Schäppel werden im Schwarzwald Brautkronen genannt; sie sind Teil der Tracht und aufwendig gestaltet. Doch sind sie wegen schlechten Materials vom Zerfall bedroht. Restauratoren der Kunstakademie Stuttgart versuchen sie zu retten.

Stuttgart - Da steht der Schäppel – groß, bunt und barbarisch – auf dem Tisch. Stephanie Wümmers ist gerade dabei, das Prachtexemplar einer Schwarzwälder Brautkrone mit einem Pinsel zu reinigen. Die Studentin erlernt an der Stuttgarter Kunstakademie die Konservierung und Restaurierung von Objekten und leistet nebenher auch Forschungsarbeit. Kaum zu glauben, dass eine junge Frau einmal das 2,5 Kilo schwere Ding auf ihrem Kopf balanciert hat. Dieser Schäppel stammt aus dem Heidelberger Völkerkundemuseum und besteht aus rund 1500 Glaskugeln, manche so groß wie Cocktailtomaten, die meisten sind  rot oder violett, viele  sind verspiegelt, manche durchsichtig, dazu Spiegelchen, Glasperlen, Pailletten, Drahtverzierungen, Stoffblumen. „Sie ist sehr aufwendig und liebevoll gestaltet“, erklärt Wümmers, „je länger man hinschaut, desto mehr findet man.“

 

Auf dem Nebentisch steht eine Monsterhutschachtel, innen mit einer Zeitungsseite aus dem Jahr 1896 ausgeschlagen. Darauf finden sich auch zwei Einladungen zu Hochzeiten in Villingen und Bräunlingen. Ob der Schäppel einer dieser Bräute gehört hat? Im Moment jedenfalls dürfte ihn keine aufsetzen, denn schon bei einer kleinen Bewegung fallen Kugeln ab: die winzigen Drähte, an denen sie befestigt sind, sind durchgerostet. Zum Teil jahrhundertealte Objekte drohen deshalb in den nächsten Jahren in den Vitrinen zu zerfallen. Doch die Stuttgarter Restauratoren sind dem Geheimnis auf der Spur.

Angefressenes Metall

Die Werkstattleiterin Andrea Fischer zeigt bei einer abgefallenen roten Kugel auf die Stelle, wo sich Glas und Metall berühren. Hier liegt der Schwachpunkt. „Das schlechte Glas ist schuld. Das Glas lässt die Drähte korrodieren.“ Sie erklärt: diese Kugeln wurden von Familien in Heimarbeit hergestellt. Um zum Blasen leicht schmelzbar zu sein, wurde der Glasmasse viel Flussmittel zugegeben. In Verbindung mit Luftfeuchtigkeit bilden sich auf dem so hergestellten Glas im Lauf der Jahrzehnte alkalische Oberflächenfilme, die in Kontakt stehende Metalle anfressen. „Wir bezeichnen dieses Glas auch als krank“, sagt Fischer. Sie zeigt ein Detailfoto einer weißen Brautkrone, die übersät ist mit türkisfarbenen Korrosionsflecken: „Die Glasperlen fallen in Kürze alle ab.“

Professor Gerhard Eggert ist alarmiert. Der Leiter des Studiengangs Objektrestaurierung an der Kunstakademie, sagt: „Wir haben Angst, dass die Drähte weiter durchrosten.“ Der Drahtfraß bedroht nicht nur die Schäppeln, sondern alles, was aus „krankem“ Glas gemacht ist: Uhren, Bilderrahmen, Weihnachtsschmuck, Knöpfe, Miniaturen. Auch höchst heilige Gegenstände werden nicht verschont. Eggert hatte vor einigen Jahren entdeckt, dass die in Draht gefassten Glassteine im Schrein von Sankt Godehard in Hildesheim herauszufallen drohten. Das Gleiche bemerkte er beim Otto-Adelheid-Evangeliar in Quedlinburg. Das war für den Professor der Anlass weiterzuforschen. Zu seiner Überraschung stellte er fest, das Problem war in der Fachwelt bis dato nicht beachtet worden.

Projekt wird von der Friede-Springer-Stiftung gefördert

Eggert gelang es, ein Projekt anzuregen, das die von Glas ausgelöste Metallkorrosion an Museumsexponaten erforscht. Es wird von der Friede-Springer-Stiftung in Berlin mit namhaften Beträgen seit gut einem Jahr gefördert. Doch so wie es aussieht, fängt die Arbeit jetzt erst an. Werkstattleiterin Fischer hat auf ihren ersten Suchgängen durch die Museen viel mehr krankes Glas entdeckt als gedacht. „Die Welt ist voll damit“, sagt sie. Man arbeitet zweigleisig. „Wir müssen die Substanzen identifizieren.“ Gleichzeitig sucht man nach einer Kur: das heißt Reinigung und anschließendes Anbringen von Schutzlacken. Man braucht aber auch bessere Aufbewahrungsmethoden, um einen neuen Befall zu verhindern. Feuchtigkeit und Holz, auch Papier, das weiß man schon, tun dem Glas nicht gut.

Stephanie Wümmers ist schon froh, dass sie ein Kulturgut wie die Schwarzwälder Brautkrone mit den eigenen Händen retten kann. Sie freut sich, darüber hinaus einen Beitrag zur Forschung zu leisten. „Da kann man richtig was lernen!“