Endlich mal ausschlafen! Mit seinem Vorschlag wollte ein Stuttgarter Stadtrat länger schlafenden Schülern helfen – und nebenher noch die Feinstaubbelastung reduzieren. Doch sein Antrag fiel beim Staatlichen Schulamt durch.

Stuttgart - Eule oder Lerche? Genau darauf komme es an, meint Ralph Schertlen. Der Einzelstadtrat von den „Stadtisten“ hat dabei aber keine Vögel im Blick, sondern die Schulkinder. Und ganz nebenbei auch den Feinstaub. Aber eines nach dem anderen: mit seinem Vorschlag, für die Langschläfer unter den Schülern eine Modellklasse einzurichten, die später anfängt, wollte der Stadtrat offenbar gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nun scheint sein unorthodoxer Vorschlag an der Realität zu scheitern.

 

Der Vorschlag des Stadtrats geht ins Leere

„Um den ÖPNV insbesondere zu Stoßzeiten zu entlasten, soll die Verwaltung bei ausreichend großen Stuttgarter Schulen darauf hinwirken, parallele Schulklassen mit biorhythmusfreundlichem zeitlichen Versatz hinsichtlich der täglichen Unterrichtszeiten ins Leben zu rufen“, schreibt Schertlen, dem die Zählgemeinschaft mit der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus einen Sitz samt Stimme im Umwelt- und Technikausschuss beschert hat, in einem Antrag an die Stadtverwaltung. Doch sein Vorschlag, das Schulverwaltungsamt damit zu beauftragen, „in Abstimmung mit dem Staatlichen Schulamt die Vorbereitungen für einen Modellversuch an einer Stuttgarter Schule zu treffen“, geht ins Leere, was außer Schertlen wohl kaum jemanden wundern dürfte.

Schulamt kann sich für den Vorschlag nicht erwärmen

Denn Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) reichte den Antrag kommentarlos, was bei ihr ungewöhnlich ist, an das Staatliche Schulamt weiter, da die Stadt nicht zuständig sei. Doch auch Schulamtsleiterin Ulrike Brittinger kann sich nicht so recht für Schertlens Vorschlag erwärmen. Dabei hatte der doch so eine umfassende Argumentationskette vorgelegt: Wenn ein Teil der Schüler erst um 9.30 oder 10 Uhr zur Schule kommen würde, würde dies Busse und Bahnen frühmorgens entlasten und somit mehr Transportkapazitäten für Berufspendler ermöglichen, was wiederum die Feinstaubbelastung reduzieren würde. Vor allem aber wären dann die Nachteulen unter den Schülern bei Klausuren, aber auch beim Lernen durch ihren Biorhythmus nicht mehr benachteiligt, wie Studien belegten. Nicht zuletzt würden auch Lehrereulen und Familien profitieren, meint Schertlen.

„Wir halten das weder für organisatorisch umsetzbar noch für zielführend“, erklärte Brittinger der StZ. Denn die Mehrheit der Schüler, vor allem in der Grundschule, komme ohnehin zu Fuß oder mit dem Rad in die Schule. „Wie soll eine Schule Eulen und Lerchen in Lerngruppen einteilen?“ Zumal sich das in der Pubertät ändere. In der Realität sind Schulleiter bekanntlich schon froh, wenn es gelingt, Ganztags- und Halbtagskinder gut zu organisieren.

Kein öffentliches Interesse an „späten“ Klassen

Schertlens Behauptung, dass sowohl die Verwaltung als auch die Öffentlichkeit großes Interesse an der Einführung von späten Klassen habe, weist Brittinger als unzutreffend zurück. Weder Eltern noch Schulleitungen hätten diesen Wunsch je geäußert. Ganz zu schweigen von den Sportvereinen, für die sich dann die Möglichkeit von Hallenbelegungen noch weiter nach hinten schieben würde.

Brittinger räumt allerdings ein, dass Menschen unterschiedlich seien, was ihre Aktivität frühmorgens oder abends angehe. Insofern stecke hinter dem Antrag „eine richtige Überlegung“. Doch diesem Punkt komme man durch den offenen Unterrichtsbeginn in der Ganztagsschule und die individuellen Lernzeiten in der Gemeinschaftsschule entgegen. Pädagogik halt. Als Gegenmaßnahme zum Feinstaub taugt dieses Instrument freilich kaum.