Das Zuhause von Sigrid und Jürgen Eckart in Berglen-Kottweil ist als das erste „schwalbenfreundliche Haus“ im Rems-Murr-Kreis ausgezeichnet worden. Ganze 42 künstliche Nester unter der Dachtraufe bieten den Vögeln Platz zum Brüten.

Berglen - Wohnungsnot – davon können die Rauch- und Mehlschwalben im Rems-Murr-Kreis ein Lied zwitschern. Denn immer weniger Hausbesitzer dulden es, dass Vögel unter dem Dachvorsprung nisten. Doch es gibt noch Menschen, die absolut kein Problem mit den geflügelten Mitbewohnern haben, die einst als Glücksboten galten – selbst wenn sie Kotspuren hinterlassen.

 

Sigrid und Jürgen Eckart aus Berglen gehören zu diesen Schwalbenfans. An der Fassade ihres Hauses in der Ortschaft Kottweil hängt quasi eine komplette Wohnsiedlung aus Doppelhäusern für die eleganten Flieger, insgesamt 42 Nester. Angesichts der stattlichen Zahl waren selbst die Mitglieder der Nabu-Gruppe Winnenden platt. Deshalb haben sie dafür gesorgt, dass neben der Haustür der Eckarts seit kurzem eine Plakette prangt – die erste dieser Art im Landkreis. Sie zeigt eine Schwalbe und im Hintergrund mehrere Schwalbenkinder, die ihre Schnäbel weit aufreißen.

Nabu-Mitglieder erfassen Nester

„Schwalbenfreundliches Haus“ – mit diesem Titel darf sich das Eckartsche Haus in der Herbststraße fortan schmücken. Und natürlich hoffen die Naturschützer, dass das Kottweiler Beispiel viele Nachahmer findet. Dieser Teilort Berglens gehöre zusammen mit Bretzenacker und Weiler zum Stein zu den Schwalbenhochburgen im Raum Winnenden, erzählt Rainer Siegle von der Nabu-Gruppe. Einige der Vereinsmitglieder haben sich in diesem Sommer die Mühe gemacht, die in diesem Gebiet vorhandenen Nester Stück für Stück zu erfassen (siehe „Fleißige Insektenvertilger“).

Tagelang sind die Schwalbenzähler durch die Straßen gestreift, haben Haus für Haus abgeklappert, den Blick stets nach oben, in Richtung Dachtraufe. Im Falle von William Patrick vergebens: „Ich war für das Gebiet rund um das Kreiskrankenhaus und den Stadtteil Schelmenholz zuständig und habe kein einziges Schwalbennest entdeckt“, sagt der Nabu-Gruppensprecher mit Bedauern. Umso mehr Grund, Vogelschützer wie die Eckarts auszuzeichnen.

„Wir haben das Haus im Jahr 2009 gekauft. Die Nester waren schon dran“, erzählt Jürgen Eckart, der die künstlichen Nisthilfen allesamt hängen lassen hat. Jahr für Jahr seien mehr Schwalben eingezogen, sagt der 55-Jährige: „Im Mai kommen sie.“ Die Hitze der vergangenen Wochen habe seinen Schwalben schon ziemlich zugesetzt, berichtet der Kottweiler: „Wir haben leider vier oder fünf tote Jungtiere am Boden gefunden.“ Gemeinsam mit seiner Frau hat er in früheren Jahren das ein oder andere schwächliche Küken aufgepäppelt – mit Insekten und Mehlwürmern.

Die Nachbarschaft freut sich mit den Eckarts über die Sommergäste an der Hausfassade – keine Selbstverständlichkeit, wie William Patrick berichtet. Andernorts gebe es wegen der Schwalben und ihrer Hinterlassenschaften sogar erbitterte Nachbarschaftsstreits. „Meine Nachbarn haben angeboten, mir beim Putzen der Nester zu helfen“, erzählt hingegen Jürgen Eckart. Und ein Anlieger, der sein Auto vor dem Haus abstellt, habe überhaupt kein Problem damit, dass der eine oder andere weiße Fleck auf dem Fahrzeuglack leuchte. „Hier in Kottweil sind alle tolerant“, sagt Eckart.

Schwalben lieben Gesellschaft

Das ursprünglich unter den Nestern montierte Brett zum Auffangen des Kots hat er mittlerweile abmontiert, denn mit seiner Hilfe können Marder ganz bequem direkt vor Familie Schwalbes Haustür marschieren und das Nest ausräumen. Nun müssen die Eckarts ab und zu den Besen in die Hand nehmen. Früher, im Zeitalter bevor „Versiegelung und Sauberkeitswahn“ sich breit gemacht hätten, habe man die Lieferung von oben genutzt, um den darunterliegenden Vorgarten zu düngen, sagt Rainer Siegle. Allen, die Schwalben etwas Gutes tun wollen, rät er, nicht nur eine Nisthilfe an der Wand zu befestigen: „Schwalben sind Koloniebrüter – es sollten daher schon mehrere Nester an einer Stelle hängen.“ Es müssen ja nicht gleich 42 Stück wie bei den Eckarts sein. Dass Schwalben sehr sozial sind, hat Jürgen Eckart schon beobachtet: „Sie füttern nicht nur die eigenen Kindern, sondern auch die der Nachbarn.“

Wenn die Nisthilfen dann hängen, sei bisweilen Geduld vonnöten, sagt Rainer Siegle: „Manchmal steigt man von der Leiter und schon ziehen sie ein, manchmal muss man aber auch jahrelang warten.“

Fleißige Insektenvertilger

Volkszählung
Mitglieder des Naturschutzbunds (Nabu) haben die Schwalbennester im Raum Winnenden gezählt. Sie haben 814 künstliche und 106 natürliche Mehlschwalbennester sowie 80 künstliche und 161 natürliche Rauchschwalbennester entdeckt.

Plakette
Bereits im Jahr 2007 hat der Nabu Mecklenburg-Vorpommern die Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ ins Leben gerufen. Mit der Auszeichnung sollen jene Hausbesitzer belohnt werden, die Schwalben an ihrem Gebäude brüten lassen oder sogar Nisthilfen aufhängen. Inzwischen haben dort rund 700 Schwalbenfreunde eine Plakette erhalten. Nun wird sie auch in Baden-Württemberg vergeben, die Eigentümer müssen sich dafür bei ihrer Nabu-Ortsgruppe bewerben.

Untermieter
Früher galten Schwalben als Glücksbringer, nach dem Volksglauben halten sie Feuer und Blitz vom Haus fern und bewahren das Vieh im Stall vor Krankheiten. Mehlschwalben haben einen weißen Bauch und einen tief eingekerbten Schwanz. Sie bauen ihre Nester gerne an Hauswänden und brüten am liebsten in Kolonien. Rauchschwalben haben eine braunrot gefärbte Kehle und Stirn und bauten ihre Nester früher gerne an Rauchfängen, aber auch in Ställen und Scheunen. Für die Aufzucht einer Brut mit vier bis sechs Jungen sind 1,2 Kilogramm Insekten notwendig. Ein Elternpaar verfüttert also – grob geschätzt – ungefähr 12 000 Insekten.