In einer turbulenten Sitzung fand der Gemeinderat am Donnerstagabend einen Konsens für die Schulkindbetreuung. Die CDU-Fraktion hatte das Gremium zuvor mächtig ins Schwitzen gebracht – mit einem Antrag, der erst eine Stunde vor der Sitzung eingereicht wurde.

Stuttgart - In Stuttgart haben Eltern von Grundschulkindern künftig die Wahl zwischen einer Halb- oder einer Ganztagsschule. Vorübergehend gibt es an einigen Standorten auch Schülerhäuser. Horte werden aber zu Auslaufmodellen. Der Gemeinderat hat das Rahmenkonzept am Donnerstag in einer ungewöhnlich spannenden Sitzung bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen. An der Entscheidung konnten weder demonstrierende Eltern mit lauten Zwischenrufen etwas ändern noch der für alle Seiten überraschend eingebrachte und zum Schluss mit klarer Mehrheit abgelehnte Antrag der CDU-Fraktion.

 

Gerade mal eine Stunde vor Beginn der Ratssitzung hatten die Christdemokraten den Antrag gestellt, an Grundschulstandorten mit Halbtags- oder Halbtags- und Ganztagszügen den Eltern zusätzlich Kernzeitbetreuung, Schülerhäuser oder Horte anzubieten – dauerhaft. Damit torpedierte die Fraktion alles bisher Beschlossene inklusive der Position von Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU), die wie ihre Bürgermeisterkollegen nicht über den Antrag informiert war. Auch der neue OB Fritz Kuhn (Grüne) zeigte sich davon überrascht: „Der Antrag setzt den Konsens über das bisherige Konzept aus. Die Stadt hat bisher einen eindeutigen Kurs gehabt bei der Einführung der Ganztagsschulen.“ Die Verwaltung müsse zwar schauen, dass den Wünschen der Eltern Rechnung getragen werde. Aber, so Kuhn: „Wir können keine Parallelstrukturen schaffen.“ Und er frage sich, weshalb dies nicht schon in den Ausschüssen beraten worden sei.

Eisenmann kommentierte den Vorstoß ihrer Parteifreunde so: „Damit macht der Bildungsstandort Stuttgart keinen Schritt nach vorn.“ Parallelstrukturen zum Ausbau der Ganztagsschulen zu schaffen sei nicht finanzierbar. Vor allem aber lasse sich somit nicht der immense Mangel an Betreuungsplätzen für Schulkinder beheben. Nur 19 Prozent von ihnen seien versorgt. Derzeit fehlten 5000 bis 6000 Plätze. „Die Eltern gehen davon aus, dass wir das Thema kurzfristig angehen.“ Doch der Ausbau sei schon räumlich nur in den Schülerhäusern umzusetzen, also in vorhandenen Schulgebäuden. Mit dem geplanten Ausbau der Schülerhäuser könnten im nächsten Herbst 52 Prozent der Schulkinder versorgt werden.

Sozialbürgermeisterin wirbt um Bündelung der Kräfte

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer, die die um einige Details ergänzte und veränderte Beschlussvorlage inzwischen ebenfalls mitgezeichnet hat, bewertete die lautstarken Zwischenrufe der Eltern „als Wertschätzung für unsere Horte“. Und genau deren Standards, so betonte sie, werde man auf das Konzept der Ganztagsschulen übertragen. Auch die Träger mit ihrem in der Schulkindbetreuung erfahrenen Personal würden dort eingesetzt, darunter auch das Jugendamt. Fezer warb für eine Bündelung der Kräfte – „und zwar ganz und gar in den Ausbau der Ganztagsschulen; wir dürfen das Konzept nicht verwässern.“

Zustimmung für ihr nach vielen Debatten immer wieder modifiziertes Rahmenkonzept zur Ganztagsbetreuung erhielten die beiden Bürgermeisterinnen von den Fraktionen – mit Ausnahme der „Republikaner“, die Ganztagsschulen als „Zwangsintegrationsmaßnahme“ ablehnen. Für Grüne, SPD und SÖS/Linke steht im Vordergrund, dass Ganztagsschulen nachweisbar mehr Bildungsgerechtigkeit ermöglichten. Den CDU-Antrag bewertete Vittorio Lazaridis (Grüne) als „blanken Populismus, unkollegial und unprofessionell und die peinlichste Nummer, die ich je im Gemeinderat erlebt habe“.

Rat lässt sich Ganztagsschulen etwas kosten

Iris Ripsam (CDU) erklärte, man wolle den bisherigen Weg nicht aufkündigen, sondern den Eltern flexible Betreuungsangebote machen. CDU-Fraktionschef Kotz verteidigte den Antrag damit, man wolle Betreuungsplätze „nicht vergeuden“. Der Vorschlag von Christoph Gulde (Freie Wähler), die Kernzeit für Halbtagskinder eventuell über 14 Uhr hinaus auszudehnen, soll später beraten werden. Die bereits im Dezember beschlossene Aussetzung des Aufnahmestopps bei Horten für das kommende Jahr bestätigte der Rat.

Der Rat lässt sich die Ganztagsschulen etwas kosten – bei 72 Grundschulen 3,2 Millionen Euro pro Jahr mehr, als die Verwaltung vorgeschlagen hatte. Der laufende Betrieb kommt somit auf rund 28 Millionen Euro. Die Investitionen werden bei rund 3,5 Millionen Euro pro Schule insgesamt auf 230 Millionen Euro beziffert – 62 Millionen davon sind finanziert.