Nichts als billige Wahlkampfpolemik? Die AfD bringt im Landtag die Gewalt beim Volksfest in Schorndorf zur Sprache und deutet Parallelen zur Kölner Silvesternacht an. Die anderen Parteien sind empört.

Schorndorf/Stuttgart - Nach der Gewalt beim Schorndorfer Volksfest hat sich die Alternative für Deutschland (AfD) im Landtag einen Schlagabtausch mit den anderen Fraktionen über die Ursachen geliefert. Die AfD zog im Titel der von ihr beantragten Debatte eine Parallele zur Kölner Silvesternacht. Innenminister Thomas Strobl (CDU) rief zur Sachlichkeit auf. Alle Fraktionen im Parlament verurteilten die Zwischenfälle in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis), nach denen laut Polizei insgesamt 53 Straftaten angezeigt wurden. Der AfD warfen sie billige Polemik im Bundestagswahlkampf vor.

 

AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen sagte am Donnerstag in Stuttgart, 53 angezeigte Straftaten seien eine „heftige Bilanz“. An der Gewalt seien nicht nur Realschüler und Gymnasiasten schuld. Mit den Flüchtlingen sei auch ein „gewalttätiger Mob“ nach Deutschland eingedrungen, der das Land als Beute und „unsere Töchter als verfügbare Schlampen“ betrachte. „Kontrollieren und schließen Sie die Grenzen für illegale Migration“, forderte er. Die Spitzenkandidatin der AfD im Land und im Bund zur Bundestagswahl, Alice Weidel, sprach mit Blick auf Schorndorf von „Vertuschung und Kleinreden“.

Innenminister Strobl warnte davor, voreilige Schlüsse zu ziehen und Parallelen zur Silvesternacht in Köln zu ziehen. „Ich rate allen: Lassen wir die Kirche im Dorf“. Baden-Württemberg sei eines der sichersten Bundesländer. Man könne weiterhin unbesorgt auf Stadtfeste gehen. Die Gewalt sei nicht von allen der rund 1000 Menschen ausgegangen, die sich im Schorndorfer Schlosspark befunden hätten, sondern von einzelnen Personen. Strobl sprach von einer „bunt gemischten Ansammlung von Jugendlichen und Heranwachsenden“. Darunter seien auch Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund gewesen.

Was Menschen in Stuttgart zur Situation in Schorndorf denken, sehen Sie in unserer Video-Umfrage:

Oberbürgermeister Matthias Klopfer erklärt sich

Es gibt nach Angaben der Polizei Ermittlungen in vier Fällen gegen Unbekannt sowie in zwei Fällen gegen bekannte Verdächtige wegen sexueller Belästigung in Schorndorf. Drei Afghanen sollen eine 17-Jährige begrapscht haben. Ein Iraker soll eine 25-Jährige belästigt haben. In der Kölner Silvesternacht 2015/2016 hatte es viele Übergriffe auf Frauen gegeben. Für CDU-Polizeiexperte Siegfried Lorek sind die Fälle aber nicht vergleichbar: „Im Unterschied zu Köln deutet nichts auf verabredetes Handeln hin.“

Grünen-Polizeiexpertin Petra Häffner warf der AfD vor: „Sie missbrauchen dieses Thema für Ihre billige Polemik.“ Ähnlich äußerte sich SPD-Innenexperte Sascha Binder: „Ihr Geschäft sind Vorverurteilungen und Hetze.“ Er führte die Gewalt vor allem auf einen übermäßigen Alkoholkonsum der jungen Leute zurück. FDP-Innenexperte Ulrich Goll räumte ein, dass in der Flüchtlingspolitik Fehler gemacht worden seien. Es gebe viele junge Menschen mit enttäuschten Hoffnungen. „Da sammelt sich Zündstoff an.“

Der Schorndorfer Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) erklärte unterdessen, Stadt und Polizei hätten die Situation im Schlosspark am Samstag frühzeitiger und intensiver beobachten und eingreifen müssen. „Ich sage zu, dass wir dies künftig besser lösen und in Abstimmung mit der Polizei den Schlosspark gegebenenfalls früher räumen.“