Niemand will schuld sein, jeder schiebt den Schwarzen Peter hin und her: Kabelhaushalte in Baden-Württemberg können das Schweizer Fernsehen nicht mehr empfangen – es sei denn, sie liegen im grenznahen Bereich.

Stuttgart - Wie so oft im Leben will’s nachher keiner gewesen sein. Der Schwarze Peter wird so lange hin und her geschoben, bis am Ende niemand mehr sagen kann, wer die Misere ausgelöst hat. Tatsache ist: seit einigen Wochen sind die Programme des Schweizer Fernsehens sowie die Angebote des ORF in weiten Teilen Baden-Württembergs aus dem Angebot von Kabel BW verschwunden. Diverse Kunden des Kabelnetzbetreibers haben sich daraufhin erst an das Unternehmen, dann an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) sowie den ORF und schließlich hilfesuchend an diese Zeitung gewandt. Genutzt hat alles nichts: Die Verbannung der Programme wird nicht rückgängig gemacht. Allein in den südwestlichen Grenzgebieten kommen die Kabelkunden nach wie vor in den Genuss der SRG-Programme SF1 und SF2.

 

Der Kabel-BW-Sprecher Olaf Winter erläutert, warum das so ist: „Im Umfeld unserer Knotenpunkte in Ravensburg, Singen, Villingen, Lörrach und Freiburg werden die Schweizer Fernsehprogramme auch weiterhin analog und digital eingespeist. Dass wir uns auf diese grenznahen Bereiche beschränken müssen, hat lizenzrechtliche Gründe und hängt mit dem so genannten terrestrischen Overspill zusammen.“

Protestbriefe an Kabel BW

Terrestrischer Overspill: der Begriff stammt aus Zeiten, als Rundfunksignale noch ausschließlich über Antenne zu empfangen waren und selbstverständlich nicht an den Landesgrenzen halt gemacht haben. Anders als im Fall der öffentlich-rechtlichen Programme gibt es zwar keine Vorschrift für die Einspeisung ausländischer Sender, aber die Kabelnetzbetreiber möchten ihren Kunden natürlich alle Angebote zur Verfügung stellen, die auch terrestrisch zu empfangen wären. Daher enthalten die Kabelpakete in den Grenzgebieten in der Regel auch die Programme aus dem Nachbarland. Als Kabel BW vor einigen Jahren begann, die Sender auch im Rest des Bundeslands einzuspeisen, fiel das angesichts der überschaubaren digitalen Verbreitung nicht weiter ins Gewicht. Mittlerweile nutzen aber über fünfzig Prozent der Kabelhaushalte das digitale Angebot.

Für die Region Stuttgart gilt der Overspill-Aspekt natürlich nicht. Hier sind nicht nur SF1 und SF2, sondern auch die Angebote des ORF aus dem Bouquet geflogen, was Kabel BW einen empörten Brief des Vereins der Österreicher in Baden-Württemberg einbrachte. In dem Schreiben ist von Diskriminierung und Ausnutzen eines Monopols die Rede. Auch die Freunde des Schweizer Fernsehens machten ihrem Unmut Luft. Dabei treffen die Vorwürfe womöglich den falschen Adressaten. Es gibt zwar immer wieder Beschwerden von Kabelkunden über den miserablen Service des vor zwei Jahren aus dem Zusammenschluss von Kabel BW und Unity Media hervorgegangenen Unternehmens, aber der Sprecher Olaf Winter versichert, dass man an der aktuellen Entwicklung schuldlos sei: Wäre es nach der SRG gegangen, wären die Schweizer Sender in Baden-Württemberg überhaupt nicht mehr zu empfangen. Erst aufgrund „intensiver Gespräche“ habe ein Umdenken bei der SRG stattgefunden: „Das Unternehmen hat uns die Einspeisung seiner Programme im Overspill-Bereich erlaubt, dabei wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Wir haben um Zustimmung zur Verbreitung außerhalb des Overspill-Gebiets gebeten, die uns jedoch verweigert wurde.“ Anscheinend hat sich das beim in Zürich angesiedelten SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) noch nicht überall rumgesprochen. Die Abteilung Kommunikation hat Zuschauerzuschriften mit den immer gleichen Zeilen beantwortet: Man kenne die Gründe für die Abschaltung der SRF-Programme „im Netz der Kabel BW nicht. Der Kabelbetreiber hat uns in diesem Zusammenhang auch nicht kontaktiert.“

Lizenzen als Hindernisse

Die Beschwerde der Österreicher in Baden-Württemberg über die Abschaltung von ORF2 Europe (ORF2 E) beantwortete Kabel BW mit dem Hinweis, der Sender könne aus „lizenzrechtlichen Gründen nur noch im grenznahen Gebiet“ bereitgestellt werden, konkret in den Räumen Ravensburg und Singen. Winter teilt dazu mit: „Abhängig von der Version des ORF-Programms gelten die Lizenzprobleme gegebenenfalls auch für den ORF. Das können wir nicht genau einschätzen und wäre daher bei der Lizenzabteilung des ORF zu erfragen.“ Laut ORF kann von solchen Problemen aber offenbar keine Rede sein, wie der Sender dem Verein schriftlich versichert hat: ORF2 E werde via Satellit europaweit unverschlüsselt ausgestrahlt. Da sich das Programm „ausschließlich aus solchen Inhalten zusammensetzt, bei denen die Ausstrahlungsrechte beim ORF liegen“, bestünden keinerlei rechtliche Einschränkungen.

Bei sonstigen Programmangeboten sieht das allerdings anders aus. Das Thema wäre keins, wenn die hierzulande empfangbaren Angebote von ORF und SRF ausschließlich aus eigenproduzierten Sendungen bestünden. Aber sie enthalten natürlich auch Kinospielfilme und Live-Übertragungen von Sportereignissen. In beiden Fällen müssen TV-Sender viel Geld für die Lizenzen bezahlen. RTL zum Beispiel wird es gar nicht gefallen, wenn Zuschauer eine zeitgleich ausgestrahlte Hollywood-Produktion lieber im ORF und ohne Werbeunterbrechung anschauen. Gleiches gilt auch für den Bezahlsender Sky, wenn die Schweizer die Champions-League-Spiele frei übertragen.

Olaf Winter bestätigt den Sachverhalt: Die Ausstrahlung der ausländischen Programme „außerhalb des Grenzgebiets habe immer wieder Lizenzrechte anderer Sender verletzt. Konkrete Interessenskonflikte gab es mit Sky.“ Das habe zu einer „diffizilen Situation“ geführt: Da man das Angebot von Sky auch über Kabel BW abonnieren kann, sei man „als verbreitende Plattform von diesen Konflikten ebenfalls betroffen.“ Durch die Beschränkung auf das Overspill-Gebiet bewege man sich nun „rechtlich in einem sauberen Rahmen.“