Die „Netzperten“ aus Schorndorf sind für ein Video zum Thema Cybermobbing ausgezeichnet worden. Zurzeit planen sie einen neuen Workshop über WhatsApp. Denn auch über dieses Kommunikationsmittel werden mittlerweile gerne Konflikte ausgetragen.

Schorndorf - Natascha liebt Cem, doch der ist mehr an ihrer besten Freundin Sandra interessiert. Sandra ist auch nicht abgeneigt, was sie Natascha aber nicht sagen kann oder will. Die Situation eskaliert, als Sandra bei einem heimlichen Date mit Cem beobachtet wird. Eine enttäuschte und wütende Natascha rächt sich, in dem sie ein Unterwäschefoto von Sandra auf Facebook veröffentlicht. So wird die junge Schülerin in dem Film „Nackt im Netz“ zum Opfer einer Cybermobbing-Attacke. Weit weg von der Realität bewegt sich die Geschichte allerdings nicht: „Sie hat sich nicht eins zu eins so zugetragen, aber es ist ein Beispiel aus der Lebenswelt der Jugendlichen“, sagt Lars Piechot, Schulsozialarbeiter an der Karl-Friedrich-Reinhard-Werkrealschule (KFR) in Schorndorf.

 

Auszeichnung bei bundesweitem YouTube-Wettbewerb

Anfang des Jahres ist der Film in dem bundesweiten Video-Wettbewerb „361 Grad Respekt“ ausgezeichnet worden. Seine Macher, die „Netzperten“, gibt es allerdings schon seit drei Jahren. Damals hat Lars Piechot zusammen mit dem Medienpädagogen Robert Rymes vom Kreisjugendring das Projekt gegen Cybermobbing ins Leben gerufen – zunächst an der KFR in Schorndorf. „Damals war Facebook ein großes Thema“ erzählt Piechot. Zunächst galt es, die Lehrer aufzuklären, was sich in dem sozialen Netzwerk alles abspielen kann.

Etwa 15 Schüler haben dann einen Workshop zum Thema Cybermobbing entwickelt, dessen Hauptbestandteil besagtes Video ist. „Es gab einen vorgefertigten Film, aber der war nicht authentisch“, sagt Lars Piechot. Die Schüler der Werkrealschule haben dagegen einen aufwendigen Film gedreht, der eindringlich vor Augen führt, was Cybermobbing anrichten kann. „Wir wollten auch zeigen, dass man immer die Wahl hat, Cybermobbing zu ignorieren und Zuschauer zu bleiben oder sich einzumischen“, sagt Zilan.

Sie gehörte zu den ersten „Netzperten“, die den Film produziert haben, und ist mittlerweile garnicht mehr auf der KFR. Mit dem Video und dem Workshop sind die Elftklässlerin und die restliche erste Generation der „Netzperten“ durch den ganzen Rems-Murr-Kreis gereist: „Wir haben bestimmt 20 Workshops gehalten“, erzählt sie. Auch an anderen Schulen, etwa am Stresemann-Gymnasium in Fellbach oder am Bildungszentrum Weinstadt haben sich „Netzperten“ zusammengetan.

WhatsApp hat Facebook mittlerweile abgelöst

An der KFR steht nun die zweite Generation „Netzperten“ in den Startlöchern. Sie erarbeiten gerade einen Workshop für den Backnanger Streitschlichterkongress am 5. März. Das Thema hat sich allerdings geändert: „Auf Facebook ist fast keiner mehr, dafür hat jeder WhatsApp“, erzählt die Neuntklässlerin Vanessa. Die internetbasierte Kommunikationsmethode kann durchaus seine Vorteile haben – zumindest für die Schüler: „In unserer Klassengruppe fragen wir, wer die Hausaufgaben schon gemacht hat. Derjenige fotografiert dann die Lösungen und schickt sie an die anderen“, erzählt Jacky, die auf die benachbarte Gottlieb-Daimler-Realschule geht.

Dieser „Erleichterung“ stehen neue Probleme gegenüber, um die es bei dem geplanten Workshop hauptsächlich gehen soll. „Ich bin irgendwann aus der Klassengruppe raus, weil es einfach zu viele Nachrichten waren“, sagt ihr Klassenkamerad Eray. Er ist freiwillig ausgestiegen, andere werden erst gar nicht in die Klassengruppe eingeladen und dadurch ausgegrenzt.

Außerdem können auch auf diesem Weg Beleidigungen ausgetauscht und Konflikte ausgetragen werden – und zwar leichter als von Angesicht zu Angesicht. „Da weiß man nicht, wie der andere reagiert oder hat vielleicht eine Faust an der Backe. Das kann bei WhatsApp nicht passieren“, sagt Robert. „Außerdem sieht man die Mimik des anderen nicht und traut sich deswegen mehr“, ergänzt Jacky.

Probleme bei der Finanzierung

Umso wichtiger ist es, dass sich viele Schüler damit auseinandersetzen. Ob die Schorndorfer „Netzperten“ mit ihrem WhatsApp-Workshop wieder auf Reisen gehen können, steht in den Sternen. „Leider ist dem Kreisjugendring die Finanzierungsgrundlage weggefallen“, erzählt Lars Piechot. Deswegen kann auch der Medienpädagoge Robert Rymes nicht mehr beschäftigt werden. Lars Piechot würde sich wünschen, dass das Projekt fortgesetzt werden kann: „Die Nachfrage war da – und die beteiligten „Netzperten“ haben unheimlich viel Medienkompetenz bekommen und sind an ihrer Rolle gewachsen.“