Ein 34-Jähriger muss sich vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten, weil er in einer Nacht in sechs Wohnungen in Schwaikheim eingestiegen ist. Dabei hatte er es offenbar nicht auf Wertsachen abgesehen, sondern stand unter Drogeneinfluss.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Schwaikheim - Wenn plötzlich ein wildfremder Mensch ohne Vorwarnung im Zimmer steht, führt das natürlich zu einem gewaltigen Schrecken. Wenn jener aber auch noch fragt, was man eigentlich in seiner Wohnung verloren habe, wird das Ganze bizarr. So geschehen am 19. Mai diesen Jahres in Schwaikheim. Dort stritt ein Einbrecher mit einer Frau und deren Tochter, in deren Wohnung er eingedrungen war. „Ich war genauso verwirrt wie die Tochter, als wir uns gegenseitig anschrien“, sagt der 34-jährige Mann, der nun vor der 7. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts steht. Diese soll entscheiden, ob er dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen wird, weil von ihm weitere Straftaten zu befürchten sein könnten.

 

„Sie wirken hier nett und nicht gefährlich, aber wenn ein Fremder in der Wohnung steht, hält man den nicht für nett, sondern für gefährlich“, sagt der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski zu dem Beschuldigten, der freimütig in freundlichem Ton über sein Leben berichtet. Auch die wenigen Erinnerungen schildert er, die er an seine Taten an dem fraglichen Montag im Mai noch hat. Unter dem Einfluss von MDPV, einem starken Amphetamin, ist er innerhalb weniger Stunden in sechs Schwaikheimer Wohnungen eingestiegen.

Das Motiv ist unklar

Was er da wollte, ist bis jetzt nicht ganz klar. „Wenn jemand einbricht, um zu stehlen, nimmt er wertvolle Sachen mit, aber keine Kindergeldkassetten“, sagt ein 53-jähriger Polizist, der mit dem Fall betraut war und im Asservatenraum immer noch ein Sammelsurium an Sachen verwahrt. „Ein Ziel war bei der Tat nicht erkennbar“, ist sein Fazit, denn nicht nur im Fall der beiden Frauen gebärdete er sich so, „als residiere er in der Wohnung und nicht sein Gegenüber“.

Der 34-Jährige berichtet, er habe unter dem Einfluss der Droge, die er regelmäßig geschnupft hat, geglaubt, die Wohnungen in seiner Nachbarschaft seien „neu verteilt worden“. Deshalb sei er neugierig gewesen, wer jetzt dort wohne. „Und ich hab mir gedacht, dass ich vielleicht auch eine neue Wohnung bekomme“, versucht er seine damaligen Gedankengänge zu rekonstruieren, nachdem der Vorsitzende ihn gefragt hat, ob es eine rationale Ebene für sein Motiv gebe. Das verneint er: Er gehe davon aus, dass er unter einer Psychose gelitten habe.

Seit dem 22. Mai ist der 34-Jährige im Zentrum für Psychiatrie Weissenau bei Ravensburg untergebracht. „Ich fühle mich jetzt ganz gut“, sagt er eingangs auf die Frage Polachowskis. Die Therapie sei darauf ausgerichtet, wieder einen normalen Tagesablauf in den Griff zu bekommen. Das habe er bis vor wenigen Jahren gekonnt, berichtet der 34-Jährige. Nach der zehnten Klasse des Gymnasiums habe er die Schule verlassen, um ins Leben zu starten. Zuerst habe er in einer Schleiferei gearbeitet, dann acht Jahre lang als Raumausstatter.

Der Angeklagte berichtet von einem Nervenleiden

„Ich stand mitten im Leben, als ich von einem Moment auf den anderen einen Nervenschaden erlitten habe.“ Ein Pfeifen im Ohr und starke Schmerzen im Arm seien die Symptome gewesen. Von einem Arzt zum anderen sei er gegangen, doch eine körperliche Ursache sei für sein Leiden nicht diagnostizierbar gewesen. „Ich habe dann selbst nach alternativen Methoden im Internet gesucht. Zuerst habe ich homöopathische Mittel ausprobiert, die aber nichts nutzten. Dann kam ich zu den halblegalen Drogen.“

Ein bis zwei Mal im Monat habe er MDPV geschnupft. „Das klingt wie der Name einer eine marxistischen Splitterpartei“, bemerkt Ulrich Polachowski zu der Bezeichnung des Amphetamins. Mit dem Mittel seien seine Beschwerden besser geworden, sagte der Beschuldigte. Aber er habe sich damit auch eine „kleine Auszeit vom Alltag“ genommen. Die Entscheidung, ob er weiter in der Psychiatrie bleiben muss, wird am Freitag gefällt.