Paukenschlag in der Ludwigsburger Kulturszene: Der Schlossfestspiele-Intendant Thomas Wördehoff hört 2019 auf, Jochen Sandig tritt seine Nachfolge an.

Ludwigsburg - Der Regisseur und Produzent Jochen Sandig wird ab 2019 geschäftsführender Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele. Der 48-Jährige wird das renommierte Kulturfestival von Oktober 2019 an leiten. Somit wird das Programm der Festspielsaison 2020 erstmals ihm verantwortet. Der gebürtige Esslinger folgt Thomas Wördehoff, der seit 2010 in der Verantwortung steht und im Jahr 2019 seine letzte Saison in Ludwigsburg gestalten wird. Wördehoff gab dem Kulturspektakel ein neues Profil, war aber mit seinem Modernisierungskurs auch nicht immer unumstritten. Auch mit OB Werner Spec hatte er sich 2013 zerstritten, dann aber wieder zusammengerauft. Nun läuft sein Vertrag bei dem landesweit bekannten Kulturprogramm 2019 aus und wird nicht verlängert. Die Schlossfestspiele finden inzwischen nicht nur in der Barockstadt, sondern auch an Orten in ganz Baden-Württemberg statt.

 

Der Aufsichtsrat entschied sich für Jochen Sandig am Montag in einer außerordentlichen Sitzung. Die Öffentlichkeit wurde darüber in einer eilig anberaumten Pressekonferenz kurz vor der Mittagspause im Ludwigsburger Rathaus informiert. Wördehoff war dabei nicht anwesend. Eine Begründung für sein Ausscheiden gab es nicht, Wördehoff ist im Jahr 2019 genau 66 Jahre alt.

„Ich freue mich, dass sich der Aufsichtsrat mit Jochen Sandig für einen inspirierenden Intendanten der jungen Generation entschieden hat“, äußert sich der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Oberbürgermeister Werner Spec. Er sei sicher, Sandig werde die erfolgreiche inhaltliche und programmatische Linie der Schlossfestspiele fortsetzen und weiterentwickeln.

„Mit Jochen Sandig wird eine international hervorragend vernetzte Persönlichkeit das künstlerische Profil der Schlossfestspiele weiterentwickeln“, erklärt auch die sagt Kunststaatssekretärin Petra Olschowski, die zu der Verkündung der Personalie extra nach Ludwigsburg gereist ist. Sandig sei mit den regionalen Verhältnissen bestens vertraut und werde die Festspiele in nationalem und internationalem Kontext stärken. Olschowski: „Jochen Sandig wird als Intendant eine produktive Balance pflegen und dabei den Festspielcharakter neu definieren.“

Jochen Sandig stammt aus Esslingen

Die Vorauswahl und einstimmige Empfehlung hat eine Findungskommission gemacht, bestehend aus Mitgliedern des Aufsichtsrates und externen Beratern. Jochen Sandig gilt als Kulturschaffender im besten Sinn. Seine Wurzeln liegen in Baden-Württemberg. Geboren und aufgewachsen in Esslingen, engagierte er sich früh im Kulturleben der Stadt unter anderem als Mitbegründer der EMI Esslinger Musiker Initiative.

Sandig wechselte 1990 nach Berlin zum Studium der Psychologie und Philosophie an der Freien Universität. In der leer stehenden Friedrichstraßen-Passage gründete er bereits im selben Jahr gemeinsam mit Künstlern aus Ost und West das Kunsthaus Tacheles. Bis 1994 war er dessen Künstlerischer Leiter und Vorstandsvorsitzender.

Gemeinsam mit Sasha Waltz gründete Sandig 1993 Sasha Waltz & Guests als internationale Tanzcompagnie und 1996 die Sophiensæle in Berlin Mitte als freies Produktionshaus für Musik, Theater und Tanz. Die Eröffnungsproduktion „Allee der Kosmonauten“ wurde zum 34. Theatertreffen eingeladen. Er leitete die Institution bis 1999 als Geschäftsführer und Künstlerischer Leiter.

Im selben Jahr wurde er gemeinsam mit Sasha Waltz, Jens Hillje und Thomas Ostermeier für fünf Jahre in die Künstlerische Leitung der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin berufen. Die Eröffnungsproduktion „Körper“ im Jahre 2000 wurde zum 37. Theatertreffen eingeladen.

Viele Stationen in Berlin und eine internationale Karriere

2004 machten sich Sasha Waltz und Jochen Sandig wieder selbstständig. Mit „Dido & Aeneas“ begann eine Serie von frei produzierten Choreographischen Opern, die weltweit auf Tournee gingen. Es folgten unter anderem „Medea“, „Passion“, „Matsukaze“ und „Orfeo“.

Gemeinsam mit dem Musikmanager Folkert Uhde gründete Jochen Sandig 2006 in Berlin das Radialsystem V am Spreeufer als „Space for Arts and Ideas“. 2010 wurde er vom Französischen Botschafter zum „Chevalier de l´Ordre des Arts et des Lettres“ ernannt.

Mit „Human requiem“, einer Inszenierung des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms mit dem Rundfunkchor Berlin, feierte Jochen Sandig im Februar 2012 sein Regiedebüt. Die Produktion gastierte seit ihrer Premiere im Radialsystem in Hamburg, Amsterdam, Paris, Granada, Rotterdam, Athen, Hongkong und New York. Sie wurde mit einem renommierten „Classical Next Innovation Award 2016“ ausgezeichnet. Jochen Sandig ist mit Sasha Waltz verheiratet und Vater von zwei Kindern, László (19) und Sophia (14).