Seit die CSU im Herbst die absolute Mehrheit gewonnen hat, gelingt ihr nichts mehr. Politische Geisterfahrten und Skandale erregen den Unmut des Wahlvolks. Jüngstes Beispiel: eine Party für 120.000 Euro.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Korrumpierbarkeit ist ein weites Feld. Wer wissen will, wo es anfängt, beginnt am besten bei der eigenen Zunft. Zu Beginn des Jahres kehrt die CSU-Landesgruppe aus Berlin traditionsgemäß in einer Tagungsstätte im oberbayerischen Wildbad Kreuth ein. Man nennt das Klausur, aber seit den Strauß’schen Zeiten hat es sich ergeben, dass Journalisten in Hunderterstärken einfallen. Man kann schlecht fehlen, zumal Horst Seehofer die alten Drohkulissen immer wieder variiert und Bayerns Sonderstatus ausdrücklich betont.

 

Neben der örtlichen Kapelle findet sich eine kleine Kneipe. Das Stüberl ist stets gut besucht und im Übrigen für den restlichen Publikumsverkehr geschlossen. Die CSU zahlt alle Zechen und verweist auf bayerische Gastfreundschaft. Woher sie das Geld nimmt, liegt auf der Hand: von den Mitgliedsbeiträgen. Nicht jeder Journalist, der sich dort die Weißwürste zahlen lässt, stimmt direkt das Hohelied auf alles Christsoziale an, aber man sieht gleich, dass da Grenzen verwischt werden.

Wie das auch gehen kann, sieht man jetzt wieder an den Fällen von Jakob Kreidl, CSU-Landrat aus Miesbach, Oberbayern, und Andreas Scheuer, Parteigeneralsekretär aus Passau. Beide Fälle zeigen die Rückseite einer CSU, die trotz der frisch gewonnenen absoluten Mehrheit schon wieder einen unsteten Eindruck macht: Energiepolitikwirrwarr, Schulpolitikgeschlinger – es wird noch drauf zu kommen sein.

120000 Euro für eine Feier – „üblich und angemessen“

Die Causa Kreidl aber ist eine, die selbst hartgesottene Straußianer ein wenig sprachlos macht. Kreidl war lange Zeit der prototypische CSU-Aufsteiger: Jahrgang 1952, Realschule in Miesbach (heute Ilse Aigners Wahlkreis), später Fachhochschule, dann auch noch promoviert. Nebenher arbeitsame politische Ochsentour: vom Kreisverband in den Landtag und retour nach Miesbach als Landrat. Auch sonst überall dabei, vom Trachtenvereinsvorstand bis zum Rundfunkrat beim BR.

Ausgerechnet um den sechzigsten Geburtstag Kreidls herum bekommt die Erfolgsgeschichte Risse: nicht nur, dass sein Name immer wieder zuvorderst fällt, als die Verwandten-Affäre im Bayerischen Landtag verhandelt wird (Kreidl hatte jahrelang seine Frau auf Steuerzahlerkosten beschäftigt), auch die Feier selbst hat ein Nachspiel. Kreidl bucht im August 2012 das Bauernhofmuseum von Markus Wasmeier in Schliersee, zahlt aber von den gut 120 000 Euro Partykosten nur 7600 Euro. Den Rest finanzieren der Landkreis (33 200 Euro) und die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee (77 000). Seehofer ist da, Ilse Aigner und Kardinal Reinhard Marx. Innenminister Joachim Hermann ruft Kreidl herzlich „Vergelt’s Gott!“ zu. Als Kritik aufkommt, deklariert Kreidl die Feier als „Dankesempfang“, die Mittel seien „üblich und angemessen“ gewesen.

Dann wird auch noch Kreidls Promotion wegen Plagiat aberkannt. Vor Ort, zwischen Miesbach und Fischbachau, kann man an Heustadel gesprayte Botschaften lesen: „Kreidl raus!“ Horst Seehofer schweigt eisig, Ilse Aigner schweigt eisern, selbst dann noch, als die Freien Wähler – immer fuchsteufelswild bei Mauscheleien auf Bürgerkosten – Kreidl als „Voralpen-Berlusconi“ bezeichnen. Alle normalen Reflexe versagen, denn es ist Kommunalwahlkampf, und lieber geht die CSU mit Kreidl in die Hölle, als ihn zurückzuziehen und die Oberbayernbastion Miesbach gleich herzuschenken. Unter dem Aspekt des Anstands wäre das eine Alternative.

Der General ist mit eigenen Skandälchen beschäftigt

Horst Seehofer jedoch pflegt eine andere Moral: beim Protest gegen Genmais, gegen Brüssel, gegen Zuzug potenzieller falscher Nutznießer sozialer Systeme, gegen Stromtrassen durch Bayern. Arm in Arm, wie Seehofer sagt, mit dem bayerischen Volk. Oft weiß das Volk nichts davon, weil Seehofer – wie exemplarisch in der Energiedebatte – gerade noch meinungsmäßig woanders unterwegs war, und dann zeigt sich das Volk zumindest erstaunt.

Solche Volten zu erklären wäre neuerdings Sache Andreas Scheuers, Generalsekretär der CSU. Doch der hatte im Januar erst mal damit zu tun, seinen zweifelhaften Doktortitel abzulegen. Kaum hatte er wieder zur Profilierung angesetzt, tat sich der nächste Graben auf: als Scheuer noch Staatssekretär im Berliner Verkehrsministerium war, bekam er für die Passauer Spendenorganisation „Euro-V.I.P-Initiative“ unter anderem von der Raststättenfirma Tank & Rast Geld. Als Tank & Rast 2012 wegen der Toilettencoupons ins Gerede kam, hat Scheuer erklärt, er sei mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Was natürlich sein kann. Aber es sagt sich leichter, wenn man nicht im Rahmen einer Wohltätigkeitsspende gerade vom selben Unternehmen alimentiert worden ist.

CSU kommt nach den Wahlen nicht wieder in Gang

Überhaupt ist die CSU nach den Wahlen im Herbst nicht wieder in Gang gekommen: die Ministerausbeute im Bund war mager, und es kann sich womöglich schon bei den Kommunalwahlen im März rächen, dass der Zuschnitt der Kompetenzen allein auf Seehofer entworfen worden ist, bei dem es sich ja eigentlich um ein Langzeitauslaufmodell handelt. Ilse Aigner wiederum, die Wirtschafts- und Energieministerin, ist selten auf der Höhe der Debatte. Das ist Chefsache, und man weiß, wie der Chef schafft, heute so, morgen so.

Wer das kopiert wie der zum Kabinettsupermann avancierte Ludwig Spaenle (Minister für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst) und nicht Seehofers Kuttel hat, steht schnell im Regen. Spaenle hatte an Gymnasien ein erträglicheres G8-System und gleichbleibende Lehrerzahlen versprochen. Jetzt fehlen Lehrer, weil Stellen an die Hochschulen verschoben werden sollen. Schüler und Verbände protestieren und Spaenles Vorgänger, der FDP-Mann Wolfgang Heubisch – kein Scharfmacher –, sagt, dass die „bayerische Bildungspolitik ein Tollhaus“ sei. Wenigstens kommt bald die glorreiche Landestochter Maria Höfl-Riesch mit der einen oder anderen Medaille in den Freistaat zurück: da wird man sich – obwohl sie aus finanziellen Gründen in Österreich wohnt – das Feiern à la bavaroise schon was kosten lassen.