Exklusiv Die wegen einer Datenpanne unverhofft erhalten gebliebene Korrespondenz lässt den Polizeieinsatz im Schlossgarten in einem neuen Licht erscheinen. Die Rufe nach einem neuen Untersuchungsausschuss dürften nun lauter werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Grüne und Rote waren sich im Ziel einig, aber uneins über den Weg. Für den Landtag, befanden beide Fraktionen bereits vor einem Jahr, wäre es von hohem Interesse, die Mails des früheren Ministerpräsidenten zu kennen. Sie könnten nicht nur wichtige neue Erkenntnisse zum Polizeieinsatz im Schlossgarten enthalten, die dem Anfang 2011 abgeschlossenen Untersuchungsausschuss verwehrt blieben. Auch manche Zeugenaussage, an der es Zweifel gab, ließe sich anhand der Dokumente überprüfen. Die Staatsanwaltschaft sah indes keine Möglichkeit, dem Parlament die Mails zu übermitteln; nur ein neuer U-Ausschuss bekäme diese.

 

Der einstige Grünen-Obmann Ulrich Sckerl, hält sich seither diese Option offen: Wenn es keine andere Möglichkeit gebe, die Mails auszuwerten, könne man ein neues Gremium mit einem „schlanken“ Auftrag installieren. Das erwäge man unverändert, betonte er erst im Herbst. Sein SPD-Kollege hielt diese Forderung für verfrüht. Es gebe durchaus Chancen, die Dokumente ohne einen neuen Ausschuss auszuwerten, sagte er Ende 2012. Doch ein entsprechender Antrag der Genossen an das Staatsministerium blieb ohne Erfolg: Man dürfe die Daten nicht einmal selber sichten, hieß es unter Verweis auf das laufenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Einem U-Ausschuss relevante Akten vorzuenthalten ist zwar nicht „strafbewehrt“, aber ein derartiger Vorgang rührte an die Grundfesten des Parlaments. Nicht umsonst gilt ein solches Gremium als „schärfste Waffe“ des Landtags. Seine „Untersuchungskompetenz“ ist sogar in der Landesverfassung (Artikel 35) verankert, dort werden auch Gerichte und Behörden „zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet“. Im Untersuchungsausschussgesetz wird die Pflicht zur Aktenherausgabe präzisiert: Sie umfasst alle Akten – auch elektronisch gespeicherte – , die mit dem Untersuchungsgegenstand im Zusammenhang stehen. Ausnahmen gibt es nur, wenn der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ betroffen wäre oder „Gründe des Staatswohls“ entgegenstehen.

Wurde die Pflicht zur Aktenvorlage verletzt?

Was aber, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Pflicht zur Aktenvorlage verletzt wurde? Ein solcher Vorgang sei „in der jüngeren Landesgeschichte nicht bekannt“, beantwortete ein Landtagssprecher eine abstrakte StZ-Anfrage. Theoretisch hätte das Parlament dann mehrere Möglichkeiten: Es könnte „einen neuen Untersuchungsausschuss einberufen und dort die Herausgabe verlangen“. Möglich sei auch ein Landtagsbeschluss, der den Verstoß „feststellt und rügt“; rechtlich wäre dies aber unverbindlich. Auch der Staatsgerichtshof könnte ins Spiel kommen: im sogenannten Organstreitverfahren könnte die Regierung zur Aktenvorlage verpflichtet werden – in diesem Fall wohl eher keine Option. Wenn es um eine frühere Regierung gehe, ist die Sache laut dem Landtag komplizierter: Eine Verletzung von Verfassungsrechten könnte nur das betroffene Organ beim Staatsgerichtshof geltend machen – aber das wäre ein bereits aufgelöster U-Ausschuss.

Ob und von wem an dessen Stelle geklagt werden könnte, sei unklar; auch nach bis zu fünf Jahren wäre ein „Organstreit“ aber noch möglich. Auf etwaige Zweifel an Aussagen könne das Parlament reagieren, indem es die Zeugen in einem neuen Gremium erneut vernimmt oder Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Überlegungen, Verstöße gegen das Gesetz für Untersuchungsausschüsse strafbar zu machen und deren Rechte so zu stärken, sind dem Landtag übrigens „keine bekannt“.

Eine scharfe Absage an einen neuen U-Ausschuss zum Polizeieinsatz kam im November 2012 bereits von den Liberalen. Der Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nutzte die Überlegungen zum Gegenangriff: Grün-Rot wolle doch nur von der eigenen Unfähigkeit ablenken durch „endloses Wühlen in der Vergangenheit“.