Bereits in vierter Generation entstehen bei Wellendorff in Pforzheim edle und teure Schmuckstücke in Handarbeit. Pro Tag verlassen gerade mal 30 Einzelstücke das Firmengelände – zu Preisen zwischen 3000 und 500 000 Euro.

Pforzheim - Der kräftige Mann quetscht das Gold regelrecht aus. Mit großen Handschuhen an den Händen schiebt Simon Hofer (der Name ist zum Schutz der Person geändert) den zweieinhalb Kilo schweren und zwei Zentimeter dicken Weißgoldstab im Wert einer S-Klasse zwischen die Walzen. Auf der anderen Seite kommt der Stab ein wenig dünner heraus. Diesen Schritt wiederholt der Kettengoldschmied auf unterschiedlichen Walzen und Maschinen ein ums andere Mal. Es ist eine schweißtreibende Angelegenheit, denn das Material ist nicht nur schwer, sondern wird auch von Mal zu Mal heißer. Am Schluss ist aus der einen halben Meter langen Stange ein 0,3 Millimeter dünner und 30 Kilometer langer Goldfaden geworden. Diesen Draht wickelt Hofer mit einer Winkelkurbel auf eine Spindel. Im Gegensatz zum eher rustikalen Walzen ist nun absolutes Fingerspitzengefühl gefragt. „23 Jahre Erfahrung“, sagt der Mann an der Kurbel und zwirbelt gleich die nächste Spirale aus Gold. Zwei oder drei zusammengeflochtene Spiralen ergeben dann die typische Wellendorff-Seidenkordel.

 

Ihr Geheimnis ist ihre Seele, die dem Schmuckstück die nötige Stabilität verleiht. „Und Seelen sind ja bekanntlich unsichtbar“, sagt Claudia Wellendorff. Deswegen wird auch nicht verraten, um was genau es sich bei dem „Seele“ genannten Inneren eines solchen Schmuckstücks handelt. Nur so viel: Es besteht wie sein Äußeres aus purem Gold. 18-karätiges Weiß- oder Gelbgold, farbiges Kalt-Emaille und diverse Edelsteine sind die Materialien, aus denen in der Pforzheimer Edelmanufaktur „Wahre Werte“ entstehen. Dabei geht es Georg Wellendorff zufolge weniger um den Wert an sich – der je nach Materialeinsatz und Aufwand zwischen 3000 und 500 000 Euro liegt – als um die Werte des Familienunternehmens, das 1893 von seinem Urgroßvater Ernst Alexander Wellendorff gegründet wurde. Der russische Zarenhof und die britische Königsfamilie zählten einst zu dessen Kunden. Seiner Philosophie sind die Nachfahren bis heute treu: Wenn du die edelsten Materialien einsetzt, die besten Mitarbeiter hast und die besten Technologien, dann kannst du den besten Schmuck fertigen.

Bei Ringen kommt es auf Hundertstel Millimeter an

„Perfektion“ und „Gefühl“ sind zwei Begriffe, die Georg Wellendorff immer wieder benutzt. Die Perfektion verdeutlicht er mit einem Messwerkzeug für Ringe. Lediglich um zwei Hundertstel Millimeter darf der Durchmesser variieren, sonst wird der Rohling wieder eingeschmolzen. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist fünf bis sieben Hundertstel Millimeter dick. Die handwerkliche Herstellung eines Ringes ist nicht weniger aufwendig als die einer Goldkordel. „Charakteristisch für die Ringe ist der Glanz von farbiger Emaille, die zwischen graviertem Muster und Ornamenten auf bis zu drei Ebenen eingelegt wird. Die Besonderheit: Der Innenring lässt sich spielerisch drehen“, sagt Wellendorff.

Der 47-jährige Urenkel des Firmengründers leitet das Unternehmen heute zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder Christoph und ihrem Vater Hanspeter. Auch die Mutter Eva und Georgs Frau Claudia zählen zum engeren Kreis der Familie, die am Erfolg der Marke mit dem markantem Brillant-„W“ mitwirken. Der weibliche Teil der Familie spielt sogar eine entscheidende Rolle: „Den Schmuck machen wir für unsere Frauen. Für meine Mutter, meine Schwägerin, meine Frau. Wenn denen der Schmuck gefällt, dann können wir das Konzept multiplizieren“, so Wellendorff. Auch zum „erweiterten Kreis der Familie“ zählt er die Mitarbeiter: 70 Personen sind in Pforzheim beschäftigt; 20 in der Verwaltung und 50 in der Manufaktur, unter anderem Goldschmiede, Feinpoliererinnen, Werkzeugmacher und Juwelenfasser. Sie alle sind Spezialisten auf ihrem jeweiligen Gebiet, viele arbeiten schon seit mehreren Jahrzehnten im Unternehmen. Dazu kommen rund 30 Verkäufer in sechs eigenen Boutiquen. Auch 120 Juweliere, die den Schmuck in der ganzen Welt vertreiben, sieht der Firmenchef als wichtigen Baustein für den Erfolg.

Qualitätskontrolle unter dem Mikroskop

Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten ist bei den Pforzheimern das meiste noch echte Handarbeit – „der Rest ist Hightech“, sagt Geschäftsführer Wellendorff. Eine neue Kollektion besteht aus etwa einem Dutzend Produkten: Amulette, Armbänder, Colliers, Ringe, Ohrringe und Ketten mit Namen wie „Sonnenglanz“ oder „Sternentraum“. Einem neuem Produkt im Katalog stehen bis zu 100 Entwürfe gegenüber, die niemals realisiert werden. Pro Tag verlassen das direkt am Flüsschen Enz gelegene Firmengelände gerade einmal 30 Schmuckstücke. Gefertigt wird nur, was auch bestellt ist. Nachdem eine Order eingeht, vergehen zwischen vier und sechs Wochen, bis die kostbare Ware ausgeliefert wird. Vor dem Versand wird noch einmal jedes Detail unter dem Mikroskop überprüft. Der kleinste Kratzer befördert das Schmuckstück zur Nachbearbeitung – schlimmstenfalls sogar zurück in den Schmelzofen.

„Die Exzellenz im Material ist unser Anspruch: alles muss noch geschmeidiger, noch weicher und noch anschmiegsamer sein“, sagt Wellendorff. Seine Frau stimmt ihm zu: „Eine Kette muss weich wie Seide sein, damit man sie am liebsten gar nicht mehr ablegen möchte“, sagt Claudia Wellendorff. Früher seien die Schmuckstücke nur zu besonderen Anlässen herausgeholt und getragen worden, doch der Luxus habe längst den Alltag erobert. Die Pforzheimer sind nicht darauf aus, Trendprodukte zu fertigen. Wellendorff-Schmuck sei vielmehr von zeitloser Eleganz. „Die Trägerin soll ein Leben lang Freude daran haben“, sagt der Urenkel des Firmengründers.