Seit diesem Schuljahr bieten die Grundschulen im Land ein neues Modell für den Ganztagsbetrieb. Die Nachfrage läuft zögerlich: selbst Kultusminister Stoch hätte mehr Anträge erwartet.

Stuttgart - Das neue Ganztagskonzept an Grundschulen kommt nur langsam in die Gänge. Nach den 172 Schulen, die die erste Möglichkeit genutzt haben und gleich im Herbst 2014 an den Start gegangen sind, sollen im Schuljahr 2015/16 nach Angaben von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) 112 weitere Grundschulen folgen. Die Regierung hatte sich auf eine höhere Nachfrage eingestellt. Doch Stoch zeigte sich optimistisch. Er sei nicht unzufrieden mit der Anzahl, „wenn wir in diesen Schritten weitergehen, kommen wir ganz gut vorwärts“, sagte Stoch. Er räumte jedoch ein, „es hätten auch 30 oder 40 Schulen mehr werden können“.

 

Von den künftigen neuen Ganztagsgrundschulen haben sich nur 15 Prozent für verpflichtenden Ganztagsbetrieb ausgesprochen. Stoch hat aber festgestellt, dass Schulen häufig mit dem offenen, freiwilligen Angebot einsteigen und dann zur Pflichtform übergehen. Nur in gebundenen Angeboten der Pflichtform sind pädagogische Prinzipien wie die Rhythmisierung, der Wechsel von Unterricht, Förderung und Bewegung beispielsweise, sinnvoll umsetzbar. Stoch sagte, „maximale Flexibilisierung stört die Rhythmisierung“. Die Landesregierung hat es aber den Schulen offengelassen, Ganztagsbetrieb an drei oder an vier Tagen mit jeweils sieben oder acht Zeitstunden anzubieten. Auch werden freiwillige Angebote ebenso gefördert wie die gebundene Pflichtform.

Fokus auf die pädagogische Qualität

„Wenn nur die Betreuungszeit das Thema ist, wird es problematisch für die Ganztagsschule“, konstatierte Stoch. Er hofft, „dass wir es schaffen, den Fokus auf die pädagogische Qualität zu richten“. Dann werde man zu mehr verpflichtenden Angeboten kommen. Dennoch sieht der Minister das Land „auf einem guten Weg, dass die Ganztagsschule zunehmend Teil der Schulrealität in Baden-Württemberg wird“. Er nannte es eine „logische Konsequenz“, dass auch Realschulen und Gymnasien mehr Ganztagsbetrieb einrichten. Stoch will den Ausbau an weiterführenden Schulen im Schuljahr 2016/17 in Angriff nehmen.

Positiv entwickelt sich laut Stoch die Zusammenarbeit der außerschulischen Partner mit den Ganztagsschulen. Vereine hatten große Vorbehalte angemeldet. Jetzt sind einer Untersuchung der Jugendstiftung zufolge besonders die Sportvereine gern gesehene Mitwirkende bei den Angeboten im Ganztagsbetrieb. Von den 172 Grundschulen, die schon in diesem Jahr das neue Ganztagsschulkonzept anwenden, wandeln 104 Schulen einen Teil ihrer zusätzlichen Lehrerstunden in Geld um und investieren dies in außerschulische Partner.

Davon profitieren 140 Sportvereine und 75 musikalische Institutionen, abgeschlagen sind die Wirtschaft mit zwei Kooperationen und Naturwissenschaft und Technik mit vier. Ganztag wird angeboten an drei oder an vier Tagen mit jeweils sieben oder acht Zeitstunden. 140 der 172 aktuellen neuen Ganztagsschulen bieten vor Unterrichtsbeginn ein Betreuungsangebot, 107 betreuen nach Unterrichtsende weiter.

Kritiker wollen mehr Flexibilität

Dem Städtetag ist das Modell dennoch zu starr. Es sei nicht möglich, dass eine Grundschule mit verschiedenen Standorten auch unterschiedliche Zeitmodelle anbiete. Auch der Verwaltungsaufwand sei zu hoch. Das Gremium fordert ein Ganztagsschulbudget für die Schulen, das diese selbst bewirtschaften können. CDU und FDP betrachten die Äußerungen des Kultusministers als Schönfärberei. Der Ganztagsausbau berücksichtige die Bedürfnisse der Eltern nur unzureichend, klagt die CDU und fordert „dynamische und flexible Lösungen für den Alltag an der Ganztagsschule“. Die FDP nennt die Bilanz mickrig und verlangt, dass die offene Form der Ganztagsschule mit Unterricht am Vormittag und freiwilligen Angeboten am Nachmittag ins Schulgesetz aufgenommen wird.

Das wäre der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein Dorn im Auge. Gute und von Eltern akzeptierte Ganztagsschulen könnten nur entstehen, wenn sich Unterricht, individuelle Förderung und Zeit zur freien Gestaltung sinnvoll abwechselten. Alle Kinder einer Klasse müssten am Ganztagsangebot teilnehmen.