Die auch in Schützenkreisen viel diskutierte Forderung, Softair-Waffen farbig zu markieren, damit sie von echten zu unterscheiden sind, sieht Robert Garmeister kritisch: „Dann könnte ja ein Verbrecher auch seine scharfe Waffe pinkfarben lackieren, um der Polizei vorzutäuschen, es sei eine Softair. Damit ist die Verwechslungsgefahr nicht beseitigt“, erläutert er.

Dass die Verwechslungsgefahr besteht, belegen mehrere Beispiele aus der Region in der jüngsten Vergangenheit. Vor wenigen Wochen wurde die Polizei in den Stuttgarter Osten gerufen, weil dort Jugendliche mit einer Waffe auf dem Dach einer Turnhalle standen – es war eine Softair. Im Januar lieferten sich zwei Jugendliche mit der Polizei eine Verfolgungsjagd durch Weinstadt (Rems-Murr-Kreis).

Offenbar nutzen Kriminelle die Verwechslungsgefahr für ihre Zwecke. Das Innenministerium des Landes hat erhoben, dass im vergangenen Jahr bei 218 Straftaten Softair-Waffen im Spiel waren. Darunter waren 61 Fälle von Körperverletzung und elf Raubdelikte.