Olaf, der Flipper, hütet das Erbe der Flippers wie seinen goldenen Delfin-Anhänger. Mit seiner Tochter Pia tourt er derzeit durch Deutschland. Eine Reise in die Schlagerwelt.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Pforzheim - Wer denkt, dass Stuttgart eine architektonisch besonders reizarme Stadt ist, war noch nie in Pforzheim. Die selbst ernannte Goldstadt ist in Wirklichkeit eine Graustadt. Hier muss der Romantitel „Fifty Shades of Grey“ entstanden sein. Mindestens so viele Grauschattierungen dürfte die Stadt mit ihrer betonierten Nachkriegsarchitektur im Angebot haben.

 

Vielleicht haben die Stadt und die Region drum herum wegen ihrer verlässlichen Hässlichkeit so viele Schlagerstars und -sternchen hervorgebracht – weil hier nur noch der Rückzug in die heile Welt der Volksmusik hilft. Der Sänger der Flippers, Olaf Malolepski, der seit dem Ende der Band als Olaf der Flipper das Erbe der Gruppe hütet, hat in Pforzheim seine ersten musikalischen Erfolge gefeiert. Mittlerweile lebt er in Bretten. Seine Tochter Pia Malolepski, die in Pforzheim als Event- und Marketingmanagerin arbeitet, tritt als Pia Malo an der Seite ihres Vaters auf. Derzeit sind die beiden auf der „Du bist wie Champagner“-Tour in Deutschland unterwegs. Am 20. Januar spielen sie in Fellbach in der Schwabenlandhalle.

Uwe Erhardt, der Gründer und Sänger der Band Die Schäfer, die in der Volksmusikszene sehr viel Erfolg hat, ist Pias Onkel mütterlicherseits. Die Gruppe, deren Markenzeichen der barfüßige Auftritt in Schäferkostümen ist, kommt ebenfalls aus dem Raum Pforzheim. Und der jahrelange Moderator der ZDF-Hitparade, Uwe Hübner, stammt auch aus der Stadt. Also auf nach Pforzheim, um mit Olaf und Pia Malolepski über das Wesen des Schlagers zu sprechen.

Der Delfin glänzt

Der Treffpunkt des informellen Schlagergipfels ist die Cafeteria der Arcus Klinik. Hier arbeitet Pia Malolepski als Marketingchefin. Das Krankenhaus ist auf Chirurgie spezialisiert, nicht auf plastische, das wäre im Showbiz-Kontext vielleicht noch passender gewesen. Menschen auf Krücken humpeln durch das Café. Auftritt Olaf Malolepski, Schlager-Superstar, 70 Jahre alt. 63-mal Gold und Platin mit den Flippers. Gold für sein Soloalbum nach dem Ende der Band. Mit der DVD zur Solotour Nummer eins in den DVD-Charts. Kurz: die rote Sonne von Barbados geht auf.

Der goldene Delfin, der an der Halskette baumelt, glänzt. Zwar können die Lahmen nicht sofort wieder schneller gehen, eine Dame am Rollator strahlt aber über beide Ohren, weil sie ihr Idol erkannt hat. Ein Patient im Jogginganzug kommt an den Tisch. Olaf der Flipper hat seine Autogrammkarten vergessen. Macht aber nichts, die Adresse des Fans wird auf einen Fresszettel notiert und das Autogramm dann einfach per Post nachgesendet.

Olaf Malolepski ist ein klasse Typ. Circa 67-mal benutzt er im Interview das Wort „klasse“. 13-Mal die Steigerung „weltklasse“. Dazu hat er natürlich viele Anekdoten zu bieten – oder, wie er sagt, „Storys“ (sprich Schtoories). Was nicht so klasse ist: Olaf Malolepski hat Reizhusten, und das so kurz vor Tourneebeginn. „Das ist wirklich ärgerlich.“ Eine Ärztin kommt vorbei und empfiehlt Tropfen, die Tochter soll später das Rezept abholen. Zunächst tut es aber ein Pfefferminztee mit Honig. Die Haare sitzen, als wäre Malolepski einer Drei-Wetter-Taft-Werbung aus den 90ern entsprungen. „Ich mach’ da schon ein bisschen Farbe rein, fünf Minuten brauche ich für das Toupieren.“ So viel Zeit muss sein.

Bei Tempo 140 wacht der Vater auf

Weg vom Äußerlichen, hin zum Inhaltlichen: Vater und Tochter gemeinsam auf Tour, fliegen da nicht ständig die Fetzen? „Meine liebe Tochter soll da jetzt mal anfangen“, weicht Olaf Malolepski, der alte Profi, geschickt aus. „Mama sagt, dass wir uns sehr ähnlich sind. Bei der Liederauswahl und bei der Art, wie wir uns auf der Bühne präsentieren wollen, gibt es gar keine Probleme.“ Außerdem habe sie den Hang zum Perfektionismus vom Vater geerbt, sagt die 34-Jährige. Nur in einem Punkt gebe es Ärger: „Wenn ich am Steuer sitze, wirft er mir vor, dass ich zu schnell fahre. Dabei warte ich immer, bis er schläft. Bei 140 wacht er aber auf.“ Der Vater gesteht: „Ich bin ein miserabler Beifahrer.“

Wer ist auf der Bühne der Fahrer und wer der Beifahrer? „Wir wechseln uns ab, jeder hat seinen Part“, erläutert Olaf der Flipper. „Zwei, drei Lieder singen wir im Duett. Da sind wir gleichberechtigt.“ Olaf Malolepski war 44 Jahre lang mit den Flippers unterwegs. Pia bringt 25 Jahre Bühnenerfahrung mit. Schon als Neunjährige stand sie mit der Band ihres Onkels, mit den Schäfern, auf der Bühne.

Ist es denn Fluch oder Segen, in eine Schlagerfamilie hineingeboren zu werden? „Das ist wie immer im Leben eine Mischung aus beidem“, sagt Pia Malolepski. „Viele fragen natürlich: Muss die jetzt auch noch auf die Bühne? Mittlerweile habe ich mich aber längst freigeschwommen. Die Fans stehen hinter mir und bestätigen mir, dass ich meinem Herzen folgen soll.“

Albernheiten mit Stefanie Hertel und Florian Silbereisen

Von klein auf ging Pia mit auf Tour. „Ich war nie regelmäßig im Kindergarten, weil ich lieber bei der Musik sein wollte.“ Der Spaß im Fernsehen habe überwogen, die Familie sei ja immer dabei gewesen. „Stefanie Hertel, Florian Silbereisen und ich sind alle im gleichen Alter, wir haben damals hinter der Bühne Blödsinn gemacht und gemeinsam gespielt, ehe dann eine Betreuerin kam und meinte, dass wir uns jetzt langsam fertig machen müssen“, verrät sie.

Gab es denn nie eine Phase der Rebellion, in der die Musik des Vaters nicht mehr gefragt war? „Nein, ich habe eine Zeit lang für David Hasselhoff geschwärmt, mit dem durfte ich als Kind sogar auf der Bühne stehen und tanzen.“ Vater Olaf wird hellhörig. „Wir hatten denselben Manager, das ist ein klasse Typ, der Hasselhoff.“ Bon Jovi stand danach hoch im Kurs. „Wenn man dessen Texte übersetzt, ‚Bed of Roses‘ zum Beispiel, ist das doch am Ende auch Schlager.“

Das Gespräch ist jetzt offenbar in der Schlager-Verteidigungsphase angelangt. „Die Beatles: klasse, tolle Musiker, haben wir früher auch gespielt, hat aber nicht zu den Flippers gepasst.“ Jeder gute Sänger habe aber seine Berechtigung in der Branche. „Jeder, egal welche Richtung. Ich mahne da mehr Respekt an“, sagt der Flipper.

Innerhalb der Schlagergemeinde wurde den Flippers immer jede Menge Respekt entgegengebracht. „Ab 2006 ging aber die Diskussion los, wie lange wir noch gemeinsam spielen.“ Er habe zu seinen Kollegen gesagt: „Mit euch mache ich bis 100 weiter!“ Man habe immer zusammengehalten – „wie in einer Ehe, man kabbelt sich, dann verträgt man sich aber auch wieder“. Schließlich kam es doch zum Ende. Die anderen wollten und konnten nicht mehr. Schlagzeuger Manfred Durban ist im vergangenen Oktober gestorben.

„Das könnte wieder ein Hit werden“

Kurz nach der Auflösung der Band im Jahr 2011 entschied sich Olaf weiterzumachen: „Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist.“ Das macht er bis heute, unterstützt von seiner Tochter. Woher kommt diese Ausdauer? „Ich bin Sportler, staatlich geprüfter Tennislehrer. Nachdem die ,Rote Sonne‘ 1986 zum Mega-Hit wurde, habe ich nebenher noch ein Jahr als Tennistrainer gearbeitet, danach habe ich es aber bleiben lassen.“

Wenn Olaf Malolepski heute ein neues Album veröffentlichen möchte, bekommt er 400 bis 500 Lieder zugeschickt, aus denen er auswählen kann. Autoren, Musiker und Texter schicken ihm Studioaufnahmen. „Die sind manchmal klasse, manchmal nicht so.“ 50, 60 Songs selektiert er vor. „Dann mache ich ein Casting mit meinen Mädels – das sind fünf, sechs Damen, die den deutschen Schlager lieben. Da gibt es ein bisschen Wein und Käse bei mir daheim, und dann vergeben sie Schulnoten von eins bis sechs.“ Nur die Noten eins oder zwei zählen, was anderes interessiert den Flipper nicht. Am Ende bleiben 20 Lieder übrig. „Heute Morgen kam aber noch mal eins rein. Da verrate ich jetzt noch nichts, doch es könnte wieder ein Hit werden.“

Aktuell steht aber erst mal die gemeinsame Tournee mit der Tochter an. Vor fünf Jahren war sie auf der Deutschlandtour auch schon dabei. Darauf basierte die DVD, die sich laut Olaf besser verkaufte als die Live-DVD von Rammstein. Beide wissen das große Glück, dass das Schlagerpublikum noch Tonträger kauft, sehr zu schätzen. „Runterladen oder streamen spielt bei uns keine Rolle“, sagt Olaf Malolepski.

Bei all dem Glück, das diese schrecklich nette Familie erfahren hat – bleibt da überhaupt noch Platz für Träume oder Wünsche? „Mir geht es so gut, die Kinder sind gesund. Den einen Traum, den ich mir noch erfüllen möchte, habe ich nicht“, sagt Olaf Malolepski. Seine Tochter dagegen schon. Es ist kein Charterfolg, den sie sich am sehnlichsten wünscht. Sie äußert einen Traum, den man ganz wunderbar in einem Schlagerhit besingen könnte: „Privat würde ich mir wünschen, dass ich endlich meinen Märchenprinz treffe.“