Zwei Schultypen unter einem Dach: lange Zeit galt dies als zukunftsweisende Alternative zur umstrittenen Gemeinschaftsschule. Doch in Süßen wird daraus nichts. Und in Rechberghausen steht die alteingesessene Verbundschule vor dem Aus.

Göppingen - Die neue Vielfalt der Bildungslandschaft bietet den Kommunen zahlreiche Möglichkeiten, sich als Schulstandort zu profilieren. Doch einfach tun sich die Kommunen im Kreis damit nicht. Unklare und wechselnde Vorgaben stiften Verwirrung, die Schulpolitik ist längst zur Glaubenssache geworden.

 

„Wir wissen ja gar nicht mehr, wo wir dran sind“, erklärt der Süßener Bürgermeister Marc Kersting und fordert mehr verlässliche Vorgaben für die regionale Schulentwicklung. Der CDU-Schultes ist zuletzt durch ein rechtes Wechselbad gegangen. Zuerst ermutigte das Kultusministerium die Stadt, die Gemeinschafts- und die Realschule zu fusionieren. Dann stellte das Ministerium fest, dass man die Realschule erhalten solle, weil es sonst weit und breit keine mehr gäbe. Gleichzeitig gab das Kultusministerium bekannt, die Realschulen insgesamt stärken zu wollen. Dann wiederum erfuhr Kersting auf Nachfrage von einem Ministerialdirigenten, dass das Land die Wahl der Schulform ganz klar dem Schulträger, also den Kommunen überlasse.

Die Realschule sträubt sich

Der verunsicherte Süßener Bürgermeister schlug daraufhin dennoch vor, die Fusion zurückzunehmen und nur eine Verbundschule anzustreben. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass die Realschule und deren Schulleiter Wolfgang Fischer nach anfänglicher Aufgeschlossenheit nun keinen Hehl mehr daraus machen, dass sie sich nur ungern in eine Gemeinschaftsschule eingliedern möchten. Bisher haben sich beide Schulen kaum aufeinander zubewegt. Die Mehrheit der Räte hielt jedoch am Plan der Fusion fest. „Die Verunsicherung, wohin die Entwicklung gehen soll, ist insgesamt einfach immens“, klagt Kersting. Eltern, Lehrern, Schulen und Kommunen sei mehr gedient, wenn endlich klare Regelungen für eine langfristige Planungssicherheit bei der Schulentwicklung kämen. Sonst seien Kommunen und Eltern mit der Vielfalt leider alleingelassen.

Während sich Süßen auch durch die Einmischung der beiden schulpolitisch konkurrierenden Landtagsabgeordneten Nicole Razavi (CDU) und Sascha Binder (SPD) durchgeschüttelt sieht, bleiben die Bremsspuren der Schulpolitik andernorts nahezu unbeachtet. Wie in Rechberghausen zum Beispiel.

Die Schüler bleiben weg

Trotz offenbar geglückter mehr als 30-jähriger Partnerschaft einer Realschule mit einer Werkrealschule im Verbund der Schurwaldschule droht hier der Ausverkauf des schwächeren Partners, der seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung ausblutet. In der fünften und der sechsten Klasse der Werkrealschule konnten jeweils nur noch zehn Kinder eingeschult werden, was die Rote Karte für diesen Zweig der Verbundschule bedeutet. Das alles, obwohl hier eine gemeinsame Schulleitung und ein gemeinsames Kollegium den pädagogischen Schulterschluss praktizieren und die Konrektorin und kommissarische Schulleiterin Ingeborg Bader die enge Zusammenarbeit lobt, wonach sich das pädagogische Knowhow der Hauptschullehrer mit der Fachlichkeit der Realschulpädagogen bestens ergänze und Kinder mit größerem Förderbedarf wie schnelle Lerner mit Gymnasialempfehlung jeweils individuell unterrichtet werden.

„Bei uns erhalten die Kinder durch die intensive Betreuung großen Rückhalt, und dank dieser Anerkennung lernen sie viel leichter“, ergänzt die Konrektorin. Rechberghausens Bürgermeister Reiner Ruf, dessen Gemeinde zusammen mit Adelberg, Birenbach und Börtlingen als Schulträger fungiert, hat sich offenbar schon damit abgefunden, dass nur die Realschulabteilung eine Zukunft haben wird.

Ruf rechnet auch künftig mit einer stabilen Dreizügigkeit der Schurwaldschule, und das Etikett betrachtet der Schultes, der am Ort auch eine Gemeinschaftsschule nicht ausschließt, offenbar als zweitrangig, zumal die Realschulen nun auch Hauptschulprüfungen abnehmen dürfen.

Auch in Göppingen macht sich die Stadtverwaltung gegenwärtig Gedanken, wie die Schullandschaft der Zukunft aussehen soll. Vier Werkrealschulen gibt es in der Stadt. Doch wie viele von ihnen werden am Ende dieses Jahrzehnts noch bestehen? Wie viele dürfen sich zur Gemeinschaftsschule verändern, wie es der Albert-Schweitzer-Schule gelang? Oder führt das Modell der Sekundarschule zum Erfolg, das die Walther-Hensel-Schule erprobt? „Wir alle wissen nicht, wo der Weg noch hinführt“, sagt die Vorsitzende des Göppinger Gesamtelternbeirats, Stephanie Hansert-Schupp.

Das Vorgehen der städtischen Schulverwaltung unter der Leitung von Ulrich Drechsel und Sozialbürgermeisterin Gabriele Zull, nun ein Konzept zu erstellen, das die räumlichen Gegebenheiten, den Einzugsbereich, die Bedürfnisse der Eltern und die Profilierungen der Schulen berücksichtigt, hält sie für richtig. Die Kinder, die in dieser Übergangszeit die Schulen besuchen, sieht sie übrigens keineswegs als Opfer. „Eigentlich peilt das Land eine Zweizügigkeit an, momentan haben wir eine gefühlte Sechszügigkeit“, sagt sie. „Es ist doch recht erfreulich, dass es so viele Konzepte in der Stadt gibt.“