Boris Palmer hat das Bahnprojekt "Engpass Stuttgart 21" getauft und es als "Paradebeispiel für eine überholte Planungsphilosophie" bezeichnet. Erst würden die Schienen verlegt, danach werde gefragt, welcher Fahrplan eigentlich gewünscht sei. Das Bahn-Musterland Schweiz wähle den umgekehrten Weg – und fahre gut damit. Der Schwachpunkt des Betriebskonzepts sei der Zwang zur dichten Zugfolge. Abstände von nur drei Minuten am selben Bahnsteig seien "ein absolutes Novum", hochbelastete Bahnhöfe wie Hamburg, Köln und Mannheim hätten zwischen vier und zwölf Minuten. Die kurze Zugfolge erzeuge – wie auch die Doppelbelegung von Gleisen – Verspätungen, und das nicht nur in Einzelfällen. Palmer zeigte auf, dass im Tiefbahnhof die Züge nicht aufeinander warten könnten. Es bestehe "Sichtanschluss" – wenn der Fahrgast ankomme, sehe er den Zug "gerade abfahren".

Palmer begründete die Probleme mit Einsparungen bei der Infrastruktur zwischen Zuffenhausen und Wendlingen, um die hohen Kosten für Stuttgart 21 zu begrenzen. Die eingleisige Wendlinger Kurve sei das größte Negativbeispiel. Dort kreuze der Regionalexpress aus Tübingen beide Gleise der Neubaustrecke, zuvor baue er aber vor dem Nadelöhr Verspätung auf, weil er auf den Gegenzug warten müsse.

Für den ICE bleibt pro Stunde nur eine freie Trasse


Für den ICE aus Zürich beschrieb er die zahlreichen Zwangspunkte (Mischstrecke mit S-Bahnen, eingleisiger Flughafenterminal-Bahnhof und Einfädelung in den Fildertunnel). So bleibe für den ICE pro Stunde nur eine freie Trasse. Auch diese Beschreibung bestätigte die Gegenseite: Zwei eingleisige Kreuzungen hintereinander wie auf den Fildern "sollten nicht sein", sagte Bahn-Abteilungsleiter Werner Weigang. Laut Palmer werde zu viel Zugverkehr auf den überlasteten zwei Gleisen der Hauptachse Mannheim–Stuttgart–Ulm gebündelt. Verstärke sich der Fernverkehr zwischen Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof, ginge dies zulasten des Nahverkehrs.

Deshalb denkt die Bahn über eine Verbindung der Zuführungsgleise von Feuerbach und Bad Cannstatt nach und über ein neuntes und zehntes Gleis im Tiefbahnhof. Heiner Geißler beabsichtigt, dieses Thema in seinem Schlichterspruch zu erwähnen. Die Projektgegner wird er mit Stuttgart 21 plus, das bis zu eine Milliarde Euro mehr kosten könnte, nicht beeindrucken. Brigitte Dahlbender vom BUND sagt, ihr Projekt werde so noch günstiger und sei zudem mit weniger Eingriffen verbunden.