Drei Jahrzehnte lang hat Griechenland über seine Verhältnisse gelebt. Jetzt bekommt es die Rechnung präsentiert.

Athen - Illusionen macht sich der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou keine: "Wir drohen in unseren Schulden zu ertrinken", warnt er. "Entweder wir ändern uns - oder wir gehen unter."

Tatsächlich ist die Lage des Landes dramatisch. Die Schuldenspirale dreht sich immer schneller. Das schmälert die Bonität des Landes und verteuert die Kreditaufnahme. Defizite und Schuldenlast nehmen so weiter zu, die Kreditwürdigkeit leidet noch mehr - ein Teufelskreis, der Griechenland in die Staatspleite zu führen droht. Das restliche Europa reagiert schockiert auf dieses Finanzdesaster. Dabei war die Krise seit langem absehbar. Ihre Wurzeln reichen zurück bis in die achtziger Jahre, als Griechenland von Andreas Papandreou regiert wurde, dem Vater des heutigen Premiers.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass er den verhängnisvollen Kreislauf in Gang setzte, den sein Sohn nun verzweifelt anzuhalten versucht. Hemmungslos verteilte der Linkssozialist damals Wahlgeschenke auf Pump, schleuste Zehntausende von Parteigängern in den Staatsdienst und verbrannte Milliarden mit der Verstaatlichung maroder Industrien. In acht Regierungsjahren steigerte Papandreou senior die Staatsschuld von 23 auf fast 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Vetternwirtschaft und Verschwendungssucht


Obwohl Griechenland schon 1981 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft wurde, schien die Athener Schuldenpolitik niemanden in Brüssel sonderlich zu beunruhigen. Sie führte zwar zu hohen Inflationsraten und astronomischen Zinsen, doch das konnten die Griechen mit periodischen Abwertungen ihrer Drachme kaschieren. Seit dem Beitritt zur Eurozone aber stehen dem Athener Finanzminister die Instrumente der Geld- und Wechselkurspolitik nicht mehr zur Verfügung. Deshalb deckt die Währungsunion nun die griechischen Haushaltssünden schonungslos auf.

Schon den Euro erschwindelten sich die Griechen mit frisierten Inflations- und Defizitdaten. Dann gab der konservative Premier Kostas Karamanlis dem Land den Rest. Hemmungslose Vetternwirtschaft und Verschwendungssucht prägten seine Amtszeit. Als er 2004 antrat, beliefen sich die Staatsschulden auf 183 Milliarden Euro. Bei seiner Abwahl im vergangenen Oktober waren es fast 300 Milliarden. Drei Jahrzehnte lang hat Griechenland über seine Verhältnisse gelebt. Jetzt bekommt es die Rechnung präsentiert. Die Europäische Zentralbank beteuert: bezahlen müssen sie die Griechen, Hilfe von der Gemeinschaft können sie nicht erwarten.

Das wäre tatsächlich der Sündenfall, denn damit würde die ganze Währungsunion in den griechischen Schuldenstrudel hineingezogen. Das weiß auch Papandreou, der beteuert, wir werden die Krise aus eigenen Kräften meistern. Er hat die chronischen Ursachen der Misere klarer erkannt und benannt als alle seine Amtsvorgänger. Im Finanzdesaster offenbart sich auch eine schwere Krise des politischen Systems. Korruption und Klientelwirtschaft lähmen das Land, das marode Bildungssystem gefährdet seine Zukunft. Der Staat und seine Institutionen haben das Vertrauen der Bürger verloren. Darin liegt eine Ursache für die grassierende Steuerhinterziehung, deren Bekämpfung einer der Schlüssel zur Bewältigung der Finanzprobleme ist.

Papandreou bleibt gar nichts anderes übrig, als die Herausforderung dieser Krise anzunehmen. Es geht nicht nur um die Konsolidierung der maroden Staatsfinanzen. Auch das außenpolitische Gewicht und die innere Stabilität des Landes stehen auf dem Spiel. Mit seinem überzeugenden Wahlsieg vor drei Monaten hat Papandreou ein klares Mandat bekommen. Aber kann er die Griechen hinter sich scharen, Gewerkschaften und Opposition auf einen gemeinsamen Kraftakt einschwören? Wenn es ihm nicht gelingt, wird es wohl keiner schaffen. Papandreou hat nichts zu verlieren. Und die Griechen haben alles zu gewinnen.