Elf Schüler betreuen am Dillmann-Gymnasium eigene Bienenstöcke. Sie beobachten fasziniert, dass in der Wirklichkeit passiert, was die Theorie des Biologieunterrichts sie lehrte.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Die Bio-Lehrerin Stefanie Tridico hat sich gerade noch bei zwei Schülern erkundigt, ob die Stiche vom letzten Mal gut verheilt seien, da drängen die Sechst- und Siebtklässler schon ins Freie, um 8000 Bienen aus einer Plastikkiste zu schütteln. Nach mehreren Versuchen plumpst der wuselige Klumpen tatsächlich herunter. Kinderköpfe beugen sich darüber, irritierte Bienen fliegen auf. „Jetzt muss man dem Schwarm sagen, wo seine neue Heimat ist“, sagt Stefanie Tridico. Er soll in eines der Bienenhäuser aus Holz einziehen, die die Bienen-AG des Dillmann-Gymnasiums bei der Schule aufgestellt hat.

 

Aber so hopplahopp geht das nicht. Noch liegt der Schwarm benommen auf einem Haufen vor seiner neuen Hütte. „Es vibriert und es fühlt sich warm an wie ein Tierfell“, sagt Rafael Anastassiades, der jetzt die Hand auf den Haufen legt. Auch die meisten der übrigen zehn Kinder aus der AG betten ihre Hände auf dem Bienenschwarm. „Man muss keine Angst haben“, erklärt Rafael seelenruhig. „Das ist wie bei einem Hund: Der tut dir nichts, wenn du ihm nichts tust.“ Dass es in der Woche davor trotzdem zwei Mitschüler erwischt hat, erklärt Magdalena Bušic mit der Panik der Tiere: Die Bienen seien unter die Kleidung gekrabbelt „Da ist es eng, sie kriegen Angst und stechen.“

Bei Feuer werden sie cool

Die Bienen beziehen ihr schönes neues Domizil erst, wenn die Königin darin Quartier genommen hat. Das kann dauern, auch das Zuckerwasser als Lockstoff beschleunigt die Sache nicht wesentlich. Die Schüler zeigen eine bewundernswerte Geduld. Sie wissen, wie Bienen ticken, welche Prozesse jetzt ablaufen. Im Bio-Unterricht haben sie viel über die Lebensorganisation diese Insekten erfahren, und seit ein paar Wochen beobachten sie fasziniert, dass in der Wirklichkeit tatsächlich passiert, was die Theorie sie lehrte. Immer mittwochs trifft sich die AG am Nachmittag, um ihre Bienen zu betreuen und zu beobachten. Jeweils zwei Schüler kümmern sich um einen Stock. Die zwei Schulstunden verfliegen im Nu, meist wird überzogen.

Angeleitet werden die Elf- bis Dreizehnjährigen von zwei Biolehrerinnen und dem Stuttgarter Imker David Gerstmeier von der Demeter-Imkerei Summgart. Von ihm stammen auch die Bienenvölker, er hat sie selbst eingefangen. Während die neuen Tiere noch etwas orientierungslos vor ihrer neuen Domizil herumschwirren, wollen die Schüler nachsehen, was die bereits sesshaften Bienen in ihren Stöcken so treiben. Dazu müssen sie zunächst buchstäblich den Rauch reinlassen: Das Dach des Holzkastens wird abgenommen und mit einer speziellen Tabakspfeife Rauch hineingeblasen, damit die Tiere sich beruhigen. Denn Bienen reagieren bei Gefahren wie Feuer völlig anders als Menschen: besonnen. Anstatt kopflos und panisch umherzuschwirren, werden sie plötzlich ganz ruhig und „bringen dann erst mal ihre Sachen in Sicherheit“, erklärt Chiara Baumann und zieht behutsam einen Rahmen heraus.

Der Mensch als Kultivator

Die Bienen waren in der vergangenen Woche fleißig: Das Wabengeflecht hat sich ausgedehnt. Wenn der Rahmen komplett mit Waben und Honig ausgefüllt sein wird, wiegt er um die drei Kilo, erklärt der Imker. Fünf Rahmen stecken in jedem Stock. Die Schüler können sich also auf eine ansehnliche Ernte freuen. Aber es darf auch schon vorgekostet werden. Chiara hält den Mitschülern den Rahmen hin und sie streichen behutsam mit den Fingern über die Waben, aus denen die klebrig süße Masse trieft.

Doch um die Ausbeute geht es gar nicht. „Der Weg ist das Ziel“, sagt Imker David Gerstmeier. „Im Vordergrund stehen das Beobachten und Begleiten der Tiere und die konkrete Erfahrung. Wir haben nur wenig Theorie vorab gemacht und sind bald ins Freie gegangen. Auf diese Art wird eine Beziehung zur Natur geschaffen. Die Schüler werden als Kultivierende aktiv und lernen die Aufgaben des Menschen in der Natur kennen.“ Die Schüler haben mittlerweile die Königin in dem Gewusel ausgemacht und einige Larven haben sie auch entdeckt. Das Größte auf der Welt wäre jetzt, sie schlüpfen zu sehen, findet Rafael.