Die Stadt will ihre Bildungslandschaft neu ordnen. Es sollen neue Gymnasien gegründet, aber Standorte auch komplett geschlossen werden.

Stuttgart - In den nächsten neun Jahren kommen auf die Schulstandorte weit reichende Veränderungen zu. Auf Basis eines umfassenden Schulentwicklungsplans, den das Büro GUS im Auftrag der Stadt erarbeitet hat, soll das Raumangebot der unterschiedlichen Schularten den veränderten Schülerströmen, den pädagogischen Erfordernissen und den landespolitischen Vorgaben angepasst werden. Nach zahlreichen Vorgesprächen mit Schulen und Bezirken hat Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann daraus Empfehlungen abgeleitet.

 

Diese umfassen unter anderem die Auflösung von zehn Haupt- und Werkrealschulen, die Neueinrichtung von zwei Gymnasien an bisherigen Hauptschulstandorten (Steinenbergschule in Hedelfingen und Friedensschule im Westen), die Zusammenlegung von zwei Grundschulen (Degerloch) und zwei Gymnasien (Feuerbach), die Auflösung der Grundschule Ostheim und der dortigen Raichberg-Realschule, im Gegenzug soll am Hauptschulstandort Altenburgschule (Hallschlag) eine neue Realschule eingerichtet werden und die Schlossrealschule an den Standort Heusteigschule (Süd) umziehen, welche ganz aufgelöst werden soll.

Eisenmann begrüßt Gemeinschaftsschulen

Hintergrund dieser Pläne: "Wir müssen auf die veränderten Schülerzahlen reagieren", sagte Eisenmann auf Anfrage. "Der Drang auf die Gymnasien wird immer größer, der Druck auf die Realschulen wird nach der sechsten und siebten Klasse ebenfalls stärker, während die Haupt- und Werkrealschulen überproportional viele Schüler verlieren." Der geplante Wegfall der Grundschulempfehlung wird diesen Trend verstärken. Kurzum: die Gymnasien und Realschulen platzen aus allen Nähten, den meisten räumlichen Platz gibt es bei den Hauptschulen. Dies mache ein umfassendes Revirement erforderlich. Die Schulbürgermeisterin betont jedoch: "Das ist kein Sparpaket, sondern ein gigantisches Investitionsprogramm."

Ziel sei, die Schulstandorte zu stärken und auch die Sanierungen, Modernisierungen und Neubauten darauf abzustimmen. Neu ist, dass an einzelnen Standorten unterschiedliche Schularten zu einem Schulcampus zusammengeführt und eine gemeinsam zu nutzende Infrastruktur erhalten sollen. Dies eröffne zugleich neue pädagogische Möglichkeiten - seien es die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen oder die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, sei es der gemeinsame Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern. Hierfür werden zudem mehrere Standortverbünde von Schwerpunktschulen und ein Konzept für die Einrichtung von Außenklassen vorgeschlagen. Gemeinschaftsschulen von der ersten bis zur zehnten Klasse hält Eisenmann übrigens - wie auch der Städtetag - "aus sozialen Gesichtspunkten nicht für begrüßenswert", da hiermit auch eine Auflösung der Grundschulbezirke verbunden wäre.

Gleichbleibende Schülerzahlen bis 2020

Insgesamt werde die Stadt jedoch bis zum Jahr 2020 gleichbleibende Schülerzahlen haben. "Der Knick, der immer prognostiziert wurde, tritt definitiv nicht ein", so Eisenmann. Allerdings entwickelten sich die Schülerströme in den einzelnen Bezirken unterschiedlich. So gebe es im Stuttgarter Norden, in Bad Cannstatt und auch in der Innenstadt steigende Schülerzahlen, in den meisten Außenbezirken blieben diese stabil, nur auf den Fildern würden die Schülerzahlen stetig sinken.

Diese Entwicklung wurde für jeden der insgesamt sieben Planungsbereiche, in die die Stadt und ihre Schulstandorte für das Vorhaben aufgeteilt wurden, akribisch festgehalten. Gleiches gilt für die zahlreichen Stellungnahmen und weiteren Vorschläge von Schulen und Bezirken. Auch sie finden sich bis hin zu Wortprotokollen aus Beiratssitzungen in dem umfangreichen Werk, das die Dicke eines Telefonbuchs aufweist. Der Umfang rührt auch von der Vielzahl an Planungsvarianten her, die für jeden der sieben Planungsbezirke festgehalten wurden. Insgesamt wurden 344 Modellvarianten erarbeitet und diskutiert.

Beschlossen ist bis jetzt noch nichts

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass es in einzelnen Bezirken heiße Diskussionen geben wird. Denn der Schulentwicklungsplan 2009 bis 2020 listet zwar alle möglichen demografischen und schulartenspezifischen Entwicklungen auf, bewertet aber nicht die unterschiedlichen pädagogischen Bemühungen und Innovationen. So wehrt sich beispielsweise der Degerlocher Bezirksbeirat vehement gegen die vorgeschlagene Auflösung der Filderschule. Aus der vor einigen Jahren als zweitbeste Hauptschule Deutschlands ausgezeichneten Hauptschule, die inzwischen erfolgreich eine Außenklasse mit geistig Behinderten integriert hat, soll nach Empfehlung der Stadt eine gut ausgestattete, große Ganztagsgrundschule werden, während das Gebäude der Albschule künftig den Raumbedarf der Fritz-Leonhardt-Realschule und des Wilhelmsgymnasiums decken soll.

Beschlossen ist bis jetzt noch nichts. Am 8. Juni wird das Thema in den Verwaltungsausschuss eingebracht, am 10. Juni im Schulbeirat vorgestellt. Bis zum Herbst sollen die möglichen Varianten in allen Bezirken ausführlich diskutiert und beraten werden. Am 27. Oktober entscheidet der Gemeinderat. "Wir wollen konkrete Prüfaufträge vom Gemeinderat bekommen", sagt Eisenmann. Erst dann könne im Detail geklärt werden, wie viel Geld die Stadt in ihre Schulstandorte und in zusätzliches Personal für Prüfung, Vorbereitung um Umsetzung der Maßnahmen investieren muss.

Werden größere Umbauten erforderlich, so können diese frühestens im Doppelhaushalt 2014/15 beschlossen werden. Die Handlungsempfehlung für Degerloch etwa könnte jedoch, so Eisenmann, bereits in zwei Jahren umgesetzt werden: "Die räumlichen Voraussetzungen sind ja da." Die Bürgermeisterin betont, dies wäre kein Mangel an Wertschätzung. Man müsse jedoch darauf reagieren, wenn eine Schule ein Problem habe, ihre Klassen zu füllen. "Das ist kein Qualitätsproblem, sondern ein Quantitätsproblem."

Die Stuttgarter Zeitung wird die Planungsempfehlungen für die einzelnen Bezirke in lockerer Folge im Detail vorstellen.

Die Schließungen und Neugründungen im Detail

Auflösung: Wegen sinkender Schülerzahlen schlägt die Stadt die Schließung von zehn der 34 Haupt- und Werkrealschulen vor: Filderschule, Friedensschule, Heusteigschule (komplett, Grundschüler werden aufgeteilt), Altenburgschule, Steinenbergschule, Ameisenberg-, Raitelsberg-, Österfeld-, Steinbachschule; Hohensteinschule und Hauptschule Stammheim sollen am Standort der Parkrealschule zusammengelegt werden.

Neugründung: Wegen des starken Zulaufs sollen zwei neue Gymnasien entstehen: eines am Standort der Steinenbergschule in Hedelfingen, eines am Standort der Friedensschule im Westen. Eine neue Realschule soll in der Reiterkaserne eingerichtet werden.

Ausbau: In Feuerbach sollen das Leibniz- und das Neue Gymnasium zusammengelegt und zu einem Campus Feuerbach ausgebaut werden. Etliche Realschulen sollen vergrößert werden, meist durch Gebäudetausch oder Nutzung frei werdender Hauptschulräume. Die Raichberg-Realschule im Osten soll schließen.

Schulzentren: An einigen Standorten strebt die Stadt Campuslösungen für unterschiedliche Schularten an. Zentrale Ganztagseinrichtungen wie Mensa, Arbeitsplätze für Schüler und Lehrer werden gemeinsam genutzt, auch Zusatzbauten.