Die Plazenta verbindet den Fötus mit der Mutter. Manches für das Kind Negative hält sie nicht zurück, wie etwa Schwermetalle oder manche Infektionen. Mit Nano-Transportern können vielleicht eines Tages Medikamente gezielt an den Fötus geschickt werden.

Stuttgart - Während der Schwangerschaft bildet sich im Leib der Mutter aus Gewebe, das vom Embryo kommt, die sogenannte Plazenta. Über dieses auch Mutterkuchen genannte Gewebe findet zwischen Mutter und Kind eine komplexe Wechselwirkung statt. Dabei können auch negative Umwelteinflüsse auf das Kind übergehen. „Nicht nur gute Nährstoffe, sondern auch zum Beispiel in Feinstaub enthaltene Schwermetalle wie Kobalt, Arsen und Quecksilber treten vom mütterlichen in den fötalen Blutkreislauf über“, warnt der Biochemiker und Plazentaforscher Christian Wadsack von der Universitätsfrauenklinik in Graz. Diese Stoffe verändern die Plazentafunktion. „Deshalb werden die Föten nur unzureichend versorgt. Diese Kinder haben ein geringeres Geburtsgewicht und sind kleiner als Kinder, deren Mütter keiner hohen Feinstaubbelastung ausgesetzt waren“, so Wadsack.

 

Eine aktuelle, im „European Respiratory Journal“ veröffentlichte kanadische Studie ergab nun auch, dass Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft mehr oder weniger starker Luftverschmutzung durch Autoabgase ausgesetzt waren, ein erhöhtes Risiko haben, vor ihrem fünften Lebensjahr Asthma zu entwickeln.

Die Plazenta lässt manche Stoffe zum Fötus durch

Die Hauptaufgaben der Plazenta sind zum einen die Produktion bestimmter Hormone, vor allem aber der Austausch von Nähr- und Stoffwechselprodukten. „Wir wissen, dass die Plazentaschranke für bestimmte Stoffgruppen wie zum Beispiel Sauerstoff, Glukose und Immunglobuline durchlässig, für andere dagegen undurchlässig ist. Und manche Stoffe werden in der Plazenta durch die plazentaeigenen Enzyme umgewandelt“, sagt Wadsack.

Untersucht werden derartige Effekte mit der sehr aufwendigen Technik der Plazentaperfusion, so der Fachbegriff für die Durchblutung der Placenta. „Hierfür wird der Stoffwechsel einer gespendeten Plazenta nach der Geburt noch bis zu zwölf Stunden am Leben erhalten“, erzählt die Biologin Jana Pastuschek vom Placenta-Labor am Universitätsklinikum Jena.

Mit der Plazentaperfusion könne man testen, wie viel von einem Medikament, das die Mutter während der Schwangerschaft einnimmt , etwa einem Antibiotikum, auch beim Fötus ankomme. Hat die Mutter beispielsweise wegen einer Infektion der Scheide einen vorzeitigen Blasensprung, kann es sein, dass der Erreger auf den Fötus übergreift. „Deshalb muss das Kind in einem solchen Fall mitbehandelt werden“, sagt Pastuschek. Dann stelle sich die Frage, ob im fötalen Kreislauf eine ausreichende Dosis ankomme.

Schädigungen des Kindes rechtzeitig verhindern

Die Plazentaperfusion könnte künftig auch dazu dienen, Schädigungen des Kindes zu verhindern. Es kommt zum Beispiel vor, dass ein Fötus kein Cholesterin produzieren kann (Smith-Lemli-Opitz-Syndrom). Diese Kinder kommen mit Missbildungen und Hirnschäden auf die Welt. Forscher untersuchen nun, ob Nanopartikel wie modifizierte Lipoproteine das nötige Cholesterin über die Plazentaschranke zum Fötus transportieren. Solche sogenannten Nanocarrier könnten grundsätzlich auch als Transportmittel für Medikamente zum Fötus oder, je nach Bedarf, nur in den mütterlichen Kreislauf dienen. Wie nötig derartige Nanocarrier sind, zeigt das Beispiel von Frauen, die während der Schwangerschaft wegen einer Brustkrebserkrankung mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab behandelt werden müssen. Es wird vermutet, dass dieser Antikörper bei den Föten Nierenschäden verursacht. Die Plazentaperfusion zeigte aber, dass das Trastuzumab an die Plazentaschranke bindet, selbst also nicht in den Kreislauf des Fötus gelangt. „Möglicherweise nimmt die Plazenta den Antikörper auf und verwandelt ihn in eine Substanz, die die Nierenschäden beim Fötus verursacht“, spekuliert Wadsack.

Der mütterliche Stoffwechsel prägt den kindlichen Stoffwechsel schon vor der Geburt. Der Mutterkuchen ist bei übergewichtigen Frauen schwerer und wird besser durchblutet. Die Folge: Der Fötus wird übermäßig mit Nährstoffen versorgt. „Das prägt den kindlichen Stoffwechsel frühzeitig auf Wachstum und späteres Übergewicht“, so Wadsack. Zumeist sei ein Kaiserschnitt nötig – wie oft auch in dem Fall, dass die Mutter einen Schwangerschaftsdiabetes entwickelt. Der Fötus schüttet dann vermehrt Insulin aus, was seine Entwicklung schwer beeinträchtigen kann.