Der Andritz-Konzern aus Graz ist im Südwesten nicht nur bei Schuler mit von der Partie. In Baden-Württemberg beschäftigt er rund 3000 Mitarbeiter – fast so viele wie in Österreich. Der Vater von Andritz-Chef Wolfgang Leitner war noch Schlosser im Unternehmen – der Sohn gehört heute zu den reichsten Männern Österreichs.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Göppingen - Wir haben in Deutschland mehr Mitarbeiter als in Österreich“, sagt Wolfgang Leitner. Nach Meinung von Beobachtern ist es selten, dass sich der Vorstandschef und Mehrheitsaktionär der österreichischen Andritz-Gruppe öffentlich äußert. Häufiger fast sind die Firmenkäufe des Konzerns aus Graz. Zwischen 1990 und 2016 vergrößerten die Österreicher ihr Imperium um mehr als 70 Unternehmen. Der größte Happen war der Erwerb des Pressenherstellers Schuler in Göppingen. An diesem hält Andritz inzwischen 95 Prozent der Anteile und könnte die restlichen Aktionäre abfinden. Leitner aber will diese keineswegs loswerden: „Die freien Aktionäre stören uns nicht“, sagt der Andritz-Chef, „wir sind froh und dankbar darüber, dass wir dieses Unternehmen von Herrn Robert Schuler-Voith kaufen konnten“.

 

Schuler war der größte Kauf – aber lange nicht der einzige

Schuler ist mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro und rund 4100 Beschäftigten, davon 2500 in Baden-Württemberg, der größte Bereich der Konzernsparte Metals. Vor Schuler hatte das österreichische Traditionsunternehmen 2004 bereits Kaiser-Pressen aus Bretten gekauft. Seitdem Andritz bei Schuler das Sagen hat, werden in Bretten keine Pressen für die Autohersteller mehr produziert, sondern für Zulieferer.

Weitere größere Standorte im Südwesten sind Ravensburg mit 490 Mitarbeitern und Schwäbisch Gmünd mit 200 Beschäftigten. In Ravensburg werden bei Andritz Hydro (gekauft 2006) Komponenten für Wasserkraftanlagen wie etwa Turbinen produziert, in Schwäbisch Gmünd stellt Andritz Ritz, erworben 2010, Pumpen für die unterschiedlichsten Flüssigkeiten her. Bei Komponenten für Wasserkraftanlagen ist Andritz ein Konkurrent von Voith in Heidenheim. Die Österreicher machen in diesem Bereich einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro, Voith von 1,4 Milliarden Euro. Doch nicht nur dort treffen die beiden Unternehmen aufeinander – Wettbewerber sind sie auch bei Papiermaschinen. Einem Umsatz von knapp 2,1 Milliarden Euro bei Andritz stehen 1,5 Milliarden Euro bei Voith gegenüber. Anlagen zur Papierherstellung- und Bearbeitung werden von den Österreichern allerdings nicht in Baden-Württemberg produziert. Wichtigster deutscher Standort ist Krefeld. Ein weiteres größeres Werk im Südwesten betreibt Andritz in Gechingen bei Calw. Dort stellt das 2013 gekaufte Unternehmen Andritz Mewa Zerkleinerungsmaschinen für das Recycling von Schrott, Altreifen und Abfällen her.

Wettbewerber werden nicht gekauft

Zur Strategie der Steiermärker gehört, dass Andritz keine Wettbewerber kauft – Voith muss also keine Angst haben, irgendwann als weiteres schwäbisches Unternehmen auf dem Wunschzettel von Andritz zu stehen. „Voith ist außerdem nicht zu kaufen“, meint Leitner – und sicher hätten auch die Kartellbehörden etwas dagegen. „Jede Gesellschaft muss aus eigener Kraft wettbewerbsfähig sein“, sagt der Andritz-Chef zu einem weiteren Baustein seiner Strategie. Konzerninterne Quersubventionen für längere Zeit gibt es nicht, „wenn ein Unternehmen Probleme hat, helfen wir aber gerne“. Und nicht nur dies: „Wenn die Hilfe nicht angenommen wird, kommen wir aber auch uneingeladen“.

Doch so groß die Zahl der Zukäufe war, so gering war dabei die Bedeutung der Banken: „Wir haben dazu keine Kredite gebraucht“, berichtet Leitner. Das indes bedeutet nicht, dass er und seine Mitaktionäre darben müssen: „Wir schütten in der Regel die Hälfte des Gewinns aus“, meint er zur Dividendenpolitik. Er selbst hält direkt oder indirekt etwas mehr als 30 Prozent des an der Wiener Börse notierten Unternehmens, 70 Prozent sind Streubesitz. Das früher häufiger kränkelnde Unternehmen präsentiert sich heute als Mischkonzern mit einem Umsatz von rund sechs Milliarden Euro und weltweit mehr als 25  000 Mitarbeitern. Ehrgeiziges Ziel des Konzerns ist ein durchschnittliches Wachstum von acht Prozent im Jahr. In diesem Jahr dürfte der Umsatz jedoch leicht zurückgehen.

Dass Andritz keine Wettbewerber kauft , hat möglicherweise auch Vorteile für die Sicherheit der Stellen: „Wenn eine Familie ihr Unternehmen verkauft, möchte sie, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben“, so die Erfahrung des Andritz-Chefs. „Und wir haben die von uns erworbenen Unternehmen immer weiterentwickelt, aus Konzerngründen wird nicht abgebaut“. Natürlich, so meint Leitner, könne es keine unbedingte Bestandsgarantie geben: „Wir sind abhängig vom Geschäft“.

Start-up in Israel

Zum „Geschäft“ gehört für ihn organisches Wachstum, dazu können aber auch weitere Zukäufe gehören. „Wir haben immer eine Liste an Technologien und Produkten, die uns interessieren, von daher ergibt sich dann vielleicht etwas“. Beteiligt ist Andritz bereits an einem Start-up in Israel sowie an verschiedenen Wagniskapital-Firmen. Die einzelnen Unternehmen in der Gruppe werden offenbar eher an der langen Leine geführt, solange die Zahlen gut sind, aber es gibt auch Zusammenarbeit, etwa beim Einkauf: „Der Einkäufer der Firma A soll durchaus wissen, was der Einkäufer der Firma B für ein bestimmte Produkt bezahlt hat“, sagt Leitner zu der Kooperation. Und Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen gibt es auch bei einem Stichwort, das den Weg in die industrielle Zukunft weisen soll: Bei der Digitalisierung.

Spaß machen die Digitalisierung – und der Bauernhof

Gerade dass er es jetzt auch damit zu tun hat, macht Leitner nach seinen eigenen Worten großen Spaß. So jedenfalls lautet seine Antwort auf die Frage, wie sich der promovierte Chemiker und spätere McKinsey-Mitarbeiter denn nun als Unternehmenschef fühle. Dass er diese Karriere machen würde, wurde ihm nicht in die Wiege gelegt: Der Vater war Schlosser in der inzwischen aufgegebenen Gießerei von Andritz in Graz: „Wir haben uns zu Hause immer als Arbeiterfamilie gefühlt“, sagt Leitner.

Heute leitet er nicht nur eines der zehn größten Unternehmen Österreichs, sondern gehört auch zu den reichsten Bewohnern der Alpenrepublik. Doch so sehr ihm die Digitalisierung, die die industrielle Produktion beschleunigen soll, auch am Herzen liegt – außerhalb der Arbeit sieht dies etwas anders aus: „Zu meinen Freizeitbeschäftigungen gehören meine Landwirtschaft und mein Wald. Da denkt man in langen Zeiträumen.“ Dies, das findet er dann doch, „ist sehr schön im Vergleich zur schnelllebigen Industrie“. Doch dass er in Baden-Württemberg ein landwirtschaftliches Anwesen kauft, dürfte unwahrscheinlich sein. Dann doch eher wieder einmal einen Industriebetrieb.