Im Prozess gegen einen 66-jährigen Rentner vor dem Stuttgarter Landgericht gibt es laut dem Psychiatrischen Gutachter keine Hinweise auf Steuerungsunfähigkeit. Dem Mann wird vorgeworfen, seine Ehefrau, die sich von ihm trennen wollte, erwürgt zu haben.

Schwaikheim - Der 66-jährige Rentner aus Schwaikheim, der vor dem Stuttgarter Landgericht unter Mordanklage steht (wir berichteten), leidet nicht unter strafrechtlich relevanten psychischen Störungen. Das hat am dritten Verhandlungstag der psychiatrische Gutachter Peter Winckler konstatiert. Laut der Anklage hat der Mann seine Ehefrau erwürgt, weil sie sich endgültig von ihm trennen wollte. Am Tattag war der Termin, an dem der familiengerichtlich angeordnete Auszug aus der ehelichen Wohnung stattfinden sollte, nur noch wenige Tage entfernt. Eine besondere Tragik, sagte der Gutachter, denn eigentlich sei zu diesem Zeitpunkt schon alles für die Trennung vorbereitet gewesen.

 

Der Angeklagte sagt vor Gericht nicht aus

Laut Winckler hat die Tat, bei welcher der Judoka offenbar einen tödlichen Griff des von ihm lange Jahre trainierten Kampfsports anwendete, „deutliche affektive Tatkomponenten“. Verlauf, Vorgeschichte und spätere Reaktionen des Angeklagten sprächen aber gegen eine möglicherweise strafmindernd zu wertende Affekttat. Winckler: „Deshalb kann nicht von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden“ – sprich, der Rentner war sich laut Psychiater im Klaren darüber, was er tat.

Der Rentner habe – aus subjektiver Sicht – eine narzisstische Kränkung erfahren. Als Mensch mit fast wahnhaft übersteigertem Selbstbewusstsein und völlig fehlender Empathie, der gewohnt war zu dominieren, habe er vor einer Situation gestanden, in der er angesichts des Zwangsauszugs und anschließender Unterhaltszahlungen als Verlierer dazustehen drohte. „Das geht für ihn nicht, das ist in seinem Weltbild nicht vorgesehen.“ Auch nachträglich rechtfertige er seine Tat aus einer eigenen Opferrolle heraus – als derjenige, der von der Frau fertiggemacht worden sei.

Der 66-Jährige sagt in der Verhandlung nicht zum Geschehen aus. Er war am 18. September vergangenen Jahres von sich aus in den Schwaikheimer Polizeiposten gekommen und hatte den Beamten detailliert vom Geschehen in der seitherigen ehelichen Wohnung berichtet.

Zuvor schon hat er offenbar vom Tatort aus jenen Umzugsunternehmer angerufen, der wenige Tage später den Umzug in das von dem Rentner gekaufte Haus in Mecklenburg-Vorpommern erledigen sollte und jetzt vor Gericht als Zeuge aussagte. „Der hat am Telefon zu mir gesagt: Man kann den Umzug knicken – ich habe meine Alte umgelegt.“

Das Opfer zeigt Würgemale wie sie durch einen Judo-Griff entstehen können

Zum möglichen Tathergang haben am dritten Verhandlungstag auch ermittelnde Kriminalpolizisten ausgesagt. Schwere Hämatome an Kopf, im Gesicht und am gesamten Körper hätten von massiver stumpfer Gewalteinwirkung gezeugt. Einblutungen in den Augen und entsprechende Male am Hals zeugten von Würgen, das letztlich zum Tod geführt habe. Eine Polizistin sagte, sie habe, da sie von der Kampfsporterfahrung des Tatverdächtigen gehört habe, die Verletzungsbilder einem erfahrenen Judoka vorgelegt. Nach dessen Aussage passten sie zu einem speziellen Würgegriff, den der Angeklagte aufgrund seines Meistergrads auch beherrschte.

Heftige Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten hatte es offenbar schon seit Jahren, vor dem Trennungsbeschluss gegeben. Vor Gericht beschrieb die Lebensgefährtin eines Sohnes, die die Familie seit rund 14 Jahren kennt, den Mann als cholerischen Tyrannen, der seine Ehefrau ständig beleidigt, gegängelt erpresst und auf übelste Weise beschimpft habe. In der Zeit vor der Tat habe der Mann regelrechten Psychoterror betrieben – „die Frau hatte gegen ihn nie eine Chance“, sagte sie.

Ihre Aussage decke sich ebenso wie diejenigen der drei erwachsenen Kinder mit seinen Eindrücken aus den Gesprächen mit dem Angeklagten, sagte der Gutachter Winckler. Diese hatten ihren Vater zuvor als extrem dominant, bestimmend und autoritär bis hin zu körperlichen Züchtigungen beschrieben – als einen unduldsamen Menschen, der komplett auf die eigenen Vorstellungen fixiert sei. Der Prozess am Landgericht wird am Freitag fortgesetzt.