Schuldenverbot hin oder her – die Politik findet immer einen Weg, wie sie an frisches Geld kommt. Ein Kommentar von StZ-Autor Reiner Ruf.

Stuttgart - Winfried Kretschmann mag als Ministerpräsident manchen Kummer gehabt haben, an einem fehlte es ihm nie: Geld. Seit Übernahme der Regierungsgeschäfte 2011 flutet ein beständig breiter werdender Strom an Steuereinnahmen die Landeskasse. Damit lässt es sich bequem regieren. Jeden Tag dürfen sich Grüne und Schwarze gegenseitig ein Geschenklein überreichen, Küsschen links, Küsschen rechts – kein Wunder, dass die Koalition hält.

 

Da ist es selbstverständlich, dass Grün-Schwarz im Etat 2018/2019 auf neue Schulden verzichtet. Die aktuelle Geldschwemme heißt aber nicht, dass das Land nachhaltig für das vom Jahr 2020 an geltende Verschuldungsverbot gerüstet ist. Was die Regierung als „strukturelle Einsparungen“ verbucht, stellt sich mitunter als schnelllebig heraus und ist längst zurückgenommen – wie etwa die Absenkung der Anfangsgehälter der Beamten. Nachdenklich stimmt auch die Erfindung von „impliziten Schulden“ in Form eines Sanierungsstaus bei der Infrastruktur. Damit vermeidet die Regierung die angesichts der Rekordeinnahmen eigentlich fällige Tilgung expliziter, also echter Schulden. Implizite Schulden sind ein Etikettenschwindel, der erahnen lässt, dass es der Politik gelingen wird, auch nach wirksam werden des Verschuldungsverbots Umgehungstatbestände zu schaffen, um an frisches Geld zu gelangen.