Dreieinhalb Jahre nach dem harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner ist das dunkle Kapitel in der baden-württembergischen Geschichte noch lange nicht geschlossen. Die Staatsanwaltschaft wird erneut aktiv, ein U-Ausschuss zum Schwarzen Donnerstag am 30. September 2010 läuft an.

Dreieinhalb Jahre nach dem harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner ist das dunkle Kapitel in der baden-württembergischen Geschichte noch lange nicht geschlossen. Die Staatsanwaltschaft wird erneut aktiv, ein U-Ausschuss zum Schwarzen Donnerstag am 30. September 2010 läuft an.

 

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird erneut in Sachen U-Ausschuss zum Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten am „Schwarzen Donnerstag“ aktiv. Die Anklagebehörde will die Unterlagen einsehen, die das Innenministerium jüngst dem Untersuchungsausschuss übermittelt hat. „Die schauen wir auf einen Anfangsverdacht hin an“, sagte Sprecherin Claudia Krauth der Nachrichtenagentur dpa am Montag. In den Dokumenten finden sich Hinweise auf eine mögliche Einflussnahme der Politik auf den eskalierten Polizeieinsatz vom 30. September 2010.

In welche Richtung dieser Verdacht gehen könne und ob überhaupt Ermittlungen eingeleitet würden, sei noch völlig offen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bestritt erneut, auf den Einsatz eingewirkt zu haben. „Es bleibt dabei, Herr Mappus hat keinen Einfluss genommen, und er hat das auch niemandem gesagt“, sagte sein Anwalt, Christoph Kleiner. Gegen solche „Unterstellungen“ werde er sich mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt wegen übler Nachrede und Verleumdung wehren.

Zuvor hatte der SPD-Obmann im zweiten Untersuchungsausschuss zur Räumung des Stuttgarter Schlossgartens, Sascha Binder, von möglichen Falschaussagen vor dem ersten Ausschuss gesprochen. Falschaussagen vor dem Landtagsgremium werden genauso geahndet wie solche vor einem Gericht - mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Binder nannte in diesem Zusammenhang Mappus, die damalige Umweltministerin Tanja Gönner (beide CDU) und den ehemaligen Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf.

Die Anklagebehörde hatte erst vorletzte Woche berichtet, in E-Mails von Mappus keinen Hinweis auf Falschaussagen gefunden zu haben. Hintergrund der Ermittlungen war eine Anzeige gegen Mappus wegen uneidlicher Falschaussage in dem Gremium, das im Oktober 2010 auf Antrag der damals oppositionellen SPD und mit Zustimmung der Grünen eingesetzt wurde. Der neue Ausschuss wurde auf Antrag von Grünen und SPD unter anderem deshalb eingesetzt, weil dem ersten Ausschuss womöglich wichtige Dokumente vorenthalten worden waren.

Am „Schwarzen Donnerstag“ wurden bei Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Gegnern des Bahnprojekts im Schlossgarten laut Innenministerium 130 Demonstranten und 34 Polizisten verletzt. Die Polizei setzte erstmals seit 40 Jahren in Stuttgart Wasserwerfer ein.

"Wir lassen uns nicht reinreden"

In dem Anschreiben des Innenministeriums für den U-Ausschuss sind Notizen leitender Polizeibeamter erwähnt, die Aussagen Stumpfs dahingehend interpretierten, es habe eine politische Einflussnahme auf die Räumung des Schlossgartens gegeben. So war die Rede von „einem Vorrang der politischen Entscheidungsebene“. Politische Einflussnahme hatten Mappus, Stumpf und Ex-Landespolizeipräsident Wolf Hammann vor dem ersten Ausschuss bestritten. Mappus sagte am Montag, besonders herabsetzend sei, dass ein Beamter angebliche Informationen erlangt habe, die belegen könnten, dass „die Politik“ auch den Wasserwerfereinsatz angeordnet habe.

Hammann, heute Amtsleiter im Integrationsministerium, bekräftigte seine Aussagen ebenfalls. „Ich stehe zu meinen Aussagen vor dem ersten Untersuchungsausschuss“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Vor dem Gremium hatte er im Dezember 2010 betont, dass alle Entscheidungen bei der Polizei gelegen hätten. „Wir lassen uns nicht reinreden“, gab er damals zu Protokoll. Am Montag sagte er: „Ich konnte keine politische Einflussnahme erkennen.“

Auch Stumpf erneuerte in der „Stuttgarter Zeitung“ seine Aussage. Die Notizen von Teilnehmern, er habe eine „enge politische Begleitung“ der Einsätze angedeutet, seien zu hinterfragen. „Man muss mit den Leuten reden, die das geschrieben haben.“ Dazu sagte der Grünen-Obmann im Ausschuss, Uli Sckerl: „Es geht nicht darum, dass in der Polizei über die widersprüchlichen Aussagen gesprochen wird, sondern dass der Untersuchungsausschuss das aufklärt.“ Mauscheleien dürfe es nicht geben. Stumpf müsse ebenso wie die Teilnehmer von Treffen der obersten Polizeiführung damit rechnen, nochmals vor das Gremium geladen zu werden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass Ex-Ministerpräsident Mappus erneut befragt werde.

Der Sprecher der Aktivistengruppe Parkschützer, Matthias von Herrmann, begrüßte den zweiten Ausschuss. Er hoffe, dass es nicht nur zu einem politischen Schlagabtausch komme und um Akten gehe, sondern auch Vertreter des Widerstands gegen Stuttgart 21 gehört würden.