Eine Auffanggesellschaft für die Schlecker-Mitarbeiter wird es nicht geben. Dennoch glaubt der Insolvenzverwalter an eine Lösung.

Stuttgart - Telefonate verlaufen bisweilen frustrierend. „Außer dass es später als 8.00 Uhr ist, kann ich gegenwärtig gar nichts bestätigen“, bescheidet der Sprecher von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz am Mittag sämtliche Fragen zur Hängepartie in Sachen Schlecker-Transfergesellschaft. Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid wollte eigentlich am frühen Morgen die Zusage der anderen Bundesländer für eine Haftungssumme von 45 Millionen Euro unter Dach und Fach haben; dann wollte Baden-Württemberg die fehlenden 25 Millionen Euro beisteuern und mit dem Gesamtvolumen von 70 Millionen Euro für eine Bürgschaft in Vorleistung treten. Am Mittwochabend war der Sozialdemokrat noch zuversichtlich, dass er nach einer „Nachtschicht“ entsprechende Zusagen erhalten würde. Aber es wurde 8.00 Uhr am Donnerstag, ohne dass es eine Einigung gegeben hatte, und damit war wiederum Geiwitz am Zug. Denn der hatte gesagt, er brauche bis Donnerstagmorgen 8.00 Uhr die Zusage, ansonsten müssten die Kündigungen für gut 11 250 der etwa 25 000 Beschäftigten zum Monatsende unterschrieben und rausgeschickt werden.

 

Der Jurist sprach früh von einem „Plan B“

Geiwitz selbst war am Donnerstagmorgen zur fraglichen Zeit gar nicht in seinem Büro, sondern bereits seit einer Stunde beim Schlecker-Gesamtbetriebsrat in Ulm. Da wusste der 42-Jährige womöglich schon, dass Schmids Krisenmanagement in der Nacht nicht vom Erfolg gekrönt war. Gegenüber den Arbeitnehmervertretern sprach der Jurist von einem „Plan B“ für den Fall des Scheiterns. „Geiwitz hat dafür geworben, den Optimismus zu behalten, auch falls keine Transfergesellschaft zustande kommt. Es sei zu früh, die Hoffnung aufzugeben, hat er gesagt“, berichtet Bernhard Franke von der Gewerkschaft Verdi, der für die Drogeriekette zuständig ist.

Geplant war, dass die Beschäftigten, die wegen der Schlecker-Pleite ihren Job verlieren, in einer Transfergesellschaft bei der Suche nach einem neuen Job unterstützt und weitergebildet werden. Dabei hätten sie für sechs Monate 80 Prozent ihres letzten Nettogehalts behalten. Ein weiterer Vorteil: Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wäre in vollem Umfang für die Zeit danach erhalten geblieben. Aber allen Beteiligten ist von vorneherein klar gewesen, dass es ohne Bürgschaften der Länder keine Transfergesellschaft gibt, sondern zu Kündigungen kommt. Dies galt stets als potenzielle Belastung bei den Bemühungen von Geiwitz, einen Investor zu finden, der Schlecker übernimmt.

Anwälte raten betroffenen Beschäftigten stets, innerhalb von drei Wochen nach Zustellung der Kündigung, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit, Kündigungsschutzklage einzureichen. Die Kündigungsfrist liegt bei Entlassungen, die der Insolvenzverwalter ausspricht, bei maximal drei Monaten. In dieser Zeit wird das volle Gehalt weitergezahlt. Verdi-Mann Franke gibt solchen Klagen nur geringe Erfolgsaussichten – schlicht deshalb, weil die Jobs, auf die sich Betroffene einklagen könnten, nicht mehr da sind. Gleichwohl wird Verdi seinen Mitgliedern Rechtsschutz im Fall einer Klage gewähren.

Die Abfindung ist beschränkt

Grundsätzlich prüft das Arbeitsgericht, ob der Job des Entlassenen tatsächlich weggefallen ist und ob es nicht eine andere Stelle gibt, auf die der Arbeitnehmer versetzt werden könnte. Zudem wird geprüft, ob die Sozialauswahl, bei der unter anderem Alter, Betriebszugehörigkeit und mögliche Unterhaltspflichten ein Rolle spielen, stimmt. Entsprechende Listen wurden zusammen mit den Arbeitnehmervertretern aufgestellt. Wegen einer Abfindung, so sagt Franke, müsse niemand klagen. Die stehe allen Beschäftigten zu, die den Arbeitsplatz verlieren. Fraglich ist aber, wann es wie viel Geld gibt. Die Abfindung ist auf zweieinhalb Monatsgehälter und insgesamt auf ein Drittel der verfügbaren Insolvenzmasse beschränkt.

Dass die Transfergesellschaft nicht zustande kommt, mag ein Kollege von Geiwitz nicht bedauern. „Das wäre Sozialhilfe gewesen, die nur anders heißt; nichts anderes als sozialer Unsinn“, ereifert sich der renommierte Insolvenzspezialist, der anonym bleiben will. „Jetzt gibt es drei Monate lang Gehalt, bei der Transfergesellschaft sind es sechs Monate. Dafür wären die Leute daran gehindert worden, sich neue Jobs zu suchen, die es im Handel ja gibt“, so der Jurist. Auch er rechnet nicht damit, dass es zu einer Welle von Kündigungsschutzklagen kommt, die einen Investor abschrecken könnte: „Es wird allenfalls ein paar hundert Klagen geben.“

Verdi-Mann Franke hofft, dass sich noch ein Investor findet, der möglichst viele Arbeitsplätze rettet. Geiwitz hat schon oft davon gesprochen, dass es Interessenten gebe. Namen sind freilich nicht bekannt, und auch Franke kennt keinen. Trotzdem sagt ihm sein Gefühl, dass der Insolvenzverwalter Erfolg haben wird: „Bis Pfingsten will er einen Investor präsentieren, vielleicht auch schon im April.“ Aber es gibt nicht nur Optimisten. Die Prüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) schreibt in ihrem Gutachten im Auftrag der Stuttgarter Landesregierung, es sei keineswegs gewährleistet, dass sich innerhalb des nächsten halben Jahres ein zur Übernahme bereiter Investor findet.