Olli Schulz und Jan Böhmermann haben jetzt nicht nur eine gemeinsame Radiosendung, sondern auch eine Talkshow im Fernsehen. Ob das ein Gewinn für das Publikum ist?

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Kennen Sie diese fröhlichen Kneipenabende in einer zufällig zusammengewürfelten Runde? Es wird geraucht und getrunken und gequatscht. Man kennt nicht alle am Tisch geschweige denn ihre Geschichten, aber der Abend vergeht, weil es irgendwie irre lustig und spannend ist. Am nächsten Morgen dann, mit schwerem Kopf und kratzigem Hals, sind die Erinnerungen nur noch nebulös. Zurück bleibt das Gefühl, einen tollen Abend verbracht zu haben, aber warum, bleibt irgendwie unklar.

 

Genauso geht es einem mit der neuen Sendung von Olli Schulz und Jan Böhmermann, die wenig originell nur „Schulz & Böhmermann“ heißt. Der Name ist Programm, es geht um die beiden Moderatoren, die in jeder Ausgabe eine Handvoll Gäste an ihren Tisch bitten, vorgestellt werden diese von der schrägen Medienikone Sybille Berg. Für die erste Sendung waren dies der früher Wettermoderator Jörg Kachelmann, der sich vor einigen Jahren wegen Vergewaltigungsvorwürfen vor Gericht verantworten musste, freigesprochen wurde und seither gegen die Boulevardpresse und „die Frau“, wie er es formuliert, juristisch zu Felde zieht; Gert Postel, der in den 90er Jahren sich als Psychiater ausgab, wegen Hochstapelei verurteilt wurde und im Gefängnis saß; der deutsche Rapper Kollegah, der auch schon vor Gericht stand, wegen einer Disco-Schlägerei, und schließlich die Drehbuchautorin Anika Decker, die gemeinsam mit Til Schweiger die Drehbücher zu einigen seiner Filme verfasst hat, wofür sie nach Ansicht mancher wohl auch mal juristisch belangt gehörte, aber das ist Geschmackssache.

Diese kleine Runde sitzt also eine Stunde beisammen, raucht, trinkt und quatscht, wie weiland in den 60er und 70er Jahren in den Öffentlich-Rechtlichen, zum Beispiel beim Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer, als es in den Studios noch ordentlich qualmte und Frauen allenfalls als hübsche Staffage die Weingläser nachfüllten.

Die Sendung läuft an und bald stellt sich heraus, dass die Themen ernster sind als das Format: Jörg Kachelmann hält fest, dass ihn „die Geschichte“ die berufliche Existenz gekostet habe, er sei tief verschuldet, und von der Untersuchungshaft seien ihm Hakenkreuze an den Wänden, Kakerlaken und Ratten im Gedächtnis geblieben. Gert Postel sagt, er habe sich jahrelang als Psychiater ausgegeben, um sich an einem Berufsstand zu rächen, der seine Mutter auf dem Gewissen habe. Der Rapper Kollegah gibt zu, dass er den Knast nur als Besucher kennt, er also ein eher harmloses Bürschchen ist, der zwar viel von Koks, Nutten und Sex rappt, ansonsten aber zur Miete wohnt, was ihm bei der Wohnungssuche gelegentlich Probleme bereitet, wenn die potenziellen Vermieter mitbekommen, welches Image er in der Öffentlichkeit pflegt. Und Anika Decker kommt in der rauch- und testosterongeschwängerten Luft kaum zu Wort, obwohl auch sie mehr als nur Drehbuchgeschichten zu erzählen hätte. Immerhin wurde sie wegen einer Blutvergiftung für acht Tage ins künstliche Koma versetzt und musste danach erst einmal wieder laufen lernen, weil sich in diesen wenigen Tagen bereits ihre Muskulatur massiv zurückgebildet hatte.

Cool und lustig ist das alles eigentlich nicht, wenn man genau hinhört, aber in einer Sendung, in der alle durcheinander reden, gelingt das natürlich nicht. Bei „Schulz & Böhmermann“ geht es nicht ums Zuhören und um Empathie, sondern um den lockeren Spruch, mit denen man die Schläge des Lebens schluckt– und einen Whisky hinterher. Allmählich dämmert dem Zuschauer unterdessen die Erkenntnis, dass dort vor allem Menschen sitzen, die Publicity benötigen, abgesehen vielleicht von Anika Decker, die aber ohnehin bis zum Ende der Sendung mit der Gruppe fremdelt. Oder wie es Rapper Kollegah formuliert: „Hier sagt man doch nur Sachen, die gehört werden sollen.“

Das Problem mit der neuen Show: Die durchzechte Kneipennacht hat man bald vergessen, auch wenn sie sich irgendwie legendär anfühlt. Im Nachhinein sind die meisten wohl froh, dass niemand das Gelaber der Nacht aufgenommen hat. „Schulz & Böhmermann“ hingegen wurde aufgezeichnet. Und gesendet. Das kann man wahlweise kultig finden – oder komplett überflüssig. Immerhin, so möchte man das Fazit ziehen, wagen da zwei einmal etwas, das nicht in der political correctness des deutschen Fernsehens erstarrt ist. Aber für Jan Böhmermann und Olli Schulz ist das inzwischen ehrlich gesagt ein bisschen wenig.