Tödliche Attraktion: Bisher konnte man im Zoo Kolmården in Schweden ganz nah an die Raubtiere ran. Nachdem das Rudel eine erfahrene Pflegerin getötet hat, ist damit jetzt Schluss.

Norrköping - „Nahkontakt mit Wölfen“, das war bisher die Attraktion des schwedischen Tierparks Kolmården bei Norrköping. Dort konnten Besucher mit fachkundiger Begleitung das Gehege betreten, sich den Raubtieren nähern, sie streicheln und mit ihnen spielen. Künftig bleibt der Wolfsbau gesperrt. Seit das Rudel am Sonntag eine erfahrene Tierpflegerin zerriss, müssen alle Sicherheitsvorkehrungen neu überdacht werden. „Das Programm ist zu riskant, damit ist Schluss“, sagt der Direktor von Kolmården, Jan Roy.

 

Zoologen bezeichnen den tödlichen Überfall als unfassbar. Noch nie hat es in Schweden einen derartigen Unfall gegeben, auch international ist nur einer aus einem Forschungsgehege in Minnesota bekannt. Zum letzten Mal ist in Schweden 1827 ein Mensch von Wölfen getötet worden, und damals geschah dies in freier Wildbahn. Doch offensichtlich sind die Raubtiere im Wald weniger gefährlich als ihre halb sozialisierten Brüder im Tierpark. „Wölfe sind von Natur sehr menschenscheu, aber in Gefangenschaft verlieren sie diese Angst“, sagt der Zoologe Olof Liberg. Sie hielten Menschen für eine Art „seltsamer Wölfe“.

Menschliche Ziehmutter

Das 30-jährige Opfer hatte seit drei Jahren im Tierpark gearbeitet und war für das Rudel von acht Tieren eine Art Ziehmutter. Die Frau wurde von ihnen als Mitglied der Gruppe angesehen. „Wölfe sind soziale Wesen, die einander mobben. Bisse gehören dazu“, sagt Liberg. Doch der Biss, der ein Tier verletzt, kann einen Menschen töten. Was am Sonntag im Gehege geschah, weiß niemand. Zeugen waren nicht zugegen, eine Videoüberwachung gibt es nicht. „Vielleicht stolperte sie und war auf einmal ganz unten in der Hierarchie“, mutmaßt Olof Liberg. Die Frau hatte den Kollegen über Funk gemeldet, dass sie das Gehege betrete, wie dies die Regel ist. Als sie nach 20 Minuten immer noch nicht mitgeteilt hatte, dass sie wieder draußen sei, wurde einer der anderen unruhig und sah nach. Da entdeckte er den leblosen Körper am Zaun liegen, die Wölfe über ihm.

Der Rettungsdienst konnte nicht eingreifen. „Die Wölfe ließen uns nicht rein“, sagte der Helfer Jan Tengeborg, „wir mussten auf die Polizei warten.“ Erst als diese ein paar Tiere betäubte und mit einer Menschenkette die anderen vertrieb, konnte die übel zugerichtete Frau geborgen werden. Da war sie längst tot. Die Tiere einzuschläfern sei kein Thema, sagt Mats Höggren, der zoologische Chef in Kolmården. „Ein so tragisches Unglück hätten wir nie vorhersehen können.“ Doch es hatte schon früher ein paar Zwischenfälle gegeben, die zeigten, wie gefährlich der Umgang mit den Raubtieren ist. Zweimal waren Besucher gebissen worden, „mehr im Spiel als aus Aggressivität“.

Jetzt erzählen Besucher, dass sie die Wölfe schon länger als unruhig und aggressiv erlebt hätten und nicht wagten, das Gehege zu betreten. Es habe „Stress im Rudel“ gegeben, und gestresste Tiere seien zu allem fähig. Die Kolmården-Leitung widerspricht solchen Berichten. Allerdings klagen die Tierpfleger zum Beispiel über unzureichende Ausrüstung. Statt des unhandlichen Funkgeräts sollten sie einen Alarm haben und überdies eine Betäubungswaffe. Auf Kritik stößt auch, dass es nicht Pflicht sei, ausschließlich zu zweit zu den Wölfen zu gehen. Nun soll erst einmal der Nahkontakt von Mensch und Raubtier ausgesetzt werden. Später wird Kolmården entscheiden, ob es dort künftig überhaupt Wölfe geben soll.