StZ-Journalisten erinnern in einer Serie an ihren fast in der Versenkung verschwundenen Lieblingsverein – heute der Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Die Frage, ob ich Fan von Rot-Weiß Essen oder Schwarz-Weiß Essen bin, wäre in Essen selbst undenkbar. Rot-Weiß liegt im Arbeiter-geprägten Norden der Stadt, Schwarz-Weiß im vornehmeren Süden; entsprechend gelten die Fußballclubs den jeweils anderen Anhängern entweder als Lackschuh- oder als Proletarierverein.

 

Mit 400 Kilometer räumlichem und 35 Jahren zeitlichem Abstand ist das aber nicht mehr wichtig. Eigentlich war ich ursprünglich Fan von Schwarz-Weiß Essen oder ETB Schwarz-Weiß. Das lag zum einen daran, dass ich in der Basketball-Abteilung selbst gespielt habe, vor allem aber an der räumlichen Nähe des Stadions zu unserer Wohnung. Schwarz-Weiß spielte entweder im Uhlenkrug oder im Grugastadion; ich ging meistens mit meinem Vater hin, oft auch erst zur zweiten Hälfte, weil das nichts mehr kostete. Klar, 5000 bürgerliche Zuschauer machten aus dem Uhlenkrug keinen Hexenkessel. Eigentlich kam nur dann richtig Stimmung auf, wenn Rot-Weiß hier spielte. Doch ähnlich dem Publikum legte Schwarz-Weiß Wert auf eine gepflegte Spielkultur.

Mitte der 70er Jahre, als ich fast jedes Heimspiel sah, waren Thomas Hörster, Günter Riepert und Uwe Reinders meine Helden. Sie waren schnell und technisch versiert, aber nicht die kampfstärksten. Hörster hat hinterher Karriere bei Bayer Leverkusen gemacht, Reinders bei Werder Bremen. Riepert ging mit Schwarz-Weiß in die Oberliga Nordrhein und später zum Lüner SV. Er ist schon 2009 mit erst 57 Jahren gestorben.

Erst stieg Schwarz-Weiß nicht auf, kurz darauf RWE ab

Mitte der 70er Jahre spielte Schwarz-Weiß in der zweiten Liga oben mit und Rot-Weiß in der ersten Liga unten. Es hätte nicht viel gefehlt, und Essen wäre mit zwei Vereinen in der Bundesliga vertreten gewesen. Doch dann stieg erst Schwarz-Weiß nicht auf und kurz danach RWE ab. Dann kamen wirtschaftliche Schwierigkeiten für Schwarz-Weiß, der Absturz in Ligen, die ich nicht mehr verfolgt habe – und für mich die Frage, ob Rot-Weiß Essen nicht doch ein Club wäre, der einen Fan mehr braucht. So also kam ich gedanklich zum großen Rivalen RWE, war aber offen gestanden nur ein paar Mal an der Hafenstraße, dem legendären Stadion aus der Zeit von Helmut Rahn und Ente Lippens.

Mesut Özil hat auch mal in Essen gespielt

Wirtschaftlichkeit war nicht die große Stärke der Essener Clubs. Schwarz-Weiß hat vor zwei Monaten Insolvenz angemeldet, Rot-Weiß war eigentlich immer pleite, hat mehrfach in den vergangenen Jahren keine Lizenz erhalten und ist dann immer in untere Ligen zurückgestuft worden. Dabei hat gerade Rot-Weiß sportlich immer etwas zu bieten gehabt, so dass es in den 70er Jahren nicht so abwegig war, wie es sich heute anhört, für RWE oder ETB zu sein. RWE war immerhin mal Deutscher Meister (o. k., 1955), hatte aber in der Zeit, als ich aktiver Fan war, mit Spielern wie Hrubesch und Burgsmüller internationale Klasse. Neulich habe ich gesehen, dass sogar Mesut Özil als Jugendlicher mal bei RWE gespielt hat (bei ETB wurden immerhin Oliver Bierhoff und Jens Lehmann ausgebildet).

Und während für den ETB jetzt wohl wirklich die Lichter ausgehen, hat Rot-Weiß seine besten Zeiten noch vor sich. Denn die im Geld schwimmende Ruhrgebietskommune Essen hat dem Viertligisten für gut 40 Millionen Euro ein neues Stadion spendiert, in dem es aufwärtsgehen wird. Doch bevor die Truppe um Trainer Waldemar Wrobel die Bundesliga anvisiert, geht es in der Regionalliga West erst noch gegen einen anderen Club, der mich mal zu seinen Fans zählte: Fortuna Köln. Aber das ist eine andere Geschichte.