Abriss? Sanierung? Zusammenlegung? Am maroden Neuen Gymnasium in Feuerbach fordern die Eltern, dass endlich etwas passiert.

Stuttgart - Die Metallstützen an den rissigen Außenwänden des Neuen Gymnasiums haben bereits Rost angesetzt. Sie wurden vor fünf Jahren montiert, um die Hülle des 1956 erstellten Gebäudes statisch abzusichern. Seit mehr als einem Jahr fehlen in den Foyers die Decken. Sie wurden auf Hinweis von Lehrern entfernt, weil die Bauteile herunterzustürzen drohten. Seither ist die nackte Betonrippendecke offen. Probleme bereiten auch die Fenster. Beim Öffnen fielen sie den Lehrern mehrfach entgegen, weil die Scharniere defekt sind. Doch anders als vor einem Jahr im Hölderlin-Gymnasium, als ein herunterstürzendes Fenster zwei Schüler verletzt hatte, gab es im Neuen Gymnasium bisher keine Verletzten. Die Stadt reagierte auf die Vorfälle: Der Hausmeister nagelte die Fenster zu. Seither lassen sich in den Klassenzimmern nur zwei von acht Fenstern öffnen. „Aber richtig durchlüften können wir nicht“, berichtet die Schulleiterin Susanne Heß. Dieses Problem stellt sich im Eingangsbereich nicht. Trotz geschlossener Türen kann frische Luft durch den einen Zentimeter breiten Spalt strömen.

 

Maroder Zustand empört die Eltern

Die Eltern sind empört, denn der marode Zustand dauert schon lange. „Man kann den Schülern doch nicht so eine Bruchbude zumuten“, sagt die stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende Evelyn Koch und verweist auch auf die Toiletten, die sich in traurigem Zustand befinden, sowie auf Fachräume, die sich nicht mehr verdunkeln lassen und somit naturwissenschaftliche Versuche nur begrenzt zulassen. Doch es sieht so aus, als ob sich an alldem so rasch nichts ändert. Die Schäden sind zwar bei der Stadt dokumentiert. Die Schule gehört zu den acht dringlichsten Vorhaben unter den 48 priorisierten Sanierungen auf der Liste, die das Büro Drees und Sommer im Auftrag der Stadt erstellt hat. Die Kommune hat jahrzehntelang die Bauunterhaltung vernachlässigt und steht nun mit dem Rücken zur Wand.

Bei der Analyse der 465 Schulgebäude ergaben sich 2000 Mängel. Das verschärfte den Druck auf Gemeinderat und Stadtverwaltung. Bis Ende 2016, so wurde es in den Haushaltsberatungen beschlossen, sollen die Schäden beseitigt sein. Dafür werden von 2012 bis 2016 insgesamt 254,8 Millionen Euro investiert.

Zusammenlegung in Erwägung gebracht

Doch es gibt noch ein weiteres Problem. Die Stadt sieht sich aufgrund der veränderten Schülerströme gezwungen, die Schulstandorte insgesamt so umzugestalten, dass sieben zusätzliche Gymnasialzüge und fünf zusätzliche Realschulzüge dabei herausspringen. Dabei soll unter anderem auch eine Zusammenlegung des Neuen Gymnasiums mit dem unmittelbar benachbarten Leibniz-Gymnasium geprüft werden – welches ebenfalls sanierungsbedürftig ist. Erwogen wird ein gemeinsamer Schulcampus. Da ist es wenig sinnvoll, vorher mit den Sanierungen anzufangen.

Abriss oder Sanierung?

„Wir sind gerade dabei, die Prüfaufträge im Rahmen des Schulentwicklungsplans mit der Sanierungsliste zu verzahnen“, berichtet Karin Korn, die Leiterin des Schulverwaltungsamts. „Selbstverständlich hat das Neue Gymnasium wegen seines dringenden Sanierungsbedarfs hier absolute Priorität“, betont Korn. Sie räumt selber ein: „Die Schule sieht sehr ungemütlich aus.“ So überlege man einerseits, wie die Fachräume beider Schulen logistisch vernünftig zusammen genutzt und auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden können. Andererseits müsse zuvor grundlegend geprüft werden, ob die jetzige Gebäudestruktur im Neuen Gymnasium überhaupt zukunftsträchtig sei und womöglich ein Abriss wirtschaftlicher sei als eine Sanierung.

Konkret bedeute das, dass das Hochbauamt mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt werden müssen. Um diesen Prozess zu begleiten, hat der Gemeinderat dem Schulverwaltungsamt zusätzliche Stellen bewilligt, die jedoch erst ausgeschrieben werden müssen. Wegen der Dringlichkeit werde man aber versuchen, bereits vorher auf die Schulen zuzugehen. Denkbar sei, die Entwicklung mit den Schulen gemeinsam in Form eines Workshops voranzutreiben. „Es wird auch an den Schulgemeinden liegen, wie schnell der Prozess läuft und man sich einigt“, meint Korn. „Für uns ist es ein Zeitziel, bis zum nächsten Doppelhaushalt 2014/15 zu wissen, wie es weitergeht.“ Korn betont allerdings: „Alle sicherheitsrelevanten Mängel müssen sofort behoben werden.“

‚Ihr werdet ja saniert‘

Zu denen gehören am Neuen Gymnasium weder die Toiletten noch die Wände in den Fluren. „Die hätten dringend Farbe nötig“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende Monika Rau. Schüler, Eltern und Lehrer hätten das gern in Eigenregie übernommen, wie in den Klassenzimmern bereits geschehen. „Aber dafür“, so bedauert Rau, „gibt es jetzt kein Geld mehr von der Stadt – es heißt jetzt immer: ‚Ihr werdet ja saniert.‘“

Unterdessen versucht die Schulgemeinde, mit selbst gebauten Bänken, bunten Kissen und neuen Stühlen in den Foyers und Gängen dem Schmuddeleindruck entgegenzutreten, den die fehlenden Treppensockelfliesen, die Löcher und Wasserspuren an den Decken sowie die abgeblätterte Farbe an Fenstern und Fassaden beim Betrachter entstehen lassen.

Bei den Schulanmeldungen hat sich der trostlose Zustand des Gebäudes noch nicht niedergeschlagen. „Die gute pädagogische Arbeit hat die Eltern wohl doch überzeugt“, meint Evelyn Koch. Dass es auch zu den Aufgaben der Schulleitung gehört, die Kontrollkeile in den Rissen der Außenwände zu überprüfen, daran hat sich Susanne Heß gewöhnt. „Wenn sie herausfallen, müssen wir das melden – dann kommen sofort die Männer von der Statik.“