Erst wurde geheult, jetzt wird gehandelt. Zusammen mit dem Nabu hat der Landesschafzuchtverband ein Konzept entwickelt, um auf die Rückkehr des Wolfs vorbereitet zu sein. Doch das bedeutet Mehrarbeit und höhere Kosten. Wer wird sie tragen?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Baiersbronn - Mamba und Mila haben die letzten Nachzügler in den Nachtpferch getrieben. Jetzt haben die beiden Hütehunde Feierabend. Manfred Voigt öffnet die Heckklappe seines Pickups, beide springen hinein – und die Wachablösung kann kommen. Huck und Alara übernehmen jetzt das Regiment. Voigt führt sie an der Leine vom Anhänger in den Pferch. Die ganze Nacht werden die beiden pyrenäischen Berghunde, die mit ihrem weißen Fell ein bisschen wie Wölfe im Schafspelz aussehen, mitten in der Herde verbringen. Allein unter Schafen: Sollte ein streunender Hund, ein Wildschwein oder ein Jogger ihrer Herde zu nahe kommen, werden sie nicht blöken, sondern bellen – und im Zweifel für die Herde kämpfen.

 

Voigt ist ein Schäfer wie aus dem Bilderbuch mit einem breitkrempigen Hut, einem langen, dunkelblauen Schäferhemd und einem Schäferstab aus Schwarzdornholz in den kräftigen Händen. In der fünften Generation, seit mehr als 40 Jahren, zieht er mit 700 Mutterschafen über die Wiesen um Michelbach (Kreis Schwäbisch-Hall). Er ist der letzte Wanderschäfer in Hohenlohe. Und doch hat der 67-Jährige nun noch einmal etwas Neues ausprobiert. Für ein Projekt des Landesschafzuchtverbands (LSV) und des baden-württembergischen Naturschutzbunds (Nabu) testet er den Einsatz spezieller Herdenschutzhunde.

Bis zu zwei Stunden Mehrarbeit am Tag

Der Nachtpferch müsse größer sein, die zusätzlichen Hunde müssten versorgt und in einem extra Anhänger transportiert werden. Zudem müssten die Schafe erst daran gewöhnt werden, dass diese Hunde nur bellen und sie nicht umher treiben sollen. Bis zu zwei Stunden täglich betrage der Zusatzaufwand, sagt Voigt. Bisher war so etwas nicht nötig. Den letzten Riss durch einen streunenden Hund hatte er „vor sechs oder acht Jahren“ zu beklagen. Doch seit in Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen, Bayern und der nahen Schweiz Wolfsrudel heimisch geworden sind, gilt auch Baden-Württemberg als „Wolferwartungsland“. Erst im Sommer streifte ein Jungtier vom Bodensee in Richtung Schwarzwald, bevor es tot im Schluchsee geborgen wurde. Wer es erschoss und in den See warf, ist ungeklärt.

Lange haben die Schäfer gegen die politisch gewollte Rückkehr des gefürchteten Jägers gekämpft. „Der Wolf ist ein schönes Viech, aber er gehört nicht mehr hierher“, sagt der Schwarzenberger Schäfer Jörg Frey und spricht damit vielen Kollegen aus der Seele. Doch statt weiterhin wegen der Wölfe zu heulen, geht der LSV das Thema mittlerweile pragmatisch an. „Wir brauchen Herdenschutzmaßnahmen, die wirken und umsetzbar sind“, sagt der LSV-Vorsitzende Alfons Gimber. Das Gebell von Herdenschutzhunden könnte helfen sein.

Nabu als Partner

Als es in den vergangenen Jahren um die Wiederansiedlung des Wolfs ging, war der organisierte Naturschutz der große Gegenspieler. Im Projekt „Herdenschutz in Baden-Württemberg“ arbeiten Nabu und LSV nun zusammen. „Wir brauchen die Schäferei, um die Flächen offen zu halten“, sagt der Nabu-Landeschef Johannes Enssle. Man sei sich näher gekommen, meint der LSV-Chef Gimber.

Bei einer Fachtagung, bei der nun in Baiersbronn die Bilanz des zweijährigen Projekts gezogen wurde, wurde aber auch klar, dass Erkenntnisse aus anderen Bundesländern nicht einfach auf Baden-Württemberg übertragen werden können. Wegen der hohen Siedlungsdichte gibt es im Südwesten mehr Wanderschäfer. Die Koppeln sind kleiner als etwa in Brandenburg. Viele Schäfer haben ihre Herde in Kleingruppen aufgeteilt. „Da kann man nicht überall zwei Schutzhunde dazustellen“, sagt Enssle.

Zäune allein reichen nicht

Spezielle Zäune und Weidenetze gelten deshalb als wichtigstes Mittel der Wolfsabwehr. Doch auch hier stellt Baden-Württemberg wegen seiner vielen Steillagen besondere Ansprüche. „Die Netze müssen höher sein. Die unterste stromführende Querlitze muss tiefer liegen, damit sich der Wolf nicht unten durch gräbt“, sagt die Geschäftsführerin des LSV, Anette Wohlfahrt. Zwei eigens entwickelte Prototypen gingen demnächst in die Produktion. Doch auch ihr Einsatz bedeute Mehraufwand, sagt der Schäfer Jörg Frey, der die Netze auf seinen Koppeln im Murgtal getestet hat.

„Nur mit Zäunen wird es nicht funktionieren“, sagt Gimber. Zudem seien gesetzliche Änderungen nötig. So nutze ein Schafrissfonds vielen Betrieben im Land nichts, weil sie die von der EU erlaubte jährliche Beihilfenhöhe bereits ausschöpften. „Wir Schafzüchter erzielen 60 Prozent der Einnahmen durch Entgelte für Landschaftspflegemaßnahmen“, sagt Gimber. Hier müsse die Landesregierung tätig werden. Zudem müssten tierschutzrechtliche Vorschriften geändert werden. „Eigentlich muss ich meinen Herdenschutzhunden für die Nacht Hundehütten auf die Weide stellen“, sagt Voigt. Doch das sei weder praktikabel noch gesund für den Hund. „Der ist ja dafür gezüchtet, draußen zu sein.“