In unserer Schulserie stellen wir Menschen vor, die einst auf den Schulbänken der Filder-Schulen saßen und mittlerweile bekannt geworden sind. Heute: der Rechtsanwalt Holger Rothbauer.

Möhringen - In unserer Schulserie stellen wir Menschen vor, die einst auf den Schulbänken der Filder-Schulen saßen und mittlerweile bekannt geworden sind. Heute: der Rechtsanwalt Holger Rothbauer.

 
Meine Schulen:
1971-1975 Karlsschule, 1975 Königin-Charlotte-Gymnasium
Spitzname:
Holle
Leistungskurse:
Chemie und Geschichte
Lieblingsfach:
Geschichte
Hassfach:
Französisch, das habe ich mit Genuss abgewählt.
Mitgliedschaft in AGen:
Schulzeitung der SMV, Hardrockband, Friedens-AG und Umwelt-AG
Lieblingslehrer:
Dr. Hofacker, mein Geschichtslehrer. Am Anfang war sein Unterricht schleppend, doch sobald wir zum Mittelalter und zur industriellen Revolution kamen, war er brillant! Und Reinhold Schmid, mein Religionslehrer, welcher mich in Klasse 10 aus dem „Dornröschenschlaf“ aufgeweckt hat.
Ein Fach, das der Schule gefehlt hat:
„Allgemeines Zurechtkommen in einer Gesellschaft“! Also Sachen wie Bewerbungen, Vorstellungsgespräche, Steuererklärung, Versicherungen, Systeme wie den Bezirks- und Gemeinderat, einfach praktische Lebensfragen…
Meine Rolle in der Klasse:
Vom Durchschnittsschüler und eher Klassenkasper hin zum Schülersprecher.
Meine perfekte Lunchbox:
Da war eine Banane drin, dann der Joghurt aus der Joghurtmaschine von Mama und ein Vesperbrot mit Salami oder gerauchtem Schinken.
Mein Lieblingsort in der großen Pause:
Mich hat man, obwohl ich nie geraucht habe, immer in der Raucherecke angetroffen.
Mein Schwarm in der Schulzeit:
Es gab jemanden, den ich sehr umschwärmt habe, sie war später auch meine Co-Schulsprecherin. Ich habe ihr aber nie sagen können: „Du ich finde dich klasse. Wie wäre es mit uns zwei?“. Ich war einfach viel zu schüchtern, ich habe aber ihr zuliebe Zeitungsartikel über Schulen und Möhringen ausgeschnitten. Sie hat das nämlich gemacht und ich dachte, wenn ich ihr erzähle, dass ich das auch mache, dass sie mich dann mehr mag oder in ihr Herz schließt. Ich war auch oft bei ihr zuhause um dann Zeitungsartikel auszutauschen.
Absolutes Highlight meiner Schulkarriere:
Die Rede als Schülersprecher bei der Umzingelung des gesamten Schulgeländes. Wir konnten die Schüler-Lehrer-Kette um die ganze Schule schließen, da haben mehrere hundert Menschen mitgemacht. Und da meine erste öffentliche Rede zu halten, im Wissen um die Brisanz der Aktion, das war Nervenkitzel! Zudem waren wir die erste Klasse, die in die DDR fahren durfte, da unsere Schule im Wahlkreis des damaligen Kultusministers Mayer-Vorfelder war. Unser Bewusstsein war damals nicht nach links-rechts geordnet, sondern wir haben uns einfach orientiert. Wir haben gesagt, dass Atomraketen einfach schlecht sind und wenn solche uns um die Ohren fliegen, sind wir tot. Und dann dieses Gefühl, bei diesen Menschen zu sein, auf die Teile der Raketen gerichtet sind und die uns umgekehrt erzählten: „Wir wissen, dass wir sowjetische Raketen haben, die auf euch gerichtet sind.“ Diese Gespräche hätten nie stattfinden dürfen, da ist bei der Organisation in Eisennach etwas schief gelaufen und so war auf einmal in der Herberge eine gleichaltrige FDJ-Gruppe neben uns. Die hätte uns eigentlich nie treffen dürfen. Es gab eine Art Vorhang, der dort notdürftig zwischen unsere beiden Gruppen gehängt worden war und diesen haben wir dann, wie die Mauer, einfach weggerissen.
Mein genialster Streich:
Wir haben als Abistreich sämtliche Eingänge der Schule, und davon gab es viele, mit Kuhmist dicht gemacht. Und das wirklich anhängerweise, da konnte dann niemand in die Schule rein. Es war ein riesiges Happening! Ich glaube der damalige Vizedirektor hat auch die Polizei angerufen. Wir waren dann nicht nur destruktiv, sondern haben richtig Party gemacht mit einem Gettoblaster im Schulhof, Getränken und Essen mit etwa 100 Abiturienten. Es war gigantisch!
Eine erinnerungswürdige Aktion...:
gab es während der kritischen Phase des NATO-Doppelbeschlusses und des Verbots von Mayer-Vorfelder an den Schulen irgendwelche Meinungsäußerungen von sich zu geben. Wir hatten neben einer Menschenkette, die Umzingelung unserer Schule geplant und durchgeführt, trotz massivster Drohungen. Ich musste davor noch zum Direktor, der mir den Kopf gewaschen hat und dann meinte: „Das kannst du doch nicht machen, der Ruf der Schule und dann bekommen Lehrer Disziplinarverfahren, das ist der Untergang!“ Aber wir haben das trotz sehr unterschiedlicher Ansichten geregelt. Wir sind dann los und haben eine Menschenkette gebildet und hatten Transparente gegen Aufrüstung, Atomwaffen und gegen die Stationierung von Pershings hier bei uns.
Eine lustige Erinnerung:
Ich habe ja in der Hardrockband „Divine Victims“ gespielt und ich hatte immer meinen Ökojoghurt, den meine Mama zuhause gemacht hat, auf meinem Keyboard stehen. Die anderen meinten immer: „Holle, wie peinlich ist das denn!“ Da waren sie alle Rocker mit Lederklamotten und dann kommt der Rothbauer mit seinem Ökojoghurt, seinen Ökolatschen und seiner roten Latzhose! Bei uns gab es zwei Lager die „Coolen“ und die „Braven und Engagierten“. Und ich war fast der Einzige, der sich in beiden Gruppen bewegt hat.
Das Nützlichste und das Unnützeste, was ich gelernt habe:
Das Unnützeste waren für mich Exponentialgleichungen und Ableitungen. Ich glaube, ich hab das bis heute nicht verstanden. Das Nützlichste war, zu verstehen, dass ich den Raum, den ich in der Schule habe, ausfüllen muss. Egal, wie die Rahmenbedingungen sind, ich habe innerhalb dessen immer einen Spielraum. Ich kann mit Anderen etwas bewegen! Das zu lernen und zu verinnerlichen, war das Allerbeste in der Schulzeit! Inhaltlich war das Nützlichste der Chemieunterricht. Sprich, wie Reaktionen erfolgen, wie sich etwas vermischt und dass eine Änderung auf der einen Seite, auch eine auf der anderen Seite bewirkt. Das sind naturwissenschaftliche Gesetzte, die sich auch gut auf unser soziales Leben ummünzen lassen.
Er ist Mitbgründer der Aktion Aufschrei. Foto: privat
Das wollte ich werden, wenn ich groß bin:
Pilot! Als ich fünf Jahre alt war, bin ich mit meinen Eltern nach Tunesien geflogen, das war ein absolutes Highlight! Ich durfte dann ins Cockpit schauen und fand das unheimlich spannend. Es wurde aber schnell klar, dass ich das aufgrund meiner schlechten Augen nicht machen kann. In meiner Zeit bei der UN musste ich ja fünfmal um die ganze Welt fliegen, da geht die Begeisterung irgendwie verloren.
Jemand, der mir aus der Schulzeit besonders in Erinnerung geblieben ist:
Ich kam immer zu spät zur Schule, obwohl ich nur drei Minuten entfernt wohnte. Der Direktor Herr Dietzel hat morgens immer schon gewartet, da er genau wusste: Rothbauer ist nicht zu Unterrichtsbeginn da. Aber statt dass er mich dann gleich in den Unterricht schickte, hat er mich erst mit seiner unvergleichlichen Stimme gemaßregelt und mir erklärt, dass ich als Schülersprecher keine Privilegien habe und schließlich ein Gespräch mit mir angefangen. Da ging es dann um die Sauberkeit des Schulhauses und ob die Raucherecke notwendig ist. Und dann kam ich statt drei Minuten, 20 Minuten zu spät. Den Lehrern musste ich bald nicht mehr erklären, wieso ich wieder zu spät gekommen bin…
Die letzte Stunde freitags war ich...
...körperlich anwesend, geistig aber nicht mehr. Es war eher die Zeit um die Pläne für das Wochenende zu besprechen.
Ich musste schon mal nachsitzen, da ich…
Ein Eintrag lautete: Holger schmeißt Tische um und verfolgt Mädchen im Klassenzimmer. Ich musste in der siebten/achten Klasse beim Rektor vorsprechen, wegen den meisten Einträgen in einem Jahr.
Etwas, das mich gefesselt hat:
Mein Sandkastenfreund Bernd hat sich in der Grundschule immer schwer getan. Sobald ich mit einer Aufgabe fertig war, bin ich dann zu meinem Kumpel und habe ihm gesagt, was er falsch gemacht hat. Der Lehrer war ganz und gar nicht begeistert. Bei der nächsten Klassenarbeit haben die mich wirklich an den Stuhl gebunden und weil das nicht geklappt hat, weil ich dann immer noch über die Bänke zu ihm rüber gerufen habe, haben sie mir noch ein Pflaster über den Mund geklebt.
Von früher sehe ich auch noch:
Meinen Sandkastenfreund Bernd, Tobias Hublow, Michael Glocker und Reinhold Schmid. Mit allen habe ich noch viel Kontakt. Und letztes Jahr hatten wir ja unser 30-jähriges Jubiläum.
Wiedersehen mit meiner Schule:
Ich war so in dieser Schule verwurzelt, dass ich ein massives Ablösungsproblem hatte. Am Anfang habe ich Tübingen gar nicht ernst genommen, ich habe oft die Schule noch besucht und Vorträge gehalten oder bei der Schülerzeitung geholfen. Als ich jetzt beim Jubiläum war, habe ich viele Schulfreunde wieder gesehen, es war toll! Ich verbinde mit dieser Schule auch nur Positives!
Wer ist Holger Rothbauer eigentlich?
Biografisches:
Holger Rothbauer wird 1965 in Heidelberg geboren. Mit 19 Jahren nimmt er als jüngster Teilnehmer an der vierten „Weltkonferenz der Religionen für den Frieden“ in Nairobi teil. Er ist fasziniert von der Verbindung von Religion und Recht. Von 1984-1991 studiert Rothbauer Jura in Tübingen und Philadelphia (USA). Seit 1990 fungiert er als Sprecher der „Kritischen Aktionäre Daimler“. Zudem nimmt Rothbauer 1995 bei der UN eine etwa einjährige Tätigkeit in einer internationalen Expertengruppe zum Thema Humanitäre Intervention auf. Im selben Jahr beginnt er als Anwalt zu arbeiten. 2011 begründet er die „Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel“mit. Der Paradefall ist sicherlich die G36-Affäre, sprich die Strafanzeige gegen den Waffenhersteller Heckler & Koch und de Maizière aufgrund der Waffenlieferung nach Mexiko. Für seine Arbeit erhält Rothbauer 2011 den Göttinger und 2012 den Stuttgarter Friedenspreis. Weitere Informationen unter: www.dehr.eu/tuebingen/Unser-Team/Holger-Rothbauer-Rechtsanwalt.php ( sfj)