Ein Fragebogen, den die Stadt als Basis für ihre Schulentwicklungsplanung nimmt, hat viele Eltern verunsichert. Der Schulamtsleiter Michael Siegel will die Wogen glätten. Die Ganztagsgrundschule, Ursache der Kritik, nimmt er aber keineswegs von der Agenda.

Korntal-Münchingeen - Wie soll sich die Schulstadt Korntal-Münchingen entwickeln? Die Stadt hat die Eltern befragt – und Aufregung ausgelöst. Das Thema Gemeinschaftsschule weckte kaum Emotionen – die Möglichkeit, die Ganztagsgrundschule einzuführen, dagegen sehr.

 
„Aus Sicht der Verwaltung führt ab 2015 kein Weg an der Ganztagsgrundschule vorbei.“ Dieser Satz von Ihrem Stellvertreter Jörg Henschke vom Mai 2013 wird unter Eltern von Kindergartenkindern derzeit heiß diskutiert. Gilt er weiterhin?
Dieser Satz muss vor seinem Hintergrund gesehen werden. Um die Nachfrage nach Betreuung zu befriedigen, haben wir den Gemeinderat im Mai gebeten, eine neue Hortgruppe in Korntal einzurichten. Das Personal dazu haben wir allerdings nur auf zwei Jahre befristet eingestellt. Denn uns liegen seit dem Jahr 2011 die Anträge fast aller Gemeinderatsfraktionen vor, die Einführung einer Ganztagsgrundschule für Korntal-Münchingen zu prüfen. Zudem gibt es das Ziel der Landesregierung, dass 70 Prozent der Grundschulen bis zum Jahr 2023 Ganztagsbetrieb anbieten. Ich betone allerdings: In Korntal-Münchingen ist nichts entschieden. Wir haben noch nicht mal die Ergebnisse der Umfrage.
Im Mai 2013 argumentierte die Verwaltung auch mit den Kosten. Ist eine Ganztagsschule für die Kommune billiger als das Modell Kernzeit-Hort?
Das lässt sich schwer abschätzen und ist in keinem Fall das alleinige Argument. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass die Ganztagsschule zu Kosteneinsparungen führen kann. Derzeit gibt die Stadt im Jahr bis zu 600 000 Euro für die Kernzeit und Hort aus, 150 000 Euro bekommen wir an Landeszuschüssen zurück. Die Ganztagsgrundschule finanziert dagegen überwiegend das Land. Allerdings gehen wir davon aus, dass wir in den Randzeiten, morgens und am Nachmittag sowie in den Ferien weiterhin Betreuungsangebote machen müssen. Zudem wissen wir nicht, ob an unseren Grundschulen die Raumkapazitäten ausreichen. Womöglich gäbe es nicht genug Platz, und wir müssten umbauen lassen. Das lassen wir derzeit prüfen.
Denkt man an die Gemeinderatssitzung vor Weihnachten, besteht für viele Eltern kein Änderungsbedarf. Sie sind hochzufrieden mit dem Angebot. Kernzeit und Hort bietet Flexibilität und die Möglichkeit, die Kinder nachmittags zu Hause zu haben.
Wir wollen nun die Ergebnisse des Fragebogens abwarten, um zu sehen, wie repräsentativ die Rückmeldungen sind. Wir haben tatsächlich viele kritische Zuschriften von Eltern bekommen. Aber wir finden auch, dass es wichtige Argumente für die Ganztagsschule gibt. Der Unterricht wird entzerrt, und – Stichwort Chancengleichheit – die Betreuung ist kostenlos, was alleinerziehende Eltern entlasten würde.
Aber die Kinder müssten verbindlich bis zu vier Nachmittage in der Schule sein und könnten andere Angebote wie Musikschule oder Pfadfinder nicht mehr nutzen.
Es gibt verschiedene Modelle. Eines sieht etwa vor, dass die Schüler an drei Tagen sieben Stunden in der Schule sind. Dies könnte unter anderem ein Modell für Korntal-Münchingen sein, mit dem ein gewisses Maß an Flexibilität erhalten bleibt. Denn die Eltern können frei entscheiden, ob sie ihr Kind zum Ganztag anmelden. Im Übrigen besuchen viele Kinder unsere Grundschulen auch nur halbtags.
Kann die Stadt nicht beides anbieten?
Das ist durchaus möglich. Allerdings bedeutet die Einrichtung einer Ganztagsschule, dass wir keine Landesförderung für weitere kommunale Betreuungsangebote bekommen. Möglich dagegen wäre es, an einer Grundschule das eine Modell, an einer anderen das andere anzubieten. Das Schulgesetz lässt Umschulungen zu.
Mal angenommen, das Ergebnis der Elternumfrage spricht eindeutig für den Fortbestand des Modells Kernzeit-Hort. Womöglich ziehen daraufhin einige Fraktionen ihren Antrag zurück – es ist Wahlkampf . . .
Lassen Sie uns zunächst jetzt einmal die Ergebnisse der Befragung abwarten. Auf dieser Grundlage wollen wir einen Arbeitskreis mit allen Beteiligten einrichten. Dazu gehört die Verwaltung, die Politik, dazu gehören Eltern, die Schulen, auch das Staatliche Schulamt. Es geht darum, das Thema Ganztagsunterricht an der Grundschule umfassend zu beleuchten: Wir wollen ein Modell für unsere Stadt finden, das möglichst viele Interessen berücksichtigt. Ob es hier am Ende eine Ganztagsgrundschule geben wird, bleibt abzuwarten. Wir wollen gerne noch mit dem aktuellen Gemeinderat die Ergebnisse der Arbeitsgruppe auswerten. Es soll noch vor den Sommerferien Ergebnisse geben.
Was wollen die Leiter der Grundschulen?
Sie äußern sich uns gegenüber bislang zurückhaltend. Deswegen halten wir es für wichtig, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und miteinander zu reden. Klar ist, dass keine Schule gegen ihren Willen zur Ganztagsgrundschule werden kann. Im Eckpunkte-Papier des Landes steht: Für den Antrag des Schulträgers ist die Zustimmung der Schulkonferenz notwendig.