Um die Hintergründe des harten Polizeieinsatzes am „Schwarzen Donnerstag“ 2010 zu klären, wollen die Mitglieder des Schlossgarten-Ausschusses die Mails der damaligen Verkehrsministerin Tanja Gönner einsehen.

Stuttgart - Die bislang unveröffentlichten E-Mails der ehemaligen Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) könnten doch noch zur Aufklärung des harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner beitragen. Der Untersuchungsausschuss Schlossgarten II, der sich mit den Hintergründen des „Schwarzen Donnerstags“ im September 2010 auseinandersetzt, fordert einvernehmlich die Sichtung der elektronischen Post der Politikerin, die für das Bahnprojekt damals zuständig war. Die Bitte an das Amtsgericht, die dienstlichen Mails zur Einsichtnahme durch den Ausschuss auszusortieren, sei der erste fraktionsübergreifende Beweisantrag des Gremiums gewesen, erläuterte der Grünen-Obmann Uli Sckerl am Freitag in Stuttgart. Der Ausschuss tagt seit Ende 2013.

 

Am „Schwarzen Donnerstag“, bei dem Tausende Menschen gegen das Fällen vom Bäumen im Schlossgarten für Stuttgart 21 demonstrierten, waren nach Angaben des Innenministeriums mehr als 160 Menschen verletzt worden.

Mittels redaktioneller Änderungen, Präzisierungen am von Grün-Rot eingebrachten Beweisantrag und abgestimmten Sprachregelungen habe man sich aufeinander zubewegt, erläuterten die Obleute des Gremiums; dieses soll klären, ob die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) das außergewöhnlich harte Vorgehen der Polizei gegen die S-21-Gegner mitzuverantworten hat.

Gönner war enge Vertraute von Mappus. Die jetzige Leiterin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit kann zwar nicht mehr gegen das Aussortieren in dienstliche und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterliegende private E-Mails durch einen Richter vorgehen. Sie kann aber Beschwerde dagegen einlegen, wie der Jurist die E-Mails dem privaten und professionellen Bereich zugeordnet hat. Der Ausschussvorsitzende Jürgen Filius (Grüne) zeigte sich dennoch zuversichtlich, den Abschlussbericht bis Anfang 2016 fertigzustellen.

Auf drei Magnetbändern hatte die alte CDU-geführte Landesregierung Datenmaterial des Personals des damaligen Umwelt- und Verkehrsministeriums abgespeichert. Grund war die bevorstehende Trennung des damaligen Doppelressorts unter Grün-Rot. Die bislang verschlüsselten Daten müssen lesbar gemacht werden, bevor sie an das Gericht weitergegeben werden. Für das Gremium von Interesse ist nur der Zeitraum zwischen August 2010 und Januar 2011.

Umstritten ist die Interpretation des Gerichtsbeschlusses

Der Ausschuss beantragt auch die Auswertung der Daten von Gönners damaligem Amtsleiter Bernhard Bauer sowie des ehemaligen Beraters für die Öffentlichkeitsarbeit von Ministerpräsident Mappus, Dirk Metz, und zwei weiteren Mitarbeitern im Staatsministerium. Für die letzteren Drei wird das Staatsministerium Daten ohne Einsichtnahme an das Amtsgericht weitergeben.

Auf anderem Wege waren schon einmal Mails von Gönner aufgetaucht, die nahelegen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Räumung des Schlossgartens und der Regierungserklärung von Mappus zu dem umstrittenen Großprojekt Stuttgart 21 am 6. Oktober 2010 gab.

Gönner hatte versucht, die Einsicht des Gremiums in ihre E-Mail- Korrespondenz gerichtlich zu verhindern. Zuletzt hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim die Zugriffsrechte des Ausschusses und damit ein erstinstanzliches Urteil bestätigt. Anders als in der Entscheidung des Sigmaringer Verwaltungsgerichtes schreibt der VGH eine Sichtung der E-Mails durch einen Richter vor.

Umstritten ist zwischen den Fraktionen aber noch die Interpretation des Gerichtsbeschlusses; aus diesem liest die CDU heraus, dass die Speicherung und langjährige Aufbewahrung der Daten durch das Umweltministerium gegen das Datenschutzrecht verstößt. Damit werde auch die Verwertung von Mails infrage gestellt, sagte CDU-Obmann Reinhard Löffler. Die Regierungsfraktionen sehen hingegen in dem Richterspruch eine Abwägung zugunsten der Aufklärungsrechte des Landtagsgremiums.

Eine weitere nicht öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses findet laut Filius am 1. Oktober 2015 statt.