Die Suche nach der Ursache für die Schlammlawine durch Kaltental geht weiter, die Aufräumarbeiten werden noch eine Weile dauern. Derweil verteidigt der Wasserversorger EnBW seine Arbeit in Stuttgart.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Noch immer ist unklar, wie genau es zu dem Wasserrohrbruch kommen konnte, der am frühen Samstagvormittag eine Schlammlawine in Kaltental ausgelöst hat. Mehrere Autos waren im Anweiler Weg von den Geröllmassen beschädigt worden, Gebäude und Zäune wurden umspült. Zugführer Oliver Kubitza von der Feuerwache in Degerloch hat am Montag zumindest teilweise Entwarnung gegeben: Das Wasser habe in den Häusern für Schäden gesorgt, die Gebäude selbst seien aber nicht in Mitleidenschaft gezogen.

 

Am stärksten ist die SSB betroffen, weil die Gleise der Stadtbahnlinie U 1 überspült wurden. Auf einer Länge von fast zwei Kilometern seien die Gleise von bis zu 40 Zentimeter hohem Geröll bedeckt gewesen, sagte SSB-Mitarbeiter Karl-Heinz Szczodrowski: „Wir haben alle verfügbaren Kräfte eingesetzt, so dass die Stadtbahn am Sonntag von 16.30 Uhr an wieder fahren konnte.“ Insgesamt könnte sich der Schaden auf bis zu einer Million Euro belaufen. Die Versicherung der EnBW wird vermutlich für die Kosten aufkommen – Gutachter haben am Samstag schon den Kontakt zu den Anwohnern gesucht.

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) als Stuttgarter Wasserversorger hat das fragliche Rohr jetzt komplett ausgebaut und an eine Materialprüfungsanstalt übergeben. Dort soll untersucht werden, ob die 60 Zentimeter dicke Röhre einen Materialfehler hatte. Die zweite Möglichkeit könnte sein, dass heftige Bodenbewegungen den drei Meter langen feinen Riss verursacht haben, durch den das Wasser mit neun Bar Druck austrat. Ein geologisches Gutachten soll dies klären. Am Alter der Leitung kann es nicht gelegen haben: Sie stammte aus dem Jahr 1957 – solche Rohre hätten aber eine Lebensdauer von 80 bis 100 Jahre, sagte der zuständige Leiter der EnBW, Richard Huber.

Nach 70 Minuten endet der Sturzbach durch Kaltental

Der Wasserversorger lässt das 143 Kilometer lange Transportnetz – das sind die großen Zuleitungen zu den Hochbehältern – regelmäßig prüfen. Auch das gerissene Rohr sei 2007 untersucht und für gut befunden worden, sagte Huber. Insofern habe die EnBW keine Chance gehabt, das sich anbahnende Unglück zu verhindern. Da überall in der Stadt Sensoren an den Leitungen angebracht seien, habe die Leitzentrale in Gaisburg aber umgehend vom Bruch der Leitung erfahren. Um 7.11 Uhr habe das System einen erhöhten Durchfluss in Vaihingen angezeigt, um 7.50 Uhr sei der letzte Schieber geschlossen worden. Da der Riss unglücklicherweise aber an der tiefsten Stelle der Leitung zwischen den Hochbehältern in Rohr und in Degerloch lag, habe es noch 40 Minuten gedauert, bis der Abschnitt ganz leer gelaufen sei, so Huber.

Rund 3000 Kubikmeter Wasser, also drei Millionen Liter, seien den Hang hinabgestürzt, sagte der verantwortliche Wasseringenieur der EnBW, Hermann Löhne. Da der Hochbehälter in Degerloch genügend Reserven gehabt habe, seien alle Haushalte versorgt geblieben. Nachschub für Degerloch kam über eine andere Transportleitung von Heumaden.

Die EnBW ist jedenfalls der Ansicht, dass sie genügend Geld in die Erneuerung des Wassernetzes investiert. Fehlende Mittel seien nicht schuld am Unglück. Jedes Jahr gebe sie 20 Millionen Euro in die Erneuerung des Netzes aus, seit sie das Netz vor neun Jahren von der Stadt übernommen hat, sagte Richard Huber. Aufgrund regelmäßiger Gutachten werde entschieden, wo die Rohre erneuert werden – der Plan sieht vor, dass das gesamte 2500 Kilometer lange Netz innerhalb von 100 Jahren einmal ausgetauscht werde. Eine zentrale Überwachung habe ebenfalls die EnBW eingeführt.

Leitungsverluste sind heute nicht höher als zu TWS-Zeiten

Tatsächlich hat nach dem Rohrbruch bisher niemand Kritik am Management der EnBW erhoben. Dabei sind die Stadt Stuttgart und die EnBW derzeit in harten Verhandlungen um das Wassernetz – die Stadt ist fest gewillt, die Versorgung wieder in eigene Hände zu nehmen. Niemand hat aber versucht, politisch Kapital aus dem Unglück zu schlagen. Mehrere Stadträte verschiedenster Couleur bescheinigen der EnBW sogar, gute Arbeit bei der Wasserversorgung zu leisten. Gabriele Fanta, die Pressesprecherin des EnBW-Regionalzentrums, sieht auch keine Häufung von Wasserrohrbrüchen in den vergangenen Jahren in Stuttgart. Jährlich komme es zu etwa fünf bis acht Vorfällen mit größerem Ausmaß. Der jüngste hatte sich im Februar am Wilhelmsplatz ereignet, als ein Wasserrohr nach starkem Frost geplatzt war.

Die Statistik spricht ebenfalls für die EnBW. Die Leitungsverluste im Stuttgarter Netz lagen 2010 nach städtischer Statistik bei 10,5 Prozent. Vor der Übernahme durch die EnBW, zu alten TWS-Zeiten, waren es beispielsweise 1991 ebenfalls 10,6 Prozent – und im Jahr 1979 sogar 15,7 Prozent.