Eine Schwäche beim Umgang mit Zahlen wird bei Kindern oft spät entdeckt, und bei der Hilfe sind die Familien häufig auf sich alleine gestellt. Therapien sind teuer, aber durchaus effektiv.

Stuttgart - Anna (Name geändert) war ein unauffälliges Kind, auch beim Einschultest. „Sie konnte schon im Kindergarten lesen, ohne dass wir mit ihr geübt haben“, sagt ihre Mutter Andrea Müller (Name geändert). Auch in der ersten Klasse lief noch alles gut. Erst in der zweiten Klasse fiel auf, dass Anna kein Verständnis für Zahlen hatte – „mit dem Zehnerübertritt“, berichtet ihre Mutter. „Für 17 plus drei reichten die Finger nicht mehr zum Rechnen.“ Die Lehrerin riet: „Feste üben.“ Das tat Andrea Müller. „Ich hab mit ihr jeden Tag geübt, stundenlang. Aber sie konnte mit den Zahlen nichts anfangen. Es war, als ob man komplett ins Leere übt.“

 

Die anderen Kinder spielten, Anna übte. Ohne Erfolg. Dann kamen die Bauchschmerzen. „Schließlich hat sie sich komplett verweigert“, berichtet Müller – auch in den anderen Fächern, in denen sie gut war. „Ich war verzweifelt. Ich wusste, da stimmt was nicht.“ Hinzu kam, dass Anna nicht einkaufen gehen wollte, weil sie mit Geldsummen nichts anfangen konnte. Dass sie immer zu spät kam, weil sie die Uhr nicht lesen konnte. „Wenn man zu ihr sagt ‚halb zwei’, meinte sie eine halbe Stunde nach zwei“, weiß die Mutter noch.

Kein Leitfaden für den richtigen Umgang

Erst durch eine Veranstaltung des Gesamtelternbeirats zum Thema Teilleistungsschwächen habe sie von der sogenannten Dyskalkulie erfahren – einer Rechenschwäche, die wie auch die Lese-Rechtschreibschwäche nichts mit der Intelligenz zu tun hat.

„Das Problem ist: Wer testet das?“, sagt Müller. „Es gibt keinen richtigen Leitfaden, wie man damit umgehen kann.“ Sie habe Anna bei einem privaten Institut testen lassen, auf eigene Kosten. Anschließend kam Anna drei Jahre in Therapie – „das hat uns 9900 Euro gekostet“, sagt Müller – aber es habe sich gelohnt. Anna, die immer leiser gesprochen und sich nicht mehr getraut habe, Gedichte vor der Klasse vorzutragen, habe nach und nach ihr Selbstbewusstsein wieder gewonnen. „Sie hatte super Noten – außer in Mathe.“ Da reichte es immerhin für eine Vier. Zum Glück sei die verbindliche Grundschulempfehlung gefallen. Die Lehrerin riet zur Werkrealschule, doch die Familie folgte dem Rat der Therapeutin und meldete Anna an der Realschule an.