Bei Freiwilligeneinsätzen erlebt der Tourist die Schweizer Berge wie ein Einheimischer.

Sisikon - Es ist drückend heiß. Vor zwei Tagen hat Bauer Päuli die Wiese oberhalb des Hofes gemäht. Mit der Maschine hat er das Gras in langen, vertikalen Reihen zusammengehäufelt. Ein kleiner Teil der Mahd bleibt verstreut am steilen Hang liegen. Den sollen Bäuerin Karin und ich nun mit dem Schlepprechen sammeln. Der Schlepprechen ist gut einen Meter breit und hatte einmal 30 Zinken. Zwei sind schon herausgebrochen, weil die vorherigen Hilfskräfte ihn zu tief ansetzten. Ich versuche, den Rechen gerade zu führen.

 

„Einer Bergbauernfamilie unter die Arme greifen, dem Stadtalltag entfliehen und einen Beitrag für den Erhalt der vielfältigen Kulturlandschaft im Berggebiet leisten“, so wirbt Caritas Schweiz für ihre Freiwilligeneinsätze. Ein Bergerlebnis ohne Touristenperspektive also. Ich bin vollkommen durchgeschwitzt. Meine Füße in den Bergschuhen kochen. An einer Hand bildet sich eine Blase.

Die örtliche Zeitung trägt den passenden Namen "Bote der Urschweiz"

Der Himmel dräut bereits in bleiernem Violett. Durch wenige verbliebene Löcher sticht die Sonne. Das Gewitter zieht schnell auf. Es kommt von Westen, wo der Vierwaldstätter See einen Knick macht und sich von da an Urner See nennt. Die Landschaft ist Urgrund der Eidgenossen, Terrain von Tell und Konsorten. Die örtliche Zeitung heißt passenderweise „Bote der Urschweiz“. Am Ufer des Urner Sees liegt Sisikon, wo mich Bäuerin Karin am Vormittag abgeholt hat. Riemenstalden ist der letzte Ort im gleichnamigen Tal. Die Gemeinde hat gut 80 Einwohner. Etwa zwei Dutzend davon leben im Dorf selbst. Es gibt eine Kirche, ein Schulhaus für acht Schüler und ein Gasthaus mit wenigen Fremdenzimmern.

Oberhalb von Riemenstalden, auf rund 1200 Meter Höhe, liegt der Käppeliberg mit zwei Bauernhäusern. Der oberste Hof ist der von Karin und Paul, der Päuli gerufen wird. Der Riemenstaldner Bach, der vor dem Haus durch den Talgrund gurgelt, bildet die Grenze zwischen den Kantonen Uri und Schwyz. Eingerahmt ist das Tal von den steilen Flanken der Fronalpstockkette und der Rophaienkette. Im Winter fällt hier zwei Monate lang kein einziger Sonnenstrahl ein.

Jetzt aber ist hoher Sommer. Als Päuli mit der letzten Fuhre Heu den Stall erreicht hat, bricht das Gewitter los. Keinen Moment zu früh. Die Mahd ist trocken geborgen und sicher eingefahren. Es fühlt sich an wie ein Sieg über die Launen der Natur.

Ist die Kuhglocke erstmal dran, dürfen die Kühe hinaus

Im strömenden Regen steigen wir später hinauf zum mittleren Stall. Ein Teil der Kühe übersömmert gerade auf einer Alp im Schächental. Deshalb ist zur Zeit mit dem Vieh nicht so viel zu tun. Die Arbeit im Stall dauert rund eine Stunde. Die Kühe werden gemolken. Der größte Teil der Milch wird in Töpfen mit Saugern an die Kälber verfüttert. Danach bekommen die Tiere ihre Kuhglocken umgeschnallt und dürfen hinaus. Jetzt wird der Stall ausgemistet, mit dem Schlauch saubergespritzt und neues Stroh ausgestreut. Zwei Liter von der sahnigen Milch nimmt Päuli für den Eigenverbrauch mit nach unten ins Haus.

Es gibt vier Mahlzeiten am Tag: Frühstück, Mittagessen, „Z’Abig“ und nach der letzten Stallarbeit „Z’Nacht“. Auf den Tisch kommt einfache Kost mit vielen Kohlehydraten wie etwa „Älplermakronen“: Nudeln mit Kartoffelstücken und Käse darüber. Ich liege um neun Uhr im Bett und lausche dem Konzert der Kuhglocken. Päuli ist auf dem Hof aufgewachsen. Karin dagegen kommt aus dem „Unterland“ und ist eigentlich Lehrerin. Das Paar hat sich beim Sennen auf einer Alp kennengelernt. Inzwischen haben sie fünf Kinder zwischen acht Monaten und sieben Jahren. Neben dem Wohnhaus und den drei Ställen gibt es noch eine Sägerei. Trotzdem haben Karin und Päuli ein neues Projekt. Sie wollen gleich neben dem Bauerngarten eine moderne Hofkäserei bauen und dort zwei Fremdenzimmer einrichten. Für die Baustelle ist Päuli zuständig. Ohne Hilfe geht das nicht.

Alles was die Kühe nicht essen können, ist für die Bauern schlichtweg Unkraut

Päuli und ich reißen das Notdach von der baufälligen alten Käserei ab. Wir nehmen die Beschwerungsbalken fort und machen sie mit der Motorsäge klein. Bis Mittag ist alles herunter. Päuli steigt auf den Bagger und hebt die Baugrube aus. Ich stehe in der Sägerei und mache die Balken zu Brennholz. Es dauert Stunden, bis alles Holz gerichtet und unter einem Dach gestapelt ist.
Am nächsten Morgen steige ich mit Karin die steilen Hänge hinauf. Hoch oben liegt eine Weide, auf der jede Menge gelber Enzian wächst. Für die Bauern sind die Pflanzen schlicht Unkraut, das die Kühe nicht mögen. Karin holt eine Sense aus dem Stall und zeigt mir, wie ich den Enzian mähen soll. Dann geht sie.

Ich mähe quer zum Hang, langsam aufsteigend. Obwohl die Sonne nur halb durchbricht, läuft mir von der Anstrengung der Schweiß in die Augen. Die Bewegung geht immer von rechts nach links. Schon nach 20 Minuten macht sich durch die einseitige Belastung ein irrer Schmerz auf der rechten Rückenseite breit. Drei Viertel des Hanges habe ich bis zum Mittag geschafft. „Schön, aber streng ist die Arbeit auf einem Bergbauernhof“, steht in einem Merkblatt über das Dorf Riemenstalden.

In meinem Rücken nagt auch bei der Abreise noch wütender Schmerz. Im Koffer liegen die schmutzstarrenden Arbeitsklamotten. Und ein großes Stück Käse, fett und gelb, mit der ganzen Würze des Sommers.

Infos zu Schweizer Hilfsprojekten

Einsatzort
Gearbeitet wird im gesamten Schweizer Alpenraum und im Jura. Regionale Präferenzen werden berücksichtigt. Wer will, kann so etwa in der Westschweiz sein Französisch oder im Tessin sein Italienisch aufpolieren.

Einsatzzeit
Hilfseinsätze sind ab fünf Arbeitstagen möglich. Besonders häufig werden Hilfskräfte im Sommerhalbjahr gebraucht. Caritas Schweiz vermittelt Helfer von 18 bis 70 Jahren.

Einsatzart
Gefragt ist die Hilfe bei Arbeiten an Bauprojekten, in der Landwirtschaft, im Forst, im Haushalt und im Garten oder bei der Kinderbetreuung. Präferenzen der Teilnehmer werden nach Möglichkeit berücksichtigt.

Einsatzbedingungen
Die Unterbringung und Verpflegung der Teilnehmer erfolgen kostenfrei am jeweiligen Einsatzort. Caritas Schweiz Bergeinsätze, Löwenstraße 3, CH-6002 Luzern, Telefon 00 41 / 41 / 4 19 22 77,www.bergeinsatz.ch

Weitere Hilfseinsätze
Arbeitsmöglichkeiten mit Bergbauern in Südtirol sind aufgelistet unter www.bergbauernhilfe.it. Sonstige ehrenamtliche Umweltprojekte auf Zeit, zum Beispiel zur Pflege der Bergwälder im gesamten Alpenraum, finden sich unter www.erlebnis-alpen.de/links/umwelteinsatz.