Mit einem dritten Brauhaus steigt Schönbuchbräu nun auch am Schwarzwaldrand groß in die Gastronomie ein: Werner Dinkelaker, der Geschäftsführer des Familienbetriebs, ist davon überzeugt, dass Bier im Trend liegt – auch wenn weniger getrunken werde als früher

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)
Böblingen - Nachdem Schönbuchbräu die Stuttgarter Kneipenszene für sich eingenommen hat, wagt das Böblinger Unternehmen das nächste Projekt: Mehr als zwei Millionen Euro steckte Werner Dinkelaker in Calw in den Umbau einer denkmalgeschützten Turnhalle zum Brauhaus. Sein Erfolgsgeheimnis sei die Tradition, sagt der 47-jährige Geschäftsführer. Und sein Gaststätten-Manager Nunzio Chiumenti (50) ergänzt: „Aber wir bieten eine zeitgemäße Gastronomie.“
Herr Dinkelaker, die Geislinger Brauerei Kaiser musste gerade Insolvenz anmelden, Sie expandieren dagegen. Was sind die Probleme kleinerer Brauereien?
Die Insolvenz von Kaiser ist extrem traurig. Ich kenne die Familie Kumpf seit vielen Jahrzehnten. Und der Biermarkt ist der schönste Markt in Deutschland, weil Bier das schönste Produkt ist, das man herstellen und verkaufen kann. Aber natürlich: der Pro-Kopf-Verbrauch geht zurück. Und die Großen versuchen über den Preis, uns kleinen Brauereien weh zu tun, behaupte ich. Eine Kiste „Beck“ gibt es für unter zehn Euro, wir brauchen aber 15 Euro. Der Verdrängungswettbewerb ist da, und das macht es nicht leichter. In Baden-Württemberg gibt es dennoch 173 Brauereien, darauf bin ich stolz.
Sie behaupten sich offensichtlich am Markt, liegt das an Ihrer forschen Strategie?
Ich weiß nicht, ob wir forsch sind. Es gibt eindeutig einen Trend zu regionalen Produkten. Die Leute kaufen ja trotz des Preises unser Bier. Und wir sitzen in Böblingen, mit Sindelfingen, der Firma Daimler und vielen Leuten drumherum. Es ist ja nicht so, dass der eine zaubern kann und der andere nicht. Wir verkaufen 80 Prozent unseres Bieres in einem Umkreis von 20 Kilometern. Wir beliefern 150 Gaststätten, mit den meisten Gastronomen bin ich per Du. Wir agieren sehr lokal, sind sehr nah am Markt dran. Stuttgart ist für uns schon Exportgebiet, in die Landeshauptstadt sind es 20,4 Kilometer, habe ich beim Joggen einmal nachgemessen.
Aber sie müssen doch ein Erfolgsgeheimnis haben!
Wir haben unsere Tradition, und die führen wir eigentlich nur fort. Das ist wie bei einem Baum: das bringt tiefe Wurzeln und Standsicherheit. Ich bin Braumeister in sechster Generation, und mein Sohn übt auch schon. Aber wir leben im Heute und machen sexy Produkte.
Und Ihre Brauhäuser brummen . . .
Weil meiner Meinung nach Bier ein Trend ist – auch wenn die Verkaufszahlen rückläufig sind. Aber wenn man guten Bieren ein zeitgemäßes Umfeld gibt, dann kommen die Leute. Das Böblinger Brauhaus zum Beispiel, das wir im Jahr 2001 auf dem Brauereigelände eröffnet haben, ist jeden Abend voll. Es hat 270 Plätze. Und die Stuttgarter lieben – Gott sei Dank – auch unser Bier.
Herr Chiumenti, haben Sie gebetet, als Schönbuchbräu sich auf das Stuttgarter Kneipenpflaster gewagt hat?
Am Anfang war es ein Wagnis. In Böblingen haben wir ein Monopol, in Stuttgart gibt es unendlich viel Gastronomie. Und mit dem Brauhaus in der Bolzstraße waren natürlich ganz andere Kosten verbunden. Das Lokal liegt außerdem halb im Keller und von der Lage her befürchteten wir eine Hinterhof-Atmosphäre. Davor hatten wir Respekt, aber keine Angst. Unsere Ansprüche haben wir letztendlich dann sehr erfolgreich umsetzen können.
Und vor der Konkurrenz haben sie sich nicht gefürchtet, vor Dinkelacker und Hofbräu?
Werner Dinkelaker: Die beiden Unternehmen wurden von unserem Vermieter sogar zuerst gefragt, ob sie in die Bolzstraße ziehen wollen. Wir haben dann logischerweise überlegt, warum sie abgesagt haben. Nach langem Hin und Her waren wir jedoch überzeugt von dem Standort.
Nunzio Chiumenti: Wir dachten, der Stuttgarter Markt ist groß. Wir hatten natürlich auch Respekt, als wir hörten, dass Dinkelacker sein Brauhaus in ein paar Meter Entfernung eröffnet. Aber wir merken jetzt, was für ein Potenzial Stuttgart hat: Die Halbjahreszahlen sind gut, wir haben überhaupt keine Einbußen, obwohl Dinkelacker seit diesem April im Geschäft ist.
Werner Dinkelaker: Ich finde es toll, dass Dinkelacker auch diesen Schritt gemacht hat. In seinem Brauhaus zelebriert das Unternehmen das Bier ebenfalls auf eine tolle Art und Weise. Das freut mich total. Es zeigt wieder: Bier ist sexy, Bier ist zeitgeistig.
Nunzio Chiumenti: Der Futterneid ist in Stuttgart nicht spürbar. Das ist in Calw schwieriger. Dort treten wir gleich sehr dominant auf.
Was hat Sie an den nördlichen Schwarzwaldrand gebracht?
Werner Dinkelaker: Wir sind öfters durch die Stadt gefahren und haben diese wunderschöne Location gesehen. Es handelt sich um eine denkmalgeschützte Turnhalle, Baujahr 1869, direkt an der Nagold gelegen. Das ist gigantisch, dachte ich, da müssen wir ein Brauhaus rein machen. Das ist wie eine Kathedrale, eine einzigartige Räumlichkeit mit hohen Decken und Fachwerk. Und vom Bürgermeister bis zum Landrat haben uns alle bei dem Projekt unterstützt.
Können Sie es nach Stuttgart mit jeder Stadt aufnehmen?
Nunzio Chiumenti: Eigentlich ist Calw ein größeres Wagnis als Stuttgart. Es ist das größte Objekt, das wir haben, und wie ein mittelständisches Unternehmen. Wir haben dort 30 Mitarbeiter, so viele wie in Böblingen insgesamt. Und alle machen uns Angst, dass in Calw nichts los sei. Aber wir werden das Publikum anziehen. Wir sind auch in Böblingen ein Magnet. Wir haben hier am Tag locker 500 Besucher im Durchschnitt, das sind im Jahr 180 000 Menschen auf unserem Böblinger Gelände.
Werner Dinkelaker: Und die kommen alle wegen des Themas Bier. Das finde ich einfach cool. Weil Bier so oft auch schlecht geredet wird. Dabei ist Bier so in wie nie.
Die Zahl der verschiedenen Biergetränke hat auf alle Fälle stark zugenommen. Ist das nicht pure Verzweiflung, um neue Absatzwege zu finden?
Werner Dinkelaker: Das ist keine Verzweiflung, sondern Spaß. Wir sagen: lasst uns links und rechts vom Mainstream ein bisschen herumbrauen. Wir machen die Revolution in der Sudpfanne aus Spaß. Wir spielen mit den Zutaten. Statt nur einer Sorte Hopfen oder Malz verwenden wir teilweise bis zu sechs verschiedene. Das „Pale Ale“ ist etwa ein Egomanenbier von mir, weil ich den Geruch so geil finde.
Wo bleibt denn da Ihre viel beschworene Tradition?
Werner Dinkelaker: Es ist eine Synergie zwischen Tradition und Zeitgeist. Wir müssen unsere Produkte weiterentwickeln, das Export schmeckt auch nicht mehr wie vor 30 Jahren. Wachstum haben wir allerdings im Kernsortiment: Hefeweizen, Export und Pils sind unsere Standardprodukte. Und wir versuchen eben, unseren Produkten einen entsprechenden Rahmen zu geben – mit den Brauhäusern, und mit Events. Wir bieten beispielsweise Bierverkostungen an wie beim Wein, um den Menschen die Bandbreite unseres Biers zu zeigen. Das sind neue Wege. Andererseits: Gastronomie haben wir schon immer gemacht, meine Urgroßmutter hat bereits den Platzhirsch betrieben, unsere einstige Braureigaststätte.
Was also machen Sie anders als zum Beispiel Kaiser-Bräu?
Werner Dinkelaker: Wir brauen gute Biere – wie viele andere Kollegen auch. Wir sind mit Leidenschaft dabei. Unsere ganze Mannschaft ist total bier-verrückt. Das spürt und schmeckt man vermutlich. Ganz am Ende gehört auch Glück dazu.