Dass ein international renommiertes Büro an einem Schulhaus plant, in dem 70 Kinder unterrichtet werden sollen, halten Stadträte für wenig sinnstiftend.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Die Bauplaner von Drees und Sommer schrecken auch bemerkenswerte Größenordnungen nicht. Im Auftrag der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator haben sie an den Plänen für eine ökologische Vorzeige-Stadt mitgearbeitet, die aus der Steppe wachsen soll. In der Region Stuttgart dürfte das Mercedes-Museum das bekannteste Projekt des Büros sein. In ihm verteilen sich 43 000 Quadratmeter Fläche auf neun Ebenen. Die mongolische Retorten-Stadt breitet sich auf 25 Millionen Quadratmeter aus.

 

Die Planer von Drees und Sommer schrecken aber auch Kleinaufträge nicht. Die neue Grundschule im Herrenberger Stadtteil Haslach soll etwas mehr als 1000 Quadratmeter messen, verteilt auf zwei Stockwerke – oder etwas weniger als 1000 Quadratmeter, verteilt auf einem Stockwerk. Mit endgültiger Sicherheit ist darüber nicht entschieden. Aber das Planungsbüro hat jede denkbare Entscheidung vorbereitet, in aller Gewissenhaftigkeit. Ungeachtet der Referenzen von Drees und Sommer beschlich manchen Stadtrat der Verdacht, es sei nicht sonderlich sinnstiftend, ein international renommiertes Büro mit der Planung eines Hauses zu beauftragen, in dem 70 Kinder unterrichtet werden sollen. Sechs Millionen bis 6,5 Millionen Euro soll der Neubau kosten. Auch dies ist nicht endgültig entschieden. Denn gemäß guter Planer Sitte hat Drees und Sommer nicht nur ein Schulhaus kalkuliert, sondern drei Varianten, von minimal bis maximal.

Der Preis steigt von geschätzten 3,5 auf bis zu 6,5 Millionen

Ursprünglich hatte der Baubürgermeister Tobias Meigel den Neubau auf 3,5 Millionen Euro geschätzt. Beim Blick auf den neuen Preis „haben auch wir trocken geschluckt“, sagte er, „aber das Bauen ist mittlerweile einfach erschreckend teuer“. Mangelnde Sorgfalt hat kein Stadtrat dem Büro vorgeworfen. Eher das Gegenteil: Allein der Vortrag zur 30-seitigen Zusammenfassung der Studie dauerte eine Dreiviertelstunde. „Die Studie selbst ist wesentlich umfangreicher“, sagte Meigel.

Niemand zweifelt, dass die Schule gebaut werden muss. Im alten Schulhaus waren die Kinder jahrelang unter Lebensgefahr unterrichtet worden. Der Bau ist so marode, dass er hätte zusammenbrechen können, und darf nur noch übergangsweise benutzt werden, nachdem die Dachbegrünung entfernt wurde. Außerdem verstößt er gegen den Brandschutz-Vorschriften.

Mehrere Stadträte zweifeln aber daran, „dass immer alles so kompliziert werden muss“, wie es Thomas Deines für die Freien Wähler formulierte. Der Sozialdemokrat Bodo Philipsen sagte, ihn verwundere nicht nur „der Umfang der Studie und die Länge des Vortrags“, sondern auch das Ergebnis der Arbeit. „Das ist das alte Denken in Klassenzimmern“, sagte er. „Das wird keine Schule von morgen, sondern eine von gestern.“ Die Planer hatten vorab die Wünsche aller Beteiligten eingeholt.

Der Vorarbeit folgt erst noch ein Architektenwettbewerb

Dies wohlgemerkt für eine sogenannte Realisierungsstudie. Die gleicht einem Entwurf für erst einzuholende Entwürfe. Der Arbeit von Drees und Sommer wird ein Wettbewerb von Architekten für die besten Pläne und Bauunternehmen für die günstigste Verwirklichung folgen. „Dafür haben wir nun eine sehr gute Grundlage“, sagte Meigel. Der Auftrag muss europaweit ausgeschrieben werden. Dies ist Gesetz. Am Ende entscheidet eine Jury über die Einsendungen. Die Christdemokraten hätten gern ein einziges Unternehmen mit Planung und Bau beauftragt, scheiterten mit diesem Vorschlag aber mangels Mehrheit.

Für die Vorbereitung und Betreuung des Wettbewerbs wird der Stadtkämmerer 80 000 weitere Euro an Drees und Sommer überweisen. Allerdings „kenne ich keine Stadt, die einen solchen Wettbewerb selbst durchführt“, sagte Meigel. Der Aufwand sei mit eigenem Personal nicht zu leisten. Bis die Stadt Projekte in anderen Größenordnungen angeht, dürfte Herrenberg trotzdem nicht mehr in der Kundenliste von Drees und Sommer stehen. „Wir nehmen mehr als zur Kenntnis, dass sie sich ein schlankeres Verfahren wünschen“, sagte der Oberbürgermeister Thomas Sprißler, „dann machen wir es künftig anders.“