Die ehemalige Spitzen-Athletin Verena Bentele hat die Bad Boller Gemeinschaftsschüler für ihr Engagement gelobt – und gezeigt, dass Blindheit kein Hemmnis sein muss.

Region: Corinna Meinke (com)

Bad Boll - Einen Vormittag lang hat sich Verena Bentele, die sich für den inklusiven Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung einsetzt, Zeit genommen, um die Heinrich-Schickhardt-Schu

 

le in Bad Boll kennenzulernen. Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen war mit der Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens (SPD) angereist, um mit Lehrern, Eltern und Schülern über den inklusiven Schulalltag zu sprechen.

Eine der ersten inklusiven Gemeinschaftsschulen

In der Bad Boller Gemeinschaftsschule werden rund 600 Mädchen und Jungen unterrichtet, von denen 40 mit einer Behinderung leben. Der Weg zur Inklusion begann an dieser Schule mit Außenklassen der benachbarten Blumhardt-Förderschule, bevor gemeinsame Klassen eingerichtet wurden. Landesweit betrachtet, war die Schickhardtschule eine der ersten Gemeinschaftsschulen, die mit dem eigentlich schularttypischen, inklusiven Konzept an den Start ging. Inzwischen wurde die Blumhardt-Förderschule geschlossen, nachdem hier nur noch sieben Schüler unterrichtet worden waren.

„Wir werden es uns nicht leisten können, beide Systeme professionell zu erhalten“, erklärte Verena Bentele in diesem Zusammenhang. Die von Geburt an blinde ehemalige Spitzenathletin und zwölffache Paralympics-Siegerin wirbt als Beauftragte der Bundesregierung für den Ausbau inklusiver Klassen in allen Schulformen.

Berufsschulen sollen ebenfalls inklusiv werden

Im Gespräch mit Bad Boller Eltern forderten diese die Einführung der Inklusion vor allem auch an Berufsschulen, damit inklusiv beschulte Kinder mit Handicap, die längst gelernt hätten, sich weitgehend selbstständig an allgemeinbildenden Schulen zurechtzufinden, auf dem Weg ins Berufsleben nicht automatisch im zweiten Arbeitsmarkt landeten. Eine Mutter monierte, dass den Bad Boller Schulabgängern bis jetzt gar nichts anderes übrig bliebe als im Anschluss, bis zum Ende der Schulpflicht mit 18 Jahren, die Göppinger Förderschule zu besuchen.

Der Schulalltag in Bad Boll funktioniert offenbar vor allem, weil sich das Kollegium voll einsetzt und der Rektor die Mehrarbeit rund um die Inklusion nach eigenem Bekunden halt in seiner Freizeit erledigt. „Unsere Kinder können hier sehr gut reifen und sie lernen fürs Leben“, sagte die Elternbeiratsvorsitzende Petra Grus im Gespräch mit Verena Bentele. Allerdings bleibe zu viel Arbeit an Eltern, Lehrern und auch an den Kindern hängen, die sich sehr für ihre Mitschüler mit Handicap einsetzten. „Zwei Stunden Förderung pro Kind in der Woche sind zu wenig“ lautete das Fazit von Grus. Von Lehrerseite wurde moniert, dass die Fortbildungsangebote zur Inklusion stets überbelegt seien und Inklusion in der Lehrerausbildung keinen verpflichtenden Studieninhalt darstelle. Der Rektor Thomas Schnell wünscht sich außerdem eine bessere personelle Versorgung mit Sonderpädagogen, um in allen inklusiven Klassen Lehrertandems bilden zu können.

Heike Baehrens setzt sich für assistierte Ausbildung ein

Nachdem Verena Bentele im Gespräch mit Schülern im Alter von neun bis 15 Jahren ihren sportlichen und schulischen Werdegang erläutert und die Schüler für ihren gegenseitigen Einsatz gelobt hatte, entspann sich eine Debatte über die berufliche Zukunft der Schüler mit Handicaps. Ein Vater forderte über die bestehenden Bildungspartnerschaften hinaus die Einbeziehung von IHK und Berufsverbänden, um die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung im Geist der bekannten UN-Konvention voran zu treiben.

Heike Baehrens, die dem Göppinger Kreisbehindertenring vorsitzt, will sich bei der Agentur für Arbeit für mehr Plätze für assistierte Ausbildung einsetzen. Diese sei nicht teurer als ein Arbeitsplatz in einer beschützenden Werkstatt ergänzte Bentele, die dafür persönliche Budgets fordert.