Welcher Wert haben ökologische Ausgleichsflächen, wenn das betreffende Gelände nach 15 Jahren trotzdem bebaut wird? Ein Streit um diese Frage hat in Schorndorf zu Einsprüchen von Naturschützern geführt.

Schorndorf - Darf eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche für ein künftiges Fabrikgebäude geopfert werden, und ist das Verfahren dazu korrekt gelaufen? Darum dreht sich ein Streit um eine Wiese am Rande der Stadt Schorndorf im Gewerbegebiet Steinwasen nahe des Ramsbachs. Das Vorhaben der Schorndorfer Modefirma Riani, dort auf gut 3300 Quadratmetern ein neues Gebäude und knapp 4300 Quadratmeter Zufahrten und Parkplätze zu schaffen, hat Einsprüche eines örtlichen Arbeitskreises für Stadtentwicklung nach sich gezogen.

 

Obwohl der Gemeinderat erst am Dienstagabend dazu einen Beschluss fassen wird, haben Baufahrzeuge Ende der vergangenen Woche bereits Tatsachen geschaffen. Die Humusschicht der Wiese wurde großflächig weggeschoben. Eine ökologisch wertvolle „Magerwiese mit extensiver Bewirtschaftung“ ist das 1,3 Hektar große Areal damit nicht mehr. Das Vorgehen widerspreche „dem Gebot kommunaler Vorsorge für existenzielle Lebensgrundlagen“, kritisiert die Arbeitskreissprecherin Eva-Maria Gideon.

Das Gewerbegebiet Steinwasen war vor 15 Jahren entstanden, als die Bundesstraße 29 auf eine andere Trasse verlegt worden war. Äcker und Wiesen nördlich der alten Bundesstraße wurden nach und nach zum Gewerbegebiet. An dessen Rändern legte die Stadt so genannte Ausgleichsflächen an. Die Wiesen, die nur ein- bis zweimal jährlich gemäht werden, böten zahlreichen Tierarten einen Lebensraum, sagt Eva-Maria Gideon. Sie sei auf das Bauvorhaben aufmerksam geworden, habe sich im Frühjahr das Gebiet angesehen und etliche geschützte Tiere entdeckt: an den Bachläufen des Ramsbachs tummelten sich zahlreiche Vogelarten, am Boden seien Zauneidechsen zu sehen gewesen. In den Bäumen konnte Eva-Maria Gideon sogar des Horst eines Greifvogels beobachten. Andere Naturschützer sagen, sie hätten die Jungvögel sogar fotografiert und die Bilder dem städtischen Planungsamt zugeschickt.

Ein Gutachten eines Esslinger Instituts, welches von der Stadt Schorndorf häufig beauftragt wird, kommt freilich zu einen anderen Schluss. Der Gutachter will bei einer Begehung des Areals vor rund einem Jahr „nur Vögel aus der Gilde der störungstoleranten und kulturfolgenden Arten“ beobachtet haben, etwa Haussperlinge und eine Rabenkrähe. Eindeutige Hinweise auf Brutaktivitäten habe man nicht feststellen können.

Manfred Beier, der Chef des Amtes für Bauen und Stadtentwicklung, sieht sich aufgrund solcher Aussagen im Recht. Da das Gebiet Teil eines bestehenden Bebauungsplans war, habe man das Bauvorhaben als Innenentwicklung angesehen, die Ausgleichsflächen würden nun andernorts angelegt. Aus Beiers Sicht ist es daher möglich, mit den Vorarbeiten zu beginnen, bevor der zugehörige Bebauungsplan beschlossen ist. Dass ihm Bilder der jungen Greifvögel zugeschickt worden sind, bestätigt der Amtschef zwar. Ob sie tatsächlich aus dem Gebiet stammten, sei aber „nicht nachgewiesen“. Man habe den Baubeginn zudem mit der Naturschutzabteilung des Waiblinger Landratsamtes abgestimmt.

Im Waiblinger Kreishaus bestätigt man zwar auf Anfrage, die Stadt Schorndorf habe grundsätzlich das Recht, Ausgleichsflächen an anderer Stelle anzulegen. Ob der Baubeginn zum jetzigen Zeitpunkt rechtlich zulässig ist, darüber ist man sich im Kreishaus aber offensichtlich nicht sicher. Man habe die Frage zur juristischen Klärung an das Regierungspräsidium Stuttgart weitergeleitet, sagte ein Sprecher gestern.