Während in Talkshows darüber debattiert wird, ob Jan Böhmermann eine Satire gelungen ist oder ob er sich strafbar gemacht haben könnte muss die Bundesregierung in eine Vorprüfung: Sie muss entscheiden, ob die Gerichte überhaupt weiter prüfen dürfen. Das ist sehr selten.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Egal wie die Bundesregierung sich letztlich auch entscheidet: Jan Böhmermann wird nicht ins Gefängnis müssen. Der Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter ahndet, sieht zwar bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. In der Praxis relevanter ist aber das untere Ende des Strafrahmens, und der geht von einer Geldstrafe aus. Doch so weit ist es noch lange nicht. Auch wenn derzeit die Strafbarkeit der Erdogan-Schmähkritik in aller Munde ist, die Bundesregierung muss etwas anderes prüfen – nämlich ob die mögliche Strafbarkeit von Gerichten überprüft werden darf.

 

Die einschlägigen Kommentierungen zu der Strafvorschrift sind knapp gehalten – das ist schon ein Hinweis auf die Relevanz. Groß ist die nicht. Im gesamten Jahr 2014 ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kein einziger Fall dieser Art vor ein deutsches Gericht gelangt, im Jahr 2013 ist es zu einer Verurteilung gekommen. Details dazu haben die Statistiker nicht in ihren Computern. Auch im Jahre 2007 hat ein bayerisches Amtsgericht schon einmal die Vorschrift angewandt. Wegen Beleidigung der Schweizer Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey ist es damals zu einer Verurteilung von 50 Tagessätzen gekommen.

Staatsanwaltschaft hat Ministerium noch nicht informiert

Dass die Mainzer Staatsanwaltschaft seit einigen Tagen erklärt, im Falle Böhmermann zu ermitteln, steht in einem gewissen Widerspruch zum Gesetz. Ohne die Ermächtigung der Bundesregierung ist eine Strafverfolgung schließlich nicht möglich – und Berlin hat sich noch nicht entschieden. Die Staatsanwaltschaft in Mainz, dem Sitz des Böhmermann-Senders ZDF, weist darauf hin, dass sie zwar auf dem Dienstweg das Justizministerium über ihre Aktionen unterrichten muss, zuvor aber Umstände aufzuklären hat, die in einem möglichen Verfahren von Belang sein könnten. Der Dienstweg ist übrigens kein ganz kurzer: er führt erst über die Generalstaatsanwaltschaft und das Landesjustizministerium zum Justizministerium nach Berlin – und ist von der Staatsanwaltschaft noch nicht beschritten worden.

Die Vorschrift, die ausländische Staat- und Regierungschefs schützt – letztere nur, wenn sie sich in Deutschland zu einem offiziellem Besuch aufhalten – hat ein Pendant im Strafgesetzbuch. Der Bundespräsident (nicht die Kanzlerin) ist ebenfalls besonders geschützt. In der Praxis ist das aber ebenfalls irrelevant – in den vergangenen zwei Jahren kam es zu keinem Prozess.