Die stetig steigenden Flüchtlingszahlen zwingen die Schulen und das Land zum Handeln. Allein in Stuttgart wird es künftig 72 internationale Vorbereitungsklassen geben; das sind doppelt soviele wie bisher.

Stuttgart - Die Krisenherde der Welt machen sich immer stärker auch in Stuttgarts Schulen bemerkbar. Im nächsten Schuljahr werden in der Landeshauptstadt 72 internationale Vorbereitungsklassen an Grundschulen, Hauptschulen und Werkrealschulen eingerichtet; das sind doppelt so viele wie bisher. Damit reagiert das Staatliche Schulamt auf die stetig steigenden Flüchtlingszahlen. „Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Schuljahr 400 Flüchtlingskinder unterbringen müssen“, sagt Matthias Kaiser, der stellvertretende Leiter des Staatlichen Schulamts Stuttgart. Kaiser sagt aber auch: „Es könnten sogar noch mehr werden, da in den vergangenen Monaten alle Prognosen von der Realität überholt worden sind.“

 

Die Vorbereitungsklassen sollen neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen helfen, möglichst schnell deutsch zu lernen. Ziel ist es, den Zuwanderern damit den Weg in die regulären Klassen zu ebnen. Das allerdings ist für die Lehrer schwierig. Die Vorbereitungsklassen sind ein Sammelbecken unterschiedlicher Nationalitäten, auch das Bildungsniveau der Kinder variiert stark. Im Extremfall sitzt der Analphabet aus Eritrea neben dem spanischen Kind, das im Heimatland ein Gymnasium besucht hat. Was das Unterrichten zudem erschwert, ist ein steter Wechsel in den Klassen. Immer wieder kommen Schüler dazu, die neu nach Stuttgart gezogen sind, andere fallen wieder heraus.

Der Klassenteiler liegt bei 24 Schülern

Ulrike Brittinger, die Leiterin des Staatlichen Schulamts Stuttgart, weist deshalb seit Monaten darauf hin, dass ein Klassenteiler von 24 Kindern in so heterogenen Klassen zu hoch sei. Die Schulamtsleiterin mahnt weitere Verbesserungen an: Wichtig sei zudem eine Anhebung der wöchentlichen Unterrichtsstunden. Derzeit bekommen die Grundschüler in den Vorbereitungsklassen 18 Stunden Unterricht in der Woche, 24 Wochenstunden sind es bei den Klassenstufen fünf bis zehn.

Das Staatliche Schulamt fordert zudem, die Zugewanderten in den Ganztagsschulbetrieb zu integrieren, was allerdings nur möglich sei, wenn das Land die Lehrerstunden erhöhen würde. „Die Kinder würden dann ein optimales Sprachbad bekommen“, sagt Kaiser. Unterstützung erhielten Brittinger und Kaiser von Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU), die in einem Brief an Kultusminister Andreas Stoch (SPD) ebenfalls Nachbesserungen angemahnt hat.

Die Zahl der Deputate soll erhöht werden

Wie es aussieht, haben sie Gehör gefunden: Ohne ins Detail gehen zu wollen, kündigte ein Sprecher des Kultusministers am Mittwoch an: „Weil mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge und Zuwanderer nach Baden-Württemberg insbesondere in den Vorbereitungsklassen die Herausforderung stetig wächst, arbeitet die Landesregierung an einer Lösung. Dazu ist eine deutliche Erhöhung der Deputate beschlossen.“ Die Höhe solle in den nächsten Tagen bekannt gegeben werden, klar aber sei: „Damit wird sich für die Schulen eine deutliche Verbesserung ergeben“, so der Sprecher

Absehbar ist aber auch, dass sich damit nicht alle Probleme lösen werden. Bisher sind nur an Grundschulen sowie an Haupt- und Werkrealschulen Vorbereitungsklassen angesiedelt, nicht aber an Gymnasien und Realschulen. Das aber wäre aus Sicht von Rose Schubert-Hein vom Jugendmigrationsdienst der Arbeiterwohlfahrt nötig. Die Awo bietet seit November 2012 nachmittags zusätzliche Deutschkurse für ältere Schüler der Vorbereitungsklassen an, um ihnen den Übergang zu erleichtern. „Wir haben viele Schüler, die Gymnasialniveau mitbringen, denen aber Deutsch fehlt.“ Die wären aus Sicht von Schubert-Hein in Vorbereitungsklassen an Gymnasien besser aufgehoben. Seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung aber kämpfen die Gymnasien mit steigenden Schülerzahlen, weshalb vielfach Räume für zusätzliche Klassen fehlen.

Auch Gymnasien müssen Vorbereitungsklassen bilden

Dasselbe Problem stellt sich auch in vielen Ganztagsschulen und in den Gemeinschaftsschulen. Als Beispiele nennt Kaiser die Elise-von König-Gemeinschaftsschule und die Körschtalschule, die wegen Umbauten keine Vorbereitungsklassen aufnehmen können. Auf lange Sicht ist für Kaiser klar: „Da bis 2020 in Stuttgart kontinuierlich Werkrealschulen geschlossen werden, müssen auch Gymnasien und Realschulen Vorbereitungsklassen aufnehmen.“ Sonst fehle es an Standorten.