Herbert Müller, Präsident der Industrie- und Handelskammer Stuttgart, verfehlt den Einzug in die Vollversammlung. Die Kammerrebellen erringen 22 von 100 Sitzen.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, Herbert Müller, ist nicht mehr in der Vollversammlung vertreten. Erstmals hat damit ein amtierender Präsident den Einzug in das Gremium verfehlt. Von den 100 Sitzen erzielten die IHK-Rebellen der „Kaktus-Gruppe“, die mit einem Kaktus als Symbol in den Wahlkampf gezogen war, 22 Sitze. Müller, der als Bevollmächtigter der Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst & Young in der Berufsgruppe „Sonstige Dienstleistungen“ angetreten war, fehlten zum Wiedereinzug in die Vollversammlung 60 Stimmen. Kandidaten, die in dieses Gremium gewählt werden wollen, müssen sich in ihrer Berufsgruppe durchsetzen. Die Berufsgruppe von Müller schickt neun Mitglieder in die Vollversammlung, der amtierende IHK-Präsident erreichte lediglich Platz elf. Müller räumte unmittelbar nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses ein, dass er sehr enttäuscht sei.

 

„Die Kammergegner haben eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht“, sagte Müller der Stuttgarter Zeitung. Erwartet hatten sie lediglich 20 Sitze in der Vollversammlung. Zugute gekommen sei den Rebellen, dass es in seiner Berufsgruppe viele kleinere Unternehmen gebe. Die Kammergegner erreichten in dieser Berufsgruppe fünf von neun Sitzen. Abgestimmt hatten dort 1600 der 17 000 Unternehmen. Insgesamt repräsentiert die IHK rund 160 000 Unternehmen in der Region. „Eine Gruppe von einem Prozent der Unternehmen hat den Präsidenten hinausgekickt“, meinte Müller. Ein solches Ergebnis sei „in hohem Maße ärgerlich und keine repräsentative Wahl.“ Auch die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 hätten eine Rolle gespielt: „Die Wutunternehmer haben zugeschlagen“, sagte Müller.

Thomas Albrecht, Inhaber einer Unternehmensberatung in Esslingen und einer der Sprecher der „Kaktus-Gruppe“ meinte, vor allem bisherige Nichtwähler könnten für das Wahlergebnis entscheidend gewesen sein. Weil es mit seiner Gruppierung erstmals eine Alternative gegeben habe, hätten diesmal mehr Unternehmen gewählt. Albrecht zieht neu in die Vollversammlung ein. Die Wahlbeteiligung war nach den Angaben der Kammer gegenüber dem Votum von vor vier Jahren von 8,5 Prozent auf 10,68 Prozent gestiegen. „Das Ergebnis signalisiert einen erheblichen Reformbedarf für die IHK-Arbeit“, sagte Albrecht. „Langfristig“ halte seine Gruppe an dem Ziel fest, die „Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern abzuschaffen.“ Die IHK müsse sich auf ihre zentralen Aufgaben wie die berufliche Bildung konzentrieren und sich weniger einseitig politisch positionieren. Albrecht erinnerte daran, die „Kaktus-Gruppe“ habe sich wegen eines Plakats zusammengefunden, auf dem die IHK für Stuttgart 21 geworben habe.

Nach den Worten Müllers wird sich das Präsidium der amtierenden Vollversammlung im Herbst zu einer Sondersitzung treffen. Dabei werde der neuen Vollversammlung auch ein Vorschlag für die Besetzung des Präsidentenpostens gemacht. Diese ist daran aber nicht gebunden. Kurz nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses könne er noch nicht sagen, ob die Satzung erlaube, dass er in die Vollversammlung kooptiert werde und damit auch wieder als Präsident kandidieren könne. Die neue Vollversammlung wird sich voraussichtlich im Februar konstituieren. Albrecht meinte, auch bei der Wahl des künftigen Präsidenten müsse es „eine Alternative“ geben. „Wir werden auf jeden Fall einen Kandidaten aufstellen“, sagte Clemens Morlok von der „Kaktus-Gruppe“, der ebenfalls den Einzug in die Vollversammlung geschafft hat. In der Berufsgruppe „Produzierendes Gewerbe“ setzten sich unter anderem das Porsche-Vorstandsmitglied Thomas Edig, Wilfried Porth aus dem Daimler-Vorstand und Christoph Kübel, Geschäftsführer bei Bosch, durch. Wiedergewählt wurde auch Christoph Hahn-Woernle von Viastore, der auch Vorsitzender des Maschinenbauverbandes VDMA in Baden-Württemberg ist. In der Vollversammlung vertreten ist auch Hans-Jörg Vetter, Vorstandsvorsitzender der Landesbank Baden- Württemberg. Aus Esslingen kommt unter anderem Heinrich Baumann, geschäftsführender Gesellschafter von Eberspächer, in die Vollversammlung ein, aus Ludwigsburg Ralf W. Dieter vom Anlagenbauer Dürr und Matthias Kammüller vom Maschinenbauer Trumpf. Nicht mehr gewählt wurde Ferdinand Piech, Sohn des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piech,