Im Wettbewerb um Schüler in der sich ändernden Schullandschaft müssen sich Anbieter wandeln. Reine Realschulen haben kaum noch Anmeldungen. Der Trend geht zu einer Kombination aus Realschule und Gymnasium unter einem Dach.

Stuttgart - Der Trend zum Abitur verändert auch die Privatschullandschaft in Stuttgart. Schulen, die neben der Realschule auch ein Gymnasium anbieten, erfreuen sich einer großen Nachfrage. In der von der Diakonie Stetten getragenen Torwiesenschule in Heslach, die nur ein Realschulangebot hat, sind für das nächste Schuljahr dagegen noch Plätze frei.

 

Die Verantwortlichen des evangelischen Mörikegymnasiums können zufrieden sein: sowohl beim Gymnasium als auch beim Realschulzweig musste man Schüler abweisen. Ähnlich ist die Lage bei der Waldschule in Degerloch, die ebenfalls Realschule und Gymnasium unter einem Dach vereint: das Angebot für Realschulabsolventen wird ausgebaut, wegen der großen Nachfrage wird eine zweite Realschulaufsetzerklasse für den Übergang aufs Gymnasium eingerichtet. Und die Freie Evangelische Schule in Möhringen will zum neuen Schuljahr ein berufliches Gymnasium ab Klasse acht eröffnen. Auch das kommt bei vielen Familien an.

Heslacher Torwiesenschule ist eine reine Realschule

Anders ist die aktuelle Entwicklung in der Heslacher Torwiesenschule. Dort setzt man im weiterführenden Bereich künftig nur noch auf die Realschule. Das hat Folgen: Von den zunächst 25 Bewerbungen für die Eingangsklasse seien nur zwölf Anmeldungen geblieben, berichtete die Schulleiterin Martina Heß. Einige hätten wegen Mehrfachbewerbungen selbst zurückgezogen, anderen habe die Schule absagen müssen, um die Balance zwischen Regelschülern und Schülern mit Handicap nicht zu gefährden. Aktuell besuchen 18 Schüler die Eingangsklasse. Der Hauptschulzweig wird künftig nicht mehr angeboten.

Für diese geringe Nachfrage beim Realschulzweig der Torwiesenschule gibt es möglicherweise mehrere Ursachen. Eine könnte die fehlende staatliche Anerkennung sein, was bedeutet, dass die Schüler ihre Mittlere-Reife-Prüfung als Schulfremde anderswo ablegen. Martina Heß hofft nun, dass die Schule schon bald die für die Anerkennung notwendige Quote an Lehrern mit zweitem Staatsexamen erreichen wird – nämlich 75 Prozent. Hinzu kommt, dass der privaten Realschule durch die neuen staatlichen Gemeinschaftsschulen, die auch in Stuttgart entstanden sind, eine weitere Konkurrenz erwachsen ist. Und nicht zuletzt ist der Wettbewerb mit jenen privaten Realschulen zu nennen, die im Verbund mit einem Gymnasium geführt werden und den Weg zum Abitur eröffnen.

Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen

Die Erfahrungen der Degerlocher Waldschule weisen in diese Richtung. „Die Realschule hat sich durch den Realschulaufsetzer stabilisiert“, sagt Schulleiter Kai Buschmann. In der erstmals zweizügig angebotenen Aufsetzerklasse können Schüler nach der mittleren Reife bei entsprechendem Notenschnitt und unabhängig von ihrem Profilfach, also auch ohne zweite Fremdsprache, auf Klasse zehn des allgemeinbildenden Gymnasiums wechseln. Dort lernen sie, falls erforderlich, in drei Jahren die Grundlagen der französischen Sprache und erhalten Zusatzstunden in Mathematik, Englisch und Physik. Kai Buschmann nennt aber noch einen weiteren Grund für die jüngste Entwicklung der Schülerzahlen an der Waldschule: die Zunahme an Privatschulangeboten. „Früher waren es immer mehr Bewerber als Plätze – jetzt geht es gerade auf.“

Die Freie Evangelische Schule in Möhringen bietet neben ihrem Werkreal- und Realschulzug zum nächsten Schuljahr erstmals auch ein berufliches Gymnasium an, das mit Klasse acht beginnt. 22 Schüler hätten sich angemeldet, sagt Schulleiterin Carmen Behling. Begonnen wird mit einer Klasse, aber zwei Profilen: einem wirtschaftlichen und einem sozialwissenschaftlichen Profil. Rund die Hälfte der Schüler kennen die Schule bereits: als Realschüler, aber auch als ehemalige Grundschüler, die vom allgemeinbildenden Gymnasium zurückwechseln. Auch in der Realschule bilde man erstmals drei Eingangsklassen. „Dadurch mussten wir nicht so viele Schüler abweisen“, sagt Behling. Anders als bei vielen staatlichen Schulen wird es hier auch in der Hauptschule eine fünfte Klasse mit mehr als 20 Schülern geben. Die staatliche Gemeinschaftsschule sei wohl keine Konkurrenz, meint Behling.

Neue Perspektiven anbieten

Genau diesen Weg will die Torwiesenschule einschlagen und die gymnasiale Perspektive über den Weg als Gemeinschaftsschule erreichen. Die Genehmigung stehe noch aus, aber vom nächsten Schuljahr an werde man Elemente der Gemeinschaftsschule wie individualisierten Unterricht einführen. Dann, so hofft Schulleiterin Martina Heß, könne sie auch begabtere Kinder aus der eigenen Grundschule am Standort halten. Denn als Gemeinschaftsschule müsse man auch gymnasiale Anforderungen erfüllen.

Die Torwiesenschule kann dann einen weiteren Trumpf ausspielen: die Erfahrung im Umgang mit einer heterogenen Schülerschar. Für die Schüler der Regelklassen ist das Miteinander mit geistig behinderten oder psychisch gehandicapten Schülern längst selbstverständlich. Dieses Plus werde von manchem potenziellen Realschüler jedoch als Minus wahrgenommen, hat Heß festgestellt. Auch wenn Eltern dies meist anders sähen.