Die Nachfrage nach ästhetischen Korrekturen steigt – und damit auch die Zahl missglückter OPs. „Man kann verhunzte Nasen retten. Aber der Aufwand ist riesig“, sagt Wolfang Gubisch, Professor für Plastische Chirurgie am Marienhospital Stuttgart im Vorfeld des Kongresses „Nasen- und SOS-Kurs“ für Plastische und Ästhetische Chirurgen.

Stuttgart - Am Stuttgarter Marienhospital nehmen derzeit Ärzte aus 32 Nationen am „Nasen- und SOS-Kurs“ für Plastische und Ästhetische Chirurgen teil. Die Mediziner erfahren während des Kongresses zum Beispiel, wie nicht gelungene Schönheitsoperationen korrigiert werden können. Der Mediziner Wolfgang Gubisch berichtet im Vorfeld des Kongresses.
Herr Gubisch, wie oft gehen Schönheitsoperationen eigentlich schief?
Das kann man nicht so einfach beantworten. Es hängt davon ab, was man unter einer missglückten OP versteht. Ist es jede Operation, bei der der Patient nicht zufrieden ist? Sind es OPs, die nicht gelungen sind, weil die Erwartungen des Patienten falsch waren? War die technische Durchführung falsch? Oder ist sie misslungen, weil der Chirurg zu wenig Erfahrung hatte?
Sie operieren seit 1975 am Stuttgarter Marienhospital. An welchem Punkt gehen die meisten OPs ihrer Meinung nach schief?
Es tummeln sich leider immer mehr Mediziner auf dem Gebiet der Ästhetischen Chirurgie, die nicht genügend Erfahrung haben. Die Ausbildung in der Ästhetischen Chirurgie ist ein Problem. Viele Kollegen haben zwar den Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, aber wenig Erfahrung während ihrer Ausbildung sammeln können und lassen sich dann nieder.
Welche Operationen missglücken wegen unfähiger Ärzte denn am häufigsten?
Laut Statistik sind es Nasenoperationen. Eine Prothese in die Brust einzupflanzen, ist viel leichter, als eine Nase zu operieren. Deshalb haben Nasen-OPs auch die höchsten Komplikationsraten. Untersuchungen zufolge ist bei 30 bis 40 Prozent die Nasenscheidewand nach der OP immer noch schief und die Nase deshalb ebenfalls schief. Auf Platz zwei sind die Unterlieder. Auch sie können eine chirurgische Herausforderung darstellen. Fettabsaugungen haben ebenfalls häufig ein unbefriedigendes Ergebnis. Allerdings: bevor ein Fehler bei der Operation erfolgt, können schon im Vorfeld andere passiert sein. Man muss den Patienten genau darüber aufklären und genau analysieren, was den Patienten überhaupt stört. Erst dann kann man sich für eine Operationstechnik entscheiden. Es geht zum Beispiel nicht nur darum, schöne Nasen zu kreieren, sondern eine unauffällige, ins Gesicht passende Nase, mit der man auch gut atmen kann, aufzubauen.
Wer steht schlimmstenfalls am OP-Tisch?
Jemand, der keinerlei Erfahrungen mit Operationen dieser Art oder nur von einmaligen Wochenendseminaren oder learning by doing hat. Einer der renommiertesten Face-Lift-Chirurgen der Welt, Tim Marten aus San Francisco, braucht für eine Gesichtsstraffung bis zu acht Stunden. Und das, obwohl er sehr schnell und erfahren ist. Höre ich von deutschen Kollegen, dass sie das in zwei Stunden machen, bin ich skeptisch. Es liegen Welten zwischen den chirurgischen Konzepten.
Haben Sie Beispiele dafür?
Die einen straffen, wie man das früher gemacht hat, nur die Haut und verursachen dadurch einen sehr breiten Mund und ein straffes Gesicht, das völlig unnatürlich wirkt. Wenn dann die Narben noch unter Spannung stehen, werden diese breit und daher auffällig. Wer heute noch so operiert, hat nicht verstanden, was der Alterungsprozess im Gesicht macht: Einerseits kommt es zu einer Erschlaffung und in der Folge zu einem Absinken von Gewebe, andererseits kommt es zum Gewebeverlust, insbesondere zu einem Abbau des Fettgewebes. Ein straffes Gesicht ist also kein junges Gesicht, sondern ein junges Gesicht hat auch Fülle. Deshalb gehört zu einem Face-Lift heute unbedingt eine Fetttransplantation.
Auf dem Messingschild an der Praxistüre erkennt man aber nicht, wie groß die Erfahrung des Arztes ist. Woran kann man sich orientieren?
Das ist schwierig. Wer sich im Internet informiert, findet größtenteils Märchenbücher vor. Ich wundere mich manchmal, was manche Mediziner, deren Vita ich kenne, so anbieten. Es kann sein, dass ein Kieferchirurg Brüste operiert. Eigentlich sind die Patienten hier nicht geschützt.
Was raten Sie?
Man sollte zu drei oder vier Ärzten gehen. Fragen Sie den Arzt: Wo würden Sie sich operieren lassen? Und wenn sie zwei-, dreimal den gleichen Namen bekommen, kann das ein Anhaltspunkt sein. Ich habe lange versucht durchzusetzen, dass gerade in der Plastischen Chirurgie, die kein Organfach ist, sondern den ganzen Körper behandelt, jeder Kollege nur wenige Gebiete angeben sollte, in denen er sehr gut ist. Alles andere sollte er weglassen. Stattdessen hat jeder einen Bauchladen. Die Weltbesten sind hochspezialisiert und machen nicht alles. Je größer die Erfahrung des Chirurgen auf einem Gebiet, desto geringer die Risiken.
Wie gut kann man missglückte OPs retten?
In vielen Fällen kann man verhunzte Nasen retten, die Voraussetzungen sind aber deutlich schwieriger. Etwa aus psychologischen Gründen: der Patient hat ja einmal einem Arzt vertraut und wurde enttäuscht. Das zweite Mal wird er schon anders in die OP gehen, er wird viel mehr Angst haben. Durch jede OP wird außerdem Gewebe entfernt, es fehlt also etwas. Drittens entstehen Narben, diese bluten stärker, als wenn man normales Gewebe schneidet. Wenn ein erfahrener Kollege nachoperiert, kann man in den allermeisten Fällen noch deutlich verbessern oder sogar so korrigieren, dass das ursprüngliche Ziel erreicht werden kann. Aber der Aufwand ist riesig.
Wann sollte man eine Arztpraxis während der Entscheidungsfindung lieber verlassen?
Wenn man sofort einen Operationstermin bekommt und gedrängt wird. Ich würde den Arzt fragen, wie oft er den Eingriff in den letzten vier Wochen durchgeführt hat. Vier Wochen wird er sich ja zurückerinnern können. Man kann an dieser Stelle am besten merken, wie seriös ein Kollege ist.
Sollten Jugendliche Ihrer Meinung nach operiert werden?
Rein statistisch sind es nur unter zwei Prozent ästhetischer Operationen, die bei Jugendlichen gemacht werden. Und meistens sind sie medizinisch durchaus gerechtfertigt. Vergangene Woche habe ich einen 16-Jährigen operiert, der zwei Selbstmordversuche hinter sich hatte, weil er mit seiner Nase nicht mehr leben konnte. Den von der Politik behaupteten Schönheitswahn bei Jugendlichen gibt es in dem befürchteten Ausmaß in der Realität so definitiv nicht. Das ist eine Scheindebatte.
Aber ästhetische OPs nehmen generell zu?
Ja. Heute gibt es zwar viel weniger Unfallopfer, da wir die Anschnallpflicht haben. Aber Gesichtsrekonstruktionen nach Krebserkrankungen nehmen zu. Gesamtgesellschaftlich bedeutet gutes Aussehen heute aber auch größeren beruflichen und privaten Erfolg, das belegen psychologische Studien seit langem. Weil es heute erschwinglich ist und das Aussehen gesellschaftlich eine große Rolle spielt, ist klar, dass es immer häufiger auch den Wunsch gibt, das Äußere zu verbessern. In den Medien werden die OPs aber oft verharmlost. Niemand sollte vergessen, dass es sich dabei um Operationen handelt, die zunächst nicht rückgängig gemacht werden können. Eine Schönheits-OP ist kein harmloser Akt wie Fingernägelschneiden. Man muss immer einkalkulieren: Es kann schiefgehen.