Eine aufgebrachte Menge Geschädigter erzwingt das Gespräch mit dem Geschäftsführer im Küchen-Paradies in Schmiden.

Der Traum von der neuen Küche ist für etwa 80 Käufer zum Albtraum geworden. Seit Ende 2012 haben sie in dem Küchengeschäft, das im vergangenen Jahr im ehemaligen Baumarkt an der Welfenstraße eröffnet hat, eine neue Küche bestellt und mit 50 Prozent der Kaufsumme angezahlt. Passiert ist dann allerdings nichts mehr. „Wir werden seit Monaten mit ständig neuen Ausreden hingehalten“, sagt Jasira Kinzelmann, die am frühen Dienstagabend mit ihrem Mann Markus und Sohn Luis von der Schwäbischen Alb nach Schmiden gekommen ist. Die junge Familie hat das Erbe der Oma in ihre neue Küche gesteckt, doch seit der Anzahlung ist Sendepause. „Ich bin denen echt auf die Pelle gerückt, wurde aber nur mit immer neuen Vertröstungen und Ausreden abgespeist“, sagt die resolute Frau. Sie rief schließlich beim Hersteller ihrer künftigen Küche an und erfuhr, dass eine Bestellung des Händlers vorliege, die Fertigung aber wegen fehlender Zahlung nicht frei gegeben werde.

 

20 der Geschädigten trafen sich am Dienstagabend

Aiser Abder hatte mehr Glück, seine sehr hochwertige Küche wurde bereits vor sieben Monaten geliefert, weil er bei einer Verkäuferin, die ihm vertrauenswürdig schien, entsprechend Druck machte. Allerdings fehlt immer noch die Arbeitsplatte, die einen Wert von rund 4000 Euro hat. 20 ähnliche Geschichten könnte man auflisten, denn 20 der Geschädigten trafen sich am Dienstagabend, um auf ihre Forderungen hinzuweisen. Alle Geschichten beginnen mit freundlicher Beratung, einem günstigen Angebot samt Liefertermin und der Anzahlung des halben Kaufpreises. In jedem Fall verstrich der Liefertermin, ebenso neu gesetzte Fristen. Mitarbeiter des Geschäfts wimmelten am Telefon ab, suchten nach dürftigen Erklärungen, versprachen Abhilfe. „Den Chef bekam man nicht ans Telefon, er ließ sich regelmäßig verleugnen“, sagt Predrag Dzaja, einer der Kunden. Auf etwa 50 000 Euro beläuft sich alleine der Schaden der 20 Geschädigten, die sich in Schmiden trafen. Ihre Anzeigen liegen der Polizei vor; nach Angaben der Polizeidirektion gibt es weitere 60 Geschädigte. Der Geschäftsmann Dogan Kibaroglu steht jetzt bei der Staatsanwaltschaft unter Betrugsverdacht.

Zwei Polizeiautos beobachten die angespannte Situation

Die 20 geschädigte Kunden haben sich mit Hilfe eines Bewertungsportals im Internet zusammengetan und wollen den Firmenchef zur Rede zu stellen. Zwei Polizeiautos sind inzwischen vor Ort und beobachten die angespannte Situation. Die Menge marschiert Richtung Küchengeschäft. Im Laden befindet sich ein Verkäufer, ein zweiter – vielleicht war es auch der Chef selbst – verschwindet in Windeseile durch eine Tür ins Lager, als er den Pulk durch die Eingangstür kommen sieht. Die aufgebrachte Menge bedrängt den Verkäufer. Der fühlt sich sichtlich unwohl, behauptet, von nichts zu wissen und spendet schwachen Trost. Plötzlich geht das Licht aus, jemand fordert die Menschen auf, das Geschäft zu verlassen. Es ist der Chef des Ladens.

Jeder werde sein Geld zurück bekommen, so heißt es

Einer der wütenden Kunden schaltet das Licht wieder an, und angesichts der Menge und der anwesenden Presse zeigt sich der Besitzer gesprächsbereit. Jeder werde sein Geld „in zwei bis drei Monaten“ wieder zurück bekommen, verspricht er, und gibt sich leutselig. Er habe inzwischen zwei Veranstaltungshallen in Ulm und Stuttgart errichtet, dort verdiene er bald gutes Geld und werde damit seine Gläubiger aus dem Küchengeschäft befriedigen. Keiner will ihm das so recht abnehmen. „Wir nehmen jetzt hier einfach die Küchengeräte mit“, schlägt jemand aus lauter Frust vor, aber es soll wohl nur ein hilfloser Witz sein. Nach einer guten Stunde ist alles gesagt – mehrfach. Dogan Kibaroglu berichtet, er habe inzwischen das Insolvenzverfahren für sein Küchengeschäft beantragt, aber auch das will niemand so recht glauben: „Bis vor einer Woche war davon jedenfalls nichts bekannt, hat mir mein Anwalt gesagt“, weiß jemand. Dass er sein Geld jemals wieder sieht oder gar doch noch eine Küche geliefert bekommt, davon geht keiner der Anwesenden aus. „Wie lange dauert denn das, bis so ein Betrüger angeklagt wird, und warum wird vom Gewerbeamt nicht einfach das Geschäft geschlossen? Jetzt konnte er noch monatelang weitere wertlose Verträge abschließen und Geld kassieren“, sagt einer der Geschädigten.

Am Mittwoch gaben Polizei und Staatsanwalt bekannt, dass die Firma im Schmidener Gewerbegebiet bei einem Küchenhersteller mehr als 130 Küchen in Auftrag gegeben hat; nur knapp 50 Küchen seien zur Auslieferung gekommen, weil nicht gezahlt wurde. Weitere Geschädigte werden gebeten, sich beim Polizeiposten Schmiden, Telefon 0711/ 95 19 13-0, zu melden.