Wie heute tausende von Pendlern wollten die Römer vor 1900 Jahren ebenfalls das Remstal durchqueren. Das zeigen die Reste einer Römerstraße, welche Archäologen jetzt im Norden von Schorndorf freigelegt haben.

Schorndorf - Es ist ein lehmiges Geschäft, der antiken Vergangenheit des Remstals auf die Spur zu kommen. Inmitten einer Baugrube am Holzberweg am Nordrand Schorndorfs sind Roland Buggle und ein halbes Dutzend Mitstreiter dabei, antike Funde regelrecht freizukratzen. Mühsam entfernen die Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes mit Hacken und Schaufeln den Dreck von Steinpaketen. Zum Vorschein kommt eine Art regelmäßig gefliestes Pflaster, das leicht schräg durch die Grube führt und nach Westen hin leicht ansteigt. „Das sind die Reste einer Römerstraße“, erklärt Roland Buggle.

 

Schon vor gut 1900 Jahren fuhren die Römer vom damaligen Cannstatt aus nach Osten durch das Remstal und bauten sich dafür quasi den Urahnen der B 29. Im heutigen Ostalbkreis lagen eine ganze Reihe von Kastelldörfern, die zur Grenzbefestigung Limes gehörten. In Schorndorf, so vermutet Roland Buggle, könnte eine wichtige Wegkreuzung in diesem antiken Straßennetz gewesen sein. Womöglich zweigte in dem Talkessel eine Route nach Nordosten ab, die das wichtige Kastell Welzheim ansteuerte, schätzt der ehrenamtliche Archäologe. Bis zur Aufgabe des Obergermanischen Limes um das Jahr 250 könnten diese Straßen für Handel und Truppenbewegungen rege genutzt worden sein.

Dass die Römer auch im mittleren Remstal siedelten, ist indes nicht neu. Ungefähr 400 Meter nördlich des jetzigen Fundortes hoben Archäologen vor rund 25 Jahren die Reste eines römischen Gutshofes aus. Es habe sich um die klassische Bauform mit Türmen gehandelt, vom Keller seien noch gute Teile übrig geblieben, erinnert sich Roland Buggle.

Auch am Rande der jetzigen Baugrube zeigten sich Siedlungsspuren: Die Ausgräber legten die Reste eines gemauerten Kellers frei. Zudem fand sich in der Nachbarschaft eine kleine ummauerte Stelle mit Überbleibseln zweier Feuerstellen. Diese könnten, mutmaßt Buggle, zu einer Werkstatt für Bronzebearbeitung gehört haben. Ein Hinweis darauf wären schlackeartige Überreste im Boden, an denen noch Bronze klebe, eines der wichtigsten und meist benutztesten Metalle der Antike.

Eine richtige Stadt hat es am Schorndorfer Nordrand indes in römischen Zeiten nie gegeben. Eher sei es wohl eine Streusiedlung gewesen, die sich zu Füßen der Hausberge Sünchen und Grafenberg gebildet habe. Dass dazu auch religiöse Kultstätten gehörten, zeigt das wohl herausragendste Fundstück der jetzigen Grabung. Mitten in dem antiken Kellerrest wurden die Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes auf einen rund 90 auf 90 Zentimeter großen Steintisch aufmerksam. Nachdem ein Bagger ihn vorsichtig umdrehte, wurde ein Säulenrest sichtbar, sorgsam aus dem Sandstein herauspräpariert mit kreisrunden Verzierungen. „Das könnten die Reste einer Jupitersäule sein“, vermutet Buggle. Die Römer des zweiten Jahrhunderts hatten eine Vorliebe dafür, ihren reitenden Gott auf solchen Säulen als Symbol ihrer Macht darzustellen.

Das Fenster zur antiken Vergangenheit wird sich indes bald wieder schließen, nur noch wenige Tage haben die Archäologen Zeit, das Gelände zu vermessen, bevor Bauarbeiter alles einebnen und die Keller mehrerer Appartementhäuser darüber errichten. Dass die Ausgräber zwei Wochen lang am Holzbergweg graben konnten, sei ohnehin nur dem Entgegenkommen der Baufirma geschuldet, sagt Buggle. Denn das Areal sei nicht als Verdachtsgebiet für archäologische Funde deklariert.