Seit 115 Jahren gibt es die Schuhmacherei Schmälzle in Korntal. Anja Schmälzle führt das Geschäft in vierter Generation.

Korntal-Münchingen - Leidenschaft ist das beste Werkzeug. Das ist das Motto von Anja Schmälzle – obwohl es genauer genommen auch der Leitspruch der Handwerksorganisationen und -betriebe ist. Aber die 50-Jährige findet, dass dieser Spruch passt, um ihr Verständnis als Schuhmachermeisterin zu beschreiben. Seit 2003 führt sie die Werkstatt in der Mirander Straße in Korntal, die zuvor ihre Eltern betrieben hatten.

 

Es war Anja Schmälzles Urgroßvater Philipp, der die Schuhmacherei im Jahr 1901 erworben hat. Einige Jahre zuvor, 1875, war sie von Gottlob Jäger gegründet worden. Heute ist es der älteste handwerkliche Betrieb in Korntal. Seit 115 Jahren liegt das Geschäft in den Händen der Familie Schmälzle. Nach Philipp Schmälzle übernahm 1935 dessen Sohn Paul die Werkstatt, ein Jahr später baute er an das Haus noch einen Schuhladen an. Fast 20 Jahre später, im Jahr 1954, wurde das damalige Haus abgerissen und neu gebaut; als Paul Schmälzle starb, führten seine Frau Klara und sein Sohn Walter das Geschäft weiter. Einige Male wurde im Laufe der Jahre umgebaut, 1977 übernahm Walter Schmälzle das Geschäft mit seiner Frau Erika. Als die beiden Ende des Jahres 2002 in den Ruhestand gingen, übernahm Tochter Anja, die zwischenzeitlich ihre Meisterprüfung im Schuhmacherhandwerk bestanden hatte. Sie eröffnete die Werkstatt im Nachbargebäude und führt die Werkstatt heute allein, das Schuhgeschäft war 2003 verpachtet worden, inzwischen ist der Laden geschlossen.

Rare Lehrstellen

Dass sie den elterlichen Betrieb damals übernommen hat, „hat sich so ergeben“, sagt Anja Schmälzle. Sie habe immer etwas Handwerkliches machen wollen, erzählt die 50-Jährige. Eigentlich war ihr Ziel, als Schreinerin oder Landschaftsgärtnerin zu arbeiten. „Es war aber damals schwer, eine Lehrstelle zu bekommen“, sagt Schmälzle. Schließlich entschied sie sich dafür, die Lehre beim Vater zu machen.

Die Leidenschaft, die Schmälzle wichtig ist, kommt nicht von ungefähr: „Man muss schon einen Schuhtick haben, um Schuhmacher zu werden“, sagt sie und lacht. Privat geht es ihr wie vielen Frauen, deren Schuhschrank aus allen Nähten platzt. Rund 50 Paar, schätzt die Schuhmacherin, hat sie zuhause – auch wenn sie davon längst nicht mehr alle trägt.

Als Schuhmacherin übt Anja Schmälzle einen, wie es häufig heißt, aussterbenden Beruf aus. Die Schuhmacher-Innung Heilbronn-Schwarzwald-Stuttgart verzeichnet landesweit lediglich knapp 40, überwiegend männliche Mitglieder. Im Kreis Ludwigsburg hat die Innung gerade einmal drei Mitglieder; neben Schmälzle noch einen Schuhmacher in Vaihingen/Enz und einen in Löchgau.

Auch ein Schaukelpferd hat sie schon repariert

„Ich höre oft: Gut, dass Sie da sind“, sagt Schmälzle über ihre Kunden. Die kommen vor allem, um Schuhe reparieren zu lassen. Meistens, erzählt Schmälzle, sind es die Absätze, die sich lösen. In ihrer Werkstatt hat sie alle möglichen Varianten davon vorrätig, Sohlen und Profile, in allen Formen und vielen Farben. „Bunt ist gerade im Trend“, sagt Anja Schmälzle – das gilt vor allem bei Herrenschuhen.

Ihre kleine Werkstatt steht voll mit allerlei Maschinen; einige von ihnen haben schon einige Jährchen auf dem Buckel. Die Nähmaschine zum Beispiel, deren Alter Schmälzle auf 60 bis 80 Jahre schätzt: „Die ist besser als jede neue.“ Mit der Schleifmaschine werden die Absätze abgeschliffen, neue Absätze werden mit der Presse aufgeklebt. Und die Poliermaschine verleiht den Schuhen neuen Glanz. Es sind nicht nur Schuhe, denen sich Anja Schmälzle in ihrer Werkstatt widmet. Sie repariert nach Wunsch auch andere Dinge, eben das, was die Leute ihr bringen – vor allem Lederwaren, zum Beispiel Sessel, aber auch Satteltaschen oder Rucksäcke. Auch ein Schaukelpferd hat sie schon mal verarztet.

Auch wenn ihr Berufswunsch ursprünglich ein anderer war, ist Anja Schmälzle heute glücklich mit ihrer Entscheidung, den Betrieb ihrer Familie zu übernehmen: „Ich könnte mir nichts anderes mehr vorstellen.“ Weil sie Schuhe mag – und weil sie es schön findet, wenn diese wieder repariert sind „und die Kunden sich freuen“. Gerade ist ein Kunde vorbeigekommen, um etwas abzuholen. Mit dem Resultat ist er ganz offenbar zufrieden – und lobt die Schuhmachermeisterin: „Danke, dass Sie so schnell sind“.