Reportage: Akiko Lachenmann (alm)

Auf Werbeplakaten sah er immer ein bisschen irre aus mit seiner dicken Sonnenbrille und seinem breiten Grinsen. Emanuel Bronner (1908–1997) war nicht sonderlich an einer Unternehmerkarriere interessiert, eigentlich wollte er nicht weniger als die Welt retten. Dafür verehrte ihn die Kundschaft und machte ihn zum Wirtschaftsmogul wider Willen.

 

1908 kam er als Emanuel Heilbronner in Heilbronn zur Welt. Vom ersten Tag an spielte die Religion eine große Rolle in seinem Leben. Er war Sohn eines orthodoxen Seifenfabrikanten und musste täglich die Thora studieren. Sein Vater Berthold bläute ihm ein, dass sie als Juden zum auserwählten Volk gehörten, die Nachbarjungs tunkten seinen Kopf in Jauche.

Mit 21 kehrte er als ausgebildeter Seifenmacher dem feindseligen Umfeld den Rücken und machte sich auf in die Neue Welt. Er strich das „Heil“ aus seinem Nachnamen, um nicht mit Hitler in Verbindung gebracht zu werden, und fuhr als selbst ernannter promovierter Seifenberater – Doktor Bronner – durch die Lande. Dabei lernte er seine Frau Paula Wolfahrt kennen, mit der er drei Kinder bekam.

Drei Jahre nach seiner Ankunft in den USA schrieb er seinen ersten von rund 200 Briefen an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, in dem er ihn über die Möglichkeit von „Frieden auf Erden durch einen Gott“ und über die Gefahren eines Zweiten Weltkriegs informierte. Auf seinen Geschäftsreisen ließ er keine Gelegenheit aus, öffentlich, im herrischen Tonfall seines Vaters, zu predigen, dass jede Religion von demselben Gott handelte. Das FBI wurde auf ihn aufmerksam und legte eine Akte an mit dem Vermerk „nuts“ – verrückt.

Elektroschocks in einer Anstalt für Geisteskranke

Aufgeben war für Schwinn jedoch keine Option. Er verlagerte seine Fabrik an einen günstigeren Standort und spezialisierte sich auf Kinderfahrräder. Schwinn begeisterte sich auch für die motorisierte Form des Zweirades und kaufte 1911 die bankrotte Motorradfabrik Excelsior Supply Company und 1918 die Motorradfabrik Henderson auf. Noch einmal erlebte er Boomjahre. Bis Henry Ford Autos für 435 Dollar feilbot. Das war 1929, kurz vor der Weltwirtschaftskrise. Schwinn war fast 70 Jahre alt und müde. Er trommelte die engsten Mitarbeiter der Motorradfabrik zusammen und sagte in seiner direkten Art: „Gentlemen, heute hören wir auf.“

Der alte Herr mit dem weißen Schnauzbart erlebte einen glücklichen, 17 Jahre währenden Ruhestand. Fast täglich besuchte er seine alte Fahrradfabrik, die sein einziger Sohn Frank weiterführte. Zum Geschäft trug er mit Designs bei, die er mit dem Stock in den staubigen Boden gezeichnet haben soll. Bei Geschäftsterminen spielte er die Rolle des liebenswerten Weisen, der den Damen in der Firma auch mal eine Rose auf den Schreibtisch legte. Der alte Firmenchef durfte noch miterleben, wie sein Sohn die Marke Schwinn erneut zum Bestseller machte. Frank Schwinn führte als erster Luftreifen und eine lebenslange Garantie auf den Rahmen ein. 1941 verkaufte die Firma allein 346 000 Fahrräder.

Ignaz Schwinn starb 1945 mit 85 Jahren nach einem Schlaganfall. Ein halbes Jahrhundert später meldete die Firma, die in Familienhand blieb, nach einer Serie von Fehlentscheidungen Insolvenz an. Die Marke Schwinn existiert bis heute. Die Rechte hat heute der Massenkonzern Dorel Industries, der neben Fahrrädern auch Babytrinkflaschen und Sofas verkauft.

Der Exzentriker Emanuel Bronner

Auf Werbeplakaten sah er immer ein bisschen irre aus mit seiner dicken Sonnenbrille und seinem breiten Grinsen. Emanuel Bronner (1908–1997) war nicht sonderlich an einer Unternehmerkarriere interessiert, eigentlich wollte er nicht weniger als die Welt retten. Dafür verehrte ihn die Kundschaft und machte ihn zum Wirtschaftsmogul wider Willen.

1908 kam er als Emanuel Heilbronner in Heilbronn zur Welt. Vom ersten Tag an spielte die Religion eine große Rolle in seinem Leben. Er war Sohn eines orthodoxen Seifenfabrikanten und musste täglich die Thora studieren. Sein Vater Berthold bläute ihm ein, dass sie als Juden zum auserwählten Volk gehörten, die Nachbarjungs tunkten seinen Kopf in Jauche.

Mit 21 kehrte er als ausgebildeter Seifenmacher dem feindseligen Umfeld den Rücken und machte sich auf in die Neue Welt. Er strich das „Heil“ aus seinem Nachnamen, um nicht mit Hitler in Verbindung gebracht zu werden, und fuhr als selbst ernannter promovierter Seifenberater – Doktor Bronner – durch die Lande. Dabei lernte er seine Frau Paula Wolfahrt kennen, mit der er drei Kinder bekam.

Drei Jahre nach seiner Ankunft in den USA schrieb er seinen ersten von rund 200 Briefen an den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, in dem er ihn über die Möglichkeit von „Frieden auf Erden durch einen Gott“ und über die Gefahren eines Zweiten Weltkriegs informierte. Auf seinen Geschäftsreisen ließ er keine Gelegenheit aus, öffentlich, im herrischen Tonfall seines Vaters, zu predigen, dass jede Religion von demselben Gott handelte. Das FBI wurde auf ihn aufmerksam und legte eine Akte an mit dem Vermerk „nuts“ – verrückt.

Elektroschocks in einer Anstalt für Geisteskranke

Bei einer nicht angemeldeten Rede 1946 an der Universität von Chicago ging er dann zu weit. Bronner weigerte sich, das Rednerpult zu verlassen, hatte Schaum vor dem Mund, als er Redefreiheit für sich proklamierte. Man brachte ihn in die nächstgelegene Anstalt für Geisteskranke, wo er mit Elektroschocks behandelt wurde. Einige Monate später, während eines Besuchs seiner Schwester, stahl er 20 Dollar aus ihrer Börse und floh nach Los Angeles.

Dort schlief er die ersten Nächte auf dem Dach einer Jugendherberge, „zusammen mit den Tauben“, wie Bronner später in einem Interview schilderte. Dann heuerte er bei der Feuerwehr an und begann gleichzeitig im Zimmer eines Motels, Seifen nach alten Rezepten seines Vaters herzustellen. Mit einem Besenstil rührte er die Mixturen in Regentonnen an und verschenkte sie zunächst. Auf die Etiketten schrieb er kryptische Botschaften wie „Wir sind alle eins – oder keins. Alle eins. Hört, Kinder, ewiger Vater, ewiger einer. Ewig Ausnahmen? Ewig keine.“ Oder: „Was Gott sendet, empfange freudig. Wer nach Wohlstand strebt, wird fallen. Hier ist keine Heimat, hier ist Wildnis. Voran, Pilger, voran.“ Nachts schlief er auf seinen Seifentonnen, die er mit Decken polsterte.

In den 60er Jahren gelang „Dr. Bronner’s Magic Soap“ der Durchbruch – dank der Blumenkinder. Die Hippies verwendeten die Seifen mit den ausgefallenen Labels zum Zähneputzen, zum VW-Bus-Schrubben, zum Schlaghosenwaschen. Abnehmer waren zunächst die Ökoläden, später holten sich auch die großen Supermarktketten Dr. Bronners Seifen ins Sortiment.

Der Chef selbst tat sich mit der Unternehmerrolle schwer. Er vergaß, Rechnungen zu schreiben, antwortete nicht auf Anfragen. Sein Motelzimmer räumte er nur, nachdem man ihn hinausgeklagt hatte. Auf dem Dach seines neuen Firmensitzes bei San Diego badete er täglich nackt in der Sonne. Zu Geschäftsverhandlungen erschien er häufig in Badehose mit Leopardenmuster. Manchmal rief er seine Sekretärin nachts um drei Uhr ins Geschäft, wenn ihm neue Botschaften einfielen.

Bronner starb 1997 an Parkinson. Er bedauerte kurz vor seinem Tod, dass er dem Planeten Erde nicht habe helfen können. Wenigstens in seiner Firma konnte er hohe ethische Standards einführen. So sind bis heute alle Inhaltsstoffe der Seifen aus biologischem Anbau und fair gehandelt. Außerdem darf keiner mehr Gehalt bekommen als das Fünffache dessen, was ein einfacher Arbeiter in den Fabrik verdient. Das Unternehmen wird heute von seinem Enkel David Bronner geführt. Die Seifenlabels mit den winzig gedruckten Botschaften aus 3000 Wörtern sind immer noch das Markenzeichen der Firma.

Henry Miller, der Rinderkönig

Sie nannten ihn den „Cattle King“, den Rinderkönig. Henry Miller (1827– 1916) hatte eine feine Hakennase, trug eine Barttracht wie Abraham Lincoln und sah auch sonst nicht aus wie ein Viehtreiber. Eigentlich wollte er Metzger werden, als er im Jahr 1842 sein Heimatdorf Brackenheim bei Heilbronn verließ. Er wurde der erfolgreichste Viehzüchter in der amerikanischen Geschichte.

Henry Miller hieß früher Heinrich Kreiser und war der Sohn des Metzgers Christian Kreiser. Er soll unter der Autorität des Vaters gelitten haben. Mit zarten 15 Jahren, so schreibt sein Biograf Edward Treadwell, verkündete er in der Küche vor der versammelten Familie: „Ich habe meine Metzgerlehre hinter mir, jetzt will ich fort von hier.“ Zunächst arbeitete er in Holland, ging dann nach England und erreichte New York im Jahr 1848. Drei Jahre nahm er für eine Schlachterei am Washington Market Schweine aus. Dafür durfte er auf einem Feldbett in einem Hinterzimmer schlafen und die Innereien der Tiere verkaufen. Fast einen Dollar verdiente er damit täglich, kein schlechter Verdienst damals.

Eines Tages bot ihm ein Bekannter ein Eisenbahnticket nach Kalifornien an. Es wird vermutet, dass es auf den Namen Henry Miller ausgestellt gewesen sei. Jedenfalls nannte sich Heinrich Kreiser nach seiner Ankunft in San Francisco im Sommer 1850 Henry Miller. Vielleicht wollte er seine Herkunft verschleiern – Einwanderer britischer Herkunft wurden höher geachtet. In einem Interview sagte Henry Miller einmal: „Ich habe mich nie den Deutschen verbunden gefühlt, sondern nur der Erde, auf der ich großgezogen wurde.“

In San Francisco arbeitete er als Metzger und besaß bereits nach drei Jahren seine eigene Schlachterei. Als Erster stand er morgens am Viehhof und pickte sich die prächtigsten Tiere raus. Abends trieb er sich in den Salons herum, um Informationen über Viehqualität und Preise einzuholen. Dabei trank und rauchte er nie. Auch Waffen trug er keine, besaß aber „ordentliche Fäuste, mit denen er sich vor Neidern zu verteidigen wusste“, schreibt Treadwell.

Ein Freund der Prärie

In dieser Zeit lernte er seinen späteren Geschäftspartner Charles Lux kennen. Die beiden begannen still und heimlich, Weiden von entmutigten Viehzüchtern südlich von San Francisco zu Spottpreisen aufzukaufen. Für einen Acre (etwa 4047 Quadratmeter) bezahlten sie nur wenige Cents. Damals grasten Rinder aus mexikanischer Zucht auf den Weiden. Miller und Lux führten hochwertigere Zuchttiere ein und verlagerten ihr Geschäft weg von der Fleischverarbeitung hin zur Viehzucht.

Sie benötigten immer mehr Weideland, denn dank des Goldrauschs schoss die Fleischnachfrage in die Höhe. Was sie verdienten, investierten sie sofort wieder in Land oder Konzessionen. Bald regierten die Viehbarone über eine Fläche von mehr als drei Millionen Hektar, was fast der Größe Baden-Württembergs entspricht.

Miller heiratete eine entfernte Verwandte von Lux, die zwanzig Jahre alte Sarah Sheldon, mit der er vier Kinder bekam. Ansonsten verband ihn privat nicht viel mit seinem Geschäftspartner. Lux bewegte sich gerne in den elitären Gesellschaftskreisen, knüpfte Kontakte zu Geschäftsleuten und Politikern. Miller bevorzugte die Stille der Prärie. Sein barscher Ton kam in den feinen Kreisen nicht an, zahlte sich jedoch bei den Verhandlungen mit Züchtern und Maklern aus. Nie ließ er mit sich handeln. Nannte er einen Preis für eine Herde, konnte sein Gegenüber nur annehmen oder ablehnen. Keiner verstand so viel vom Vieh wie er.

Miller überlebte seinen Partner um 30 Jahre. Er wurde 89 Jahre alt. Sein Imperium brach kurz nach seinem Tod zusammen. Neue Wege in der Fleischkonservierung setzten die Firma unter Druck. Um den Schuldenberg wieder abzutragen, verkaufte die Firma nach und nach ihr von Überweidung gezeichnetes Land. Bis in die 60er Jahre stritten die Nachkommen Millers mit Konzernen und Entwicklern über Grundstückspreise. Übrig geblieben sind zwei Landwirtschaftsbetriebe, die heute Tomaten und Baumwolle anpflanzen.